Wie wir heute sterben

  • Ullstein
  • Erschienen: Januar 1990
  • 2
  • Frankfurt am Main: Ullstein, 1990, Titel: 'Bis der Tod uns verbindet', Seiten: 191, Übersetzt: Rainer Schmidt
  • New York: Random House, 1988, Titel: 'The Way We Die Now', Originalsprache
  • New York: Vintage Crime, 2005, Originalsprache, Bemerkung: Black Lizard Edition. With an introduction by Donald E. Westlake
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1996, Titel: 'Bis uns der Tod verbindet', Seiten: 254
  • : Random House, 0
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Thomas Kürten
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2003

Good Bye, Hoke Moseley

Wie wir heute sterben ist der vierte und letzte Teil einer der qualitativ hochwertigsten Krimi-Serien aus den USA. Wenn Autor Charles Willeford nicht nach schwerer Krankheit wenige Monate nach Fertigstellung dieses Romans gestorben wäre, hätte er mit seinen genial-zynischen Einfällen diese Serie sicherlich noch um einige weitere Romane bereichern können - sofern er es gewollt hätte. Denn mit Hoke Moseley verband den Autor eine Hassliebe. Nie hatte Willeford Serienromane schreiben wollen, doch der Erfolg von Miami Blues sowie der von seinem Verleger durchgesetzten Nachfolgebände ließen dem Autor spät den Ruhm und die Beachtung zukommen, die er für sein schriftstellerisches Werk schon viel früher verdient gehabt hätte.

Was bisher passierte (die ersten drei Hoke-Moseley-Bände):

Moseley ist Cop in Miami. Seit 10 Jahren schickt er jeden zweiten Gehaltscheck an seine Ex-Frau, die mit den beiden gemeinsamen Töchtern zusammen lebt und ein miserables Biest sein muss. Aufgrund der angespannten Finanzlage und der unbefriedigenden Situation im Job hat Moseley einige Arrangements für sich getroffen, mit denen er sich das Leben erleichtern kann. So war er zunächst als "Sicherheitsbeauftragter" in einem ehemaligen Hotel in Miami Beach von den Mietzahlungen befreit und konnte hier kostenfrei wohnen. Auch seiner Zähne hatte er sich frühzeitig freiwillig entledigt; er trägt ein künstliches Gebiss, um horrenden Zahnarztrechnungen von vornherein aus dem Weg zu gehen.

Hoke wurde vom regulären Polizeidienst freigestellt und in so genannten Cold Cases zu ermitteln. Außerdem zwangen ihn eine neue Dienstordnung und das plötzliche Erscheinen seiner Töchter (seine Ex-Frau hatte sich mit einem Baseball-Star aus dem Staub gemacht) sich eine Wohnung in Miami zu suchen. Gleichzeitig zog seine Kollegin Ellita Sanchez bei ihm ein, da sie hochschwanger von ihren aufgebrachten Eltern vor die Tür gesetzt worden war. Die vier haben sich zu einer gemütlichen Wohngemeinschaft zusammen gefunden, ohne dass zwischen Hoke und Ellita in irgendeiner Weise Liebe aufkeimt. Hoke hat ein Burnout-Syndrom auskuriert und Ellita wurde bei einem bewaffneten Überfall verletzt. Seitdem bezieht sie Beamtenpension und kümmert sich um ihren neugeborenen Sohn. Und Hoke muss sich weiter mit den kalten Fällen quälen.

Wohin verschwinden die Haitianer?

Während Hoke in diesem Band gequält wird von einer neuen Beamtenrichtlinie, die das Rauchen im Dienst untersagt, von einem neuen Nachbarn, der frisch aus dem Gefängnis entlassen ist und noch bei seiner Verhaftung Hoke Blutrache geschworen hatte, und von einer Fernbedienung für ein Garagentor, dass ihm der Schlüssel zu einem der Cold Cases zu sein scheint, ruft ihn Major Brownley zu einem Spezialauftrag außerhalb der Stadt. Angeblich ein Freundschaftsdienst für einen Bekannten von der Landwirtschaftsbehörde. Hoke lässt sich einen Bart stehen, gibt Gebiss, Dienstmarke und Waffe bei seinem Chef ab und begibt sich als Landarbeiter getarnt in die Everglades. Hier soll er auf der Farm von verruchten Tiny Bock erkunden, ob dessen Landarbeiter haitianischer Herkunft eventuell ermordet und in den Sümpfen verscharrt worden sind.

Kaum auf der Farm angelangt, kommt es zu einer wahren Orgie der Gewalt, die zu diesem Zeitpunkt den Leser trifft wie ein Hagelsturm im August. Der von diesem Exzess vollkommen überrumpelte Hoke entkommt von der Farm knapp mit dem Leben. Für ihn ist klar, dass Major Brownley ihm nun mehr als einen Gefallen schuldet. Aber noch etwas treibt ihn so schnell wie möglich nach Hause: Wohin hat sich sein neuer Nachbar mit Ellita und seinen Töchtern aus dem Staub gemacht.

Der Hoke der Herzen

Was stellt Willeford nur diesmal mit seiner Hauptfigur an? Man will Moseley hassen, treten, Abscheu empfinden. Und dennoch kann man ihn immer wieder knuddeln. Für seine sehr einfache, pragmatische Einstellung zu beinahe allen Situationen des Lebens. Für seine komisch klingenden und doch so simplen Ratschläge an Ellita und an seine Töchter. Und zuletzt diesmal auch dafür, dass er ansatzweise Gefühle zeigt. Seine Sorge nach dem Einzug von Donald Hutton im Nachbarhaus gilt zwar auch dem eigenen Wohlergehen, in erster Linie sorgt er sich aber um die drei jungen Frauen, mit denen er sich den Haushalt teilt und die seinem kalten, enttäuschten Herzen wieder einen Funken Wärme gegeben haben.

Willeford findet in diesem letzten Roman versöhnlichere Töne als in den beiden zuvor. Schwer erkrankt scheint der Autor seinen Frieden mit dem einzigen Serienhelden seiner langen Karriere zu finden. Keine versteckten Angriffe auf seine Verleger, keine verborgene, verhärmte Abrechnung mit wem auch immer. Das letzte Drittel schwebt mit einer Leichtigkeit einem leisen Finale entgegen wie eine Daunenfeder dem Erdboden. Einen besseren Schlussakkord hätte Charles Willeford nicht finden können. Das Verlangen seiner Bewunderer nach weiteren Hoke-Moseley-Romanen wird wohl niemand stillen können.

Wie wir heute sterben

Charles Willeford, Ullstein

Wie wir heute sterben

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