Furie

  • Limes
  • Erschienen: Januar 2007
  • 28
  • München: Limes, 2007, Seiten: 384, Übersetzt: Fred Kinzel
  • München: Blanvalet, 2008, Seiten: 384
Furie
Furie
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Jörg Kijanski
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2007

Ein zeitgemäßer, weiblicher Hannibal Lecter

"Gretchen Lowell - neben ihr ist Hannibal Lecter ein blutiger Anfänger" wirbt der Limes-Verlag - und hat Recht.

Zehn lange Jahre jagte die Soko "Beauty Killer" die gefährlichste Serienmörderin der USA, Gretchen Lowell, und nur ein Polizist war die gesamte Zeit dabei. Detective Archie Sheridan hielt als einziger durch, doch kurz bevor er den Fall lösen konnte lief er Gretchen geradewegs in die Falle. Zehn Tage konnte sich die Psychopathin an Archie auslassen, doch statt ihn wie alle anderen Opfer letztendlich umzubringen stellt sich Gretchen plötzlich überraschend der Polizei. Archie überlebt wie durch ein Wunder schwer verletzt, aber sein Leben liegt in Trümmern. Seine Familie hat er verlassen, stattdessen zieht es ihn, zwei Jahre nach der Verhaftung von Gretchen noch immer zu seiner Peinigerin. Jeden Sonntag besucht er Gretchen im Gefängnis und zur "Belohnung" erhält er immer wieder detaillierte Hinweise, wo weitere ihrer angeblich insgesamt 200 Opfer zu finden sind und was mit diesen vorher passiert ist.

Als ein neuer Serienmörder, der es auf jugendliche Mädchen abgesehen hat, die Stadt Portland unsicher macht, entscheidet sich Archie zu seiner Einheit zurückzukehren und die Leitung der wieder ins Leben gerufenen Soko zu übernehmen, obwohl er seit dem Vorfall von damals krank geschrieben ist. Die Zeit drängt, denn ein viertes Mädchen wurde soeben entführt und die anderen drei starben alle kurz nach ihrem Verschwinden. An Archies Seite ist neben seinem Team die junge Journalistin Susan Ward, die als ständige Pressevertreterin die Ermittlungen begleitet und eine Story über Archie schreiben soll. Doch damit beginnt für sie nicht nur die Jagd nach einem Mörder, sie gerät auch in Gretchens Visier...

Der Debütroman von Chelsea Cain kann es problemlos mit Thomas Harris´ Das Schweigen der Lämmer aufnehmen, wobei die Autorin dem aktuellen Zeitgeist folgt. Je mehr Brutalität desto besser, doch ganz so drastisch wie noch vor kurzer Zeit bei Die Blutlinie (Cody Mcfadyen) kommen die Gewaltszenen hier nicht beim Leser an. Auch wenn Gretchen ihrem Liebling Archie die Milz herausoperiert, um seinem Partner Henry Sobol ein Lebenszeichen zukommen zu lassen, oder ihm viele andere Verletzungen und Schmerzen zufügt, Chelsea Cain hat es geschafft, trotz aller Brutalität den Roman lesbar zu halten. Vielleicht hat man sich aber auch schon zu sehr an derartige Darstellungen gewöhnt.

 

"Was mich erstaunt, ist, dass die Leute aufstehen, zur Arbeit gehen und wieder nach Hause kommen und nie jemanden töten. Sie tun mir leid, denn sie leben nicht. Sie werden nie erfahren, was es heißt, ein Mensch zu sein."
(Gretchen Lowell)

 

Furie folgt im Wesentlichen einem dreigliedrigen Aufbau. Die Ermittlungsarbeit von Archie bzw. der Soko wird detailliert und lebensnah dargestellt, daneben die Figur von Susan sauber eingeführt und ihre Arbeit an dem Artikel über Archie begleitet und - wie sollte es anders sein - zu guter Letzt betritt Gretchen ("Die Königin des Bösen") immer wieder die Bildfläche. In zahlreichen Rückblenden wird das Martyrium von Archie ausführlich geschildert. Dabei nehmen zwei zentrale Themen des Buches immer mehr Raum ein: Kontrolle und Obsession.

Archie erfährt von Gretchen immer nur soviel, wie sie ihm verraten will und Susan merkt sehr bald, dass ihre Arbeit ebenfalls manipuliert wird. Lehnte Archie in der Vergangenheit jede Auskunft aus seiner Gefangenschaft bei Gretchen ab, erhält Susan nahezu alle Informationen auf Anhieb. Selbst Archies Arzt wird von seiner medizinischen Schweigepflicht entbunden. Das die drei sich immer wieder abwechselnden Handlungsstränge am Ende des Buches miteinander verbunden werden, überrascht dabei nicht, wird allerdings gekonnt umgesetzt.

Furie ist ein mustergültiger Mainstream-Thriller zum Thema "Serial Killer", der lediglich zu Beginn etwas an Tempo vermissen lässt. Die mitunter ermüdende Ermittlungsarbeit nimmt denkbar viel Raum ein, ohne dass die Soko zunächst vorankommt.

 

"Du bist Politiker, Buddy. Du warst immer einer. Denk dir einen Weg aus, ihnen zu erklären, dass wir verdammt noch mal keine Ahnung haben, was gespielt wird, und zwar so, dass es sich anhört, als wüssten wir ganz genau, was gespielt wird."

 

Später, viel später werden dann aber mehrere Tatverdächtige ins Spiel gebracht, so dass Gelegenheit zum Mitraten besteht. Die Hauptcharaktere, allen voran der von Drogen bzw. schmerzlindernden Tabletten oftmals zu gedröhnte Archie, wirken sehr lebendig und runden den insgesamt sehr positiven Eindruck ab, wobei selbstredend auch Gretchen einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Es ist fast ein wenig schade, dass eine Fortsetzung nicht zu erwarten ist.

Furie

Chelsea Cain, Limes

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