Rungholts Sünde

  • Blanvalet
  • Erschienen: Januar 2007
  • 1
  • München: Blanvalet, 2007, Seiten: 540, Originalsprache
  • München: Blanvalet, 2012, Seiten: 576, Originalsprache
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Jörg Kijanski
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2006

Kopfüber ins Mittelalter

Lübeck, 1392: Die Brunnenbauer Allrich und Nantwig stoßen bei ihrer Arbeit auf ein altes Kellergewölbe und finden dort den Leichnam eines Mannes. Diesem wurde das Herz herausgeschnitten und stattdessen ein faustgroßer Stein in seinen Körper gelegt. Richteherr Kerkring steht vor einem Rätsel, denn wie konnte der Tote überhaupt in den zugemauerten Kellerraum hinein kommen und was hat es mit dem Stück einer Stola auf sich, welches sich ebenfalls im Körper des Ermordeten befindet?

Kerkring bittet den Patrizier Rungholdt den Mordfall aufzuklären, da dieser zwei Jahre zuvor bereits einmal einen Mörder dingfest machen konnte. Rungholdt erklärt sich nur recht widerwillig einverstanden, denn eigentlich ist er ganz mit den Bauarbeiten seiner eigenen Brauerei beschäftigt, bei der rein gar nichts klappen will. Doch die Zusage Kerkrings, Rungholdt bei seinem Antrag auf Erlangen des Grutrechtes zu helfen, lässt Rungholdts Bedenken schwinden. Der junge, karrieresüchtige Richteherr ist ihm allerdings noch immer nicht geheuer, da dieser vor zwei Jahren gegen Rungholdts Lehrjungen Daniel in besagtem Mordfall ermittelte. Doch inzwischen ist einiges passiert: Daniel ist geschäftlich in London unterwegs und seine Frau, Rungholdts Tochter Mirke, erwartet ihr erstes Kind.

In Lübeck selbst herrscht große Unruhe dieser Tage und dies nicht nur wegen der Fastenzeit und unerträglicher Temperaturen. Conrad van der Hune, der sog. "Schlächter von Visby", sitzt in der Fronerei und wartet auf seinen Prozess. Da geschieht ein zweiter Mord und erneut findet man bei dem Toten anstelle des Herzens nur zwei kleine Steine vor. Die Zeit drängt immer mehr, da laufen Rungholdt und sein Schiffskapitän Marek Bolge dem Mörder und seinem Helfer direkt in die Arme…

"Pfusch am Bau" eines Jähzornigen.

Gleich das erste Kapitel beginnt fulminant und man weis sofort, dass Er wieder da ist. Rungholdt, jener jähzornige Lübecker Kaufmann, der am liebsten mit dem Kopf durch die Wand rennt.

 

"Nein! Nein! Nein!", belferte Rungholdt und wischte sich das Kinn. Etwas Speichel war ihm aus dem Mund gelaufen, so laut hatte er geschrien. Er stippte dem kleinen Handwerksmeister mit dem Ellenstab gegen die Brust. "Wenn ich dir sage, du sollst den Kessel weiter nach vorne setzen, dann hat das zu sein, wie ich das will!"
"Aber Herr, ich dachte…"
"Herrgott! Was du denkst, das ist mir der Schiss an meinem fetten Arsch wert."

 

Der erfolglose Baumeister Hebestrith und seine Arbeiter haben einen schweren Stand. Plagten Rungholdt in seinem Debütroman noch unerträgliche Zahnschmerzen, so wurmt ihn diesmal, dass der Bau seiner Brauerei alles andere als voran kommt. Schlechte Stimmung ist da natürlich vorprogrammiert, zumal er auch zuhause einen schweren Stand hat. Mirke, seine 15-jährige Tochter ist schwanger und so musste Rungholdt mit seiner Frau sein Zimmer räumen. Aus diesem wird er regelmäßig hinaus komplimentiert, immer dann, wenn Mirke Schmerzen hat und es sich um eine reine "Frauensache" handelt.

Mehrere Handlungsstränge sorgen für Spannung.

Neben den beiden vorgenannten "privaten" Handlungssträngen sorgt Rungholdts Sünde aber auch ansonsten für spannende Lesefreude. Da ist zunächst die "Kernstory", die Jagd nach einem unheimlichen Serienmörder, der seinen Opfern die Herzen entfernt und nebenbei entwickelt sich die Inhaftierung des Massenmörders van der Hune auch anders als erwartet. Hier darf einmal mehr der Richteherr Kerkring den "Bösewicht" geben. Zwei alte Streithähne treffen also erneut aufeinander und - so viel darf verraten werden - eine Fortsetzung dieser Fehde ist so gut wie sicher.

Doch zurück zum Serienmörder. Gab es in Rungholdts Ehre nur einen wirklich Verdächtigen, so verrät Derek Meister im vorliegenden Buch schon sehr früh die Identität des Mörders, in dem er diesen namentlich in die Story einführt und zunehmend mehr Platz einräumt. Abwechselnd werden Rungholdt und der Mörder bei ihren Taten begleitet und so ergibt sich der Spannungsbogen aus den Fragen nach dem Motiv und was bis zur Aufklärung noch alles passieren wird. Christi Höllenfahrt spielt dabei keine unwesentliche Rolle.

Vierzig Augen blicken in den Himmel

Die in Rungholdts Ehre schon angedeutete Reise Rungholdts nach Russland wird hier nun endlich aufgelöst und so erfährt man in mehreren ausführlichen Rückblenden, was sich damals ereignet hat und warum die geliebte Irena sterben musste. Am Ende steht Rungholts Sünde fest, er hinterlässt ein blutiges Schlachtfeld - und Irena.

Wiedersehen mir vielen alten Bekannten

Wer den ersten Teil gelesen hat, darf sich auf ein Wiedersehen mit vielen alten Bekannten erfreuen. Hierbei haben aber deren Bedeutungen für die Geschichte mitunter stark gewechselt. War Mirke im ersten Teil noch eine der Hauptfiguren, so taucht sie hier nur noch sporadisch (im Bett liegend) auf. Dafür rückt Kapitän Marek Bolge in den Mittelpunkt der Handlung und steht Rungholdt unermütlich zur Seite. Gemeinsam übrigens mit der Heilerin Sinje, die hier ebenfalls deutlich mehr Platz findet als in dem Debütroman. Nicht immer zur Freude Rungholdts. Winfried der Kahle ist erneut mit von der Partie und, wie schon angesprochen, Richteherr Kerkring.

Alles in allem ist Rungholdts Sünde eine glänzend gelungene "Fortsetzung", die einen erneut schlagartig ins Mittelalter entführt.

Rungholts Sünde

Derek Meister, Blanvalet

Rungholts Sünde

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