Mordmelodie

  • Fischer Taschenbuch Verlag
  • Erschienen: Januar 2007
  • 6
  • New York: Berkley, 2006, Titel: 'The Boy With Perfect Hands ', Originalsprache
  • Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 2007, Seiten: 320, Übersetzt: Irmengard Gabler
Mordmelodie
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Jörg Kijanski
60°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2007

Schwacher Nachfolger

In Chicago hält eine Serie von Doppelmorden die Polizei in Atem. Da sich die Morde in verschiedenen Bezirken ereignen übernimmt Special Agent Elizabeth Hewitt die Leitung der Ermittlungen. Sie stellt fest, dass es offenbar einen Zusammenhang zwischen den Fällen geben muss, denn der sog. Modus Operandi ist immer derselbe. Eine junge Frau wird durch eine tödliche Injektion in den Fuß umgebracht und anschließend an einem Picknicktisch eines Rastplatzes auffällig platziert. Zur gleichen Zeit wird ein älterer Mann in seiner Wohnung mit Nylonstrümpfen erdrosselt.

Da bereits zwei Doppelmorde innerhalb von 48 Stunden passiert sind, ist besondere Eile angesagt. Hewitt entdeckt bei ihren Ermittlungen in den Wohnungen der Männer, dass deren Radios immer in unnatürlicher Lautstärke auf den Sender "WCLS - Chicagos Klassikstimme" eingestellt sind. Als Hewitt dem Sender einen Besuch abstattet macht sie zwei überraschende Entdeckungen: Während die Paare jeweils gegen drei Uhr nachts ermordet wurden, lief im Radio immer das gleiche Stück, die "Nocturne" in Es-Dur von Chopin. Außerdem ist der Besitzer des Radiosenders ein alter College-Kollege von Hewitt, der kürzlich seinen Mitarbeiter Brad Spheeries gefeuert hat. Spheeries war für die Gestaltung des automatisch vom Band ablaufenden Nachtprogramms zuständig...

Die Intelligenz der Leser/innen wird in Frage gestellt

In ihrem zweiten Fall nach Rabenmord überrascht Special Agent Hewitt ein ums andere Mal mit geradezu verblüffenden Ermittlungsmethoden.

 

"In ihrem Bett sitzend, die Beine über Kreuz, brachte Elizabeth rasch zwei Skizzen zu Papier: links ein Mann in einem Bett, [...], rechts denselben Mann tot auf dem Wohnzimmerfußboden. [...] In ihrem Notizbuch zog sie vom vorübergehend Schlafenden zum für immer Schlafenden fünf parallele, horizontale Linien. In diese Linien malte sie vier solide Kreise und hängte an jeden ein steiles Fähnchen. Viertelnoten in einer bestimmten Abfolge, die [...] das englische Wort für Gesicht ergaben: f-a-c-e. [...] Was auch immer diese drei kräftigen Männer aus dem Bett geholt hatte, hatte etwas mit Musik zu tun."

 

Na also, so einfach können Ermittlungen sein! "Der Rest ist Schweigen", möchte man an dieser Stelle meinen, primitiver geht es kaum. Hinzu kommen einige grenzwertige Sätze ("Chuck Radke war noch nie zuvor tot."), die die Intelligenz der Leser/innen zusätzlich auf eine harte Probe stellen. Allerdings ergibt sich von Anfang an eine interessante Fragestellung: Gab es einen Täter oder handelte hier ein Täter-Duo? Diese Frage wird deswegen immer wieder gerne gesehen, da ein Mörder nicht zwei Menschen zeitgleich an verschiedenen Orten umbringen kann. Andererseits ist es in der (realen) Geschichte der Serienmörder aber auch die ganz seltene Ausnahme, dass ein Mörder mit einem Partner zusammen arbeitet. Hier hätte Sheldon Rusch noch deutlicher punkten können, hätte es bei dieser Frage bzw. deren Auflösung mehrere Alternativen gegeben.

 

Eine volle Kanne Kaffee stand auf der Wärmeplatte. Anzeichen intelligenten Lebens.

 

Die Charaktere der Figuren, Sie ahnen es vermutlich, sind nahezu beliebig austauschbar. Lediglich von Hewitt (Vorname "Elizabeth Taylor" - welch ein Brüller!) erfährt man immerhin, dass sie gerne mit ihrem jüngeren Partner Sex hat und bevorzugt Pizza isst. Da ihre Eltern bereits verstorben sind, zieht es sie des Öfteren zu ihrem Ersatzvater Captain Spengler, der nach einem schweren Herzinfarkt vom Dienst freigestellt wurde. Dass Hewitt mit ihrem neuen Vorgesetzten dabei alles andere als glücklich ist versteht sich von selbst, wenngleich auch dieser Erzählstrang recht beiläufig und oberflächlich verläuft.

Durch gelegentliche Ausflüge in den Bereich der klassischen Musik darf hier zugreifen, wer eine Mischung aus Sex, Crime & Klassik lesen möchte. Für einen verregneten Nachmittag ist der Roman akzeptabel, zumal Rusch mit kurzen Kapiteln (allein 59 auf den letzten 150 Seiten!) für reichlich Tempo sorgt. Dabei steigert er das Tempo jedoch ein wenig zu stark, denn das turbulente Finale dürfte sich den meisten Lesern/innen erst im Nachhinein erschließen, wenn alles noch einmal aufgedröselt wird.

Mordmelodie

Sheldon Rusch, Fischer Taschenbuch Verlag

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