Inspektor Kajetan und die Betrüger

  • btb
  • Erschienen: Januar 2004
  • 3
  • München: btb, 2004, Seiten: 288, Originalsprache
  • München: btb, 2006, Seiten: 288, Originalsprache
  • Hamburg: Zeitverlag Bucerius, 2010, Seiten: 252, Originalsprache
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Jörg Kijanski
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2004

Sittengemälde mit kriminalistischer Einlage

Seit seiner Suspendierung vom Dienst bemüht sich Inspektor Paul Katejan um seine Wiedereinstellung bei der Münchner Polizei, doch seine Stelle ist bereits von Isidor Zunhammer besetzt, dessen Anleiter Kajetan einst war. Die Suspendierung erfolgte, da Kajetan vor einiger Zeit gegen seinen damaligen Vorgesetzten ermittelte, der mit den Mördern eines Bauernmädchens offenbar unter einer Decke steckte (so zu lesen in Hültners Roman "Walching"). Ein Dreivierteljahr nach Einstellung der Ermittlungen brachte dieser sich um, der Fall wurde zu den Akten gelegt, Kajetan suspendiert und lediglich ein gewisser Major Rupp, der mit Kajetans Chef seinerzeit engen Kontakt hatte, könnte bei der Aufklärung des Falles noch helfen. Doch dieser ist seitdem verschwunden.

So hält sich Kajetan notgedrungen bis auf Weiteres mit einer "Auskunftei" über Wasser, in der er aktuell in zwei Fällen ermittelt. Zum einen wendet sich Herr Haswanger an ihn, da dieser ein folgenschweres Techtelmechtel mit einer jungen Frau gehabt haben soll und deren vermeintlicher Bruder ihn nun erpresst. Zum anderen bittet ihn Frau Süssmeier um Hilfe, deren Neffe sie um ihre Ersparnisse gebracht hat, mit dem Versprechen diese in Anleihen gewinnbringend anzulegen. Doch der Neffe fiel auf einen Gauner herein, der offenbar mit dem "Bruder" im Fall Haswanger identisch ist. Fast glaubt sich Kajetan an seinem Ziel, das Gaunerpaar auf frischer Tat zu ertappen, da fällt er eines Abends in seiner Wohnung förmlich über den schwer verletzten Zunhammer. Die Polizei verdächtigt zunächst Kajetan, da er auf dessen Posten scharf sei.

Ein "ungebetener" Zeuge, dessen Kompagnon der bereits genannte Major Rupp ist, verbirgt sich jedoch für Kajetan, der hierdurch in eine Zwickmühle gerät. Doch dies erscheint zunächst nebensächlich, denn während Zunhammer im Krankenhaus mit dem Tode ringt, gilt es für Kajetan den oder die wahren Täter zu finden und damit letzte Zweifel an seiner Schuld zu beseitigen...

Robert Hültner entführt den Leser in das München der späten 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Der Übergang vom Kaiserreich zur Republik ist vollzogen, doch den Menschen geht es überwiegend schlecht, wodurch diese sich in ihren Sehnsüchten manch selbsternanntem Heilsbringer zuwenden. Erste judenfeindliche Stimmungen machen sich an den Stammtischen breit, ein gewisser Adolf Hitler findet zunehmend Anhänger wie Kritiker.

 

"Da haben sie nicht genau zugehört. Ich sagte vielleicht einmal, dass ich mir wünschen würde, mehr Künstler an der Macht zu sehen. Von gescheiterten Künstlern habe ich nie gesprochen."

 

Diese turbulenten politischen Zeiten

 

"Wenn die Sozen was vorlegen, ist das Zentrum dagegen, und umgekehrt ist es genauso. Und wenn die zwei sich einmal einig sind, dann funken die Kommunisten hinein. Das Tempo dabei müssens sich ungefähr so vorstellen wie eine Schnecken auf Wallfahrt nach Altötting, und zwar mit einem Dreizentnerkreuz auf dem Buckel."

 

hinterlassen auch bei der Polizei ihre Spuren, wo sich bereits eine Abteilung "Politische Polizei" im Aufbau befindet. So findet sich schnell ein Ermittler im Schreibdienst wieder, weil er eine Veranstaltung der Unabhängigen Sozialdemokraten besucht hat.

"Schenk lieber gescheit ein, dann fällt dir der Feim net gleich wieder zsamm!"

Was Hültner hier dem Leser an Zeitgeschichte und Lokalkolorit bietet ist vom Allerfeinsten und versetzt einen schlagartig in die damalige Zeit. Die "Brauhausatmosphäre" ist zum Greifen nah. Dass dabei zeitweise die Ermittlungen ins Hintertreffen geraten, besser gesagt, zur Nebensache werden, ist durchaus beabsichtigt. Wer also einen reinen Krimi lesen möchte, wer mit raten möchte, wer, wieso, warum, der greift hier zum "falschen" Buch, bei dem man übrigens ein ausgeprägtes Faible für den bayrischen Dialekt benötigt, in dem nämlich die meisten Dialoge geschrieben sind. Zwar befindet sich am Ende ein zweiseitiges "Wörterbuch", in dem u. a. erklärt wird, dass ein "Drä-drä" ein Tölpel ist, doch wer nicht ständig hin- und herblättern möchte, muss schon einen recht langen Atem haben.

Und der Fall selber? Der löst sich akzeptabel auf, wenngleich zum Finale eine Situation mit entscheidend ist, die man im Theater als "Deus ex machina" bezeichnen würde und daher hier einen etwas faden Beigeschmack hinterlässt. Dennoch, als "Sittengemälde mit kriminalistischer Einlage" ist der Roman allemal zu empfehlen, wenn man es denn gerne ruhig angehen lässt.

Inspektor Kajetan und die Betrüger

Robert Hültner, btb

Inspektor Kajetan und die Betrüger

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