Miami Blues

  • Ullstein
  • Erschienen: Januar 1987
  • 11
  • New York: St. Martin’s, 1984, Titel: 'Miami Blues', Originalsprache
  • Frankfurt am Main; Berlin: Ullstein, 1987, Seiten: 188, Übersetzt: Rainer Schmidt
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1994, Seiten: 217
  • Berlin: Alexander, 2002, Seiten: 255
  • München: Süddeutsche Zeitung, 2006, Seiten: 202
  • Berlin: Alexander, 2015, Seiten: 267, Bemerkung: Mit einem Gespräch mit Charles Willeford von John Keasler und einem E-Mail-Wechsel zwischen Jon A. Jackson und Jochen Stremmel
Miami Blues
Miami Blues
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79°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2003

Ein erstaunlich differenziertes Psychogramm eine Soziopathen

Manchmal lernt man ja durch Lesen was dazu. Wussten Sie beispielsweise, dass die Stadt Miami nicht am Meer liegt? (Obwohl - ein Blick in meinen bewährten Rand-McNally-Atlas irritiert mich dann schon etwas, aber Mr. Willeford sollte es ja eigentlich wissen...) Oder dass der gewaltsame Bruch eines Fingers einen tödlichen Schock auslösen kann? Oder dass eine pikante Essigpastete noch jedem Mann geschmeckt - und damit herumgekriegt - hat?

Frederick J. Frenger, genannt Junior, hatte irgendwann in seiner Kindheit beschlossen, seine Entwicklung zum nachsichtigen und rücksichtsvollen Menschen abzubrechen. Schließlich waren seine Erfahrungen bis dahin eindeutig: nur wer gradlinig an sich denkt, kommt weiter im Leben. Wozu lernen und malochen, wenn man klauen und rauben kann? Und auch mit fremden Kreditkarten lässt es sich doch zumindest eine Zeitlang ganz passabel leben. Dass dieser Weg mit Knast-Aufenthalten gepflastert ist, nimmt Junior nicht nur hin, sondern begrüßt diese als willkommene Möglichkeit zur persönlichen Weiterbildung in seinem Metier.

Der Junior droht zur Geißel der Menschheit zu werden

Und so hat Junior nach einigen Jahren Berufserfahrung seine Muckis und seine Skrupellosigkeit soweit gestählt, dass er zu einer Geißel der Menschheit zu werden droht. Und dabei ist er keineswegs der Hellste, sondern lediglich mit einer guten Portion Bauernschläue ausgestattet. Seine Opfer bekommen seine brachiale Brutalität zu spüren. Einem bettelnden Hare-Krishna-Jünger bricht er auf dem Flughafen von Miami kurzerhand den Finger. Als das Opfer wenig später völlig unerwartet an den Folgen eines Schocks stirbt, hat sich er Übeltäter längst unerkannt aus dem Staube gemacht. Ohne zu ahnen, dass er mittlerweile zum Mörder avanciert ist, kommt er in einem Coffee-Shop einer naiven, jungen Serviererin näher und der Zufall will es, dass diese junge Dame namens Susan die Schwester des verschiedenen Hare-Krishnas ist.

Erst als Hoke Moseley, Sergeant der Miami-Mordkommission, Susan wegen des mysteriösen Todes ihres Bruders befragt, dämmert dem Zaungast Junior die Tragweite seines Handelns. Zwar ist Junior als Susans neuer Lover nicht im unmittelbaren Rampenlicht von Moseleys Ermittlungen, doch der Sergeant kennt die Marotten von Knastbrüdern zu gut, um in Junior nicht den Ex-Knacki zu erkennen.

Nur noch ein letzter großer Coup

Derlei unerwünschte Aufmerksamkeit schmeckt nun Junior überhaupt nicht und in seiner Wut verabreicht er Hoke unerkannt eine kräftige Abreibung. Doch das alles erweist sich als genauso dumm wie unnütz. Während Junior immer mehr ins Fadenkreuz der Ermittlungen rückt, plant er noch einen letzten großen Coup, der ihm und Susan endgültig die Flucht ans Ende der Welt ermöglichen soll. Aber als er dann schließlich flott ans Werk geht, macht er einen weiteren dämlichen Fehler - diesmal gegenüber Susan.....

Zunächst einmal kann sich die Geschichte sehen lassen: Zwei Handlungsstränge, die sich in unabwendbarer Konsequenz aufeinander zu bewegen. Die Abläufe entwickeln sich folgerichtig und genau im richtigen Tempo. Der ungeheure Zufall, dass ein Mörder nur Stunden später die Schwester seines Opfers kennenlernt, geht hier völlig in Ordnung, weil es ein Einzelfall bleibt.

Danke! Kein unappetitlicher Voyeurismus an Brutalität

Es gibt brutale Szenen, ziemlich brutale sogar. Je brutaler sie sind, desto kürzer werden die Sätze, die sie beschreiben. Doch hier klatschen eben keine Gehirnpartikel plastisch und dekorativ an Wohnzimmertapeten - Willeford vermeidet hier jegliches Spiel mit unappetitlichen Voyeurismus.

Und dann dieser Charakter des Junior: Ein Mann, der bei aller Brutalität und Rücksichtslosigkeit seine tiefsitzende innere Unsicherheit hinter herrischer Besserwisserei und Chauvi-Gehabe verbergen will. Und gelegentlich blitzt bei ihm so etwas auf wie eine Sehnsucht nach einer geruhsamen, kleinbürgerlichen Existenz im Grünen mit Kleinfamilie. Ein erstaunlich differenziertes Psychogramm eine Soziopathen - das Profil seines Gegenspielers Hoke Moseley bleibt dagegen leider ziemlich im Dunkeln.

"Miami Blues" ist das erste von bislang insgesamt vier Bänden um den Sergeanten Hoke Moseley. Insgesamt kein Krimi, der dem Leser den Atem aus der Lunge treibt, doch immerhin so ansprechend, dass ich aus jeden Fall demnächst den zweiten Band versuchen werde.

Miami Blues

Charles Willeford, Ullstein

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