Neapel sehen

  • Argument
  • Erschienen: Januar 2001
  • 5
  • Hamburg: Argument, 2001, Seiten: 348, Originalsprache
Wertung wird geladen
Peter Kümmel
74°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2003

Viel Atmosphäre, aber etwas einfach gestrickt

Zwei Jahre nach ihrem erfolgversprechenden Debüt lässt Monika Geier ihre Protagonistin Bettina Boll, ihres Zeichens Kommissarin beim Ludwigshafener Morddezernat, erneut für eine breite Leserschaft ermitteln. Wieder mit dabei ist ihr Kollege Willenbacher und zudem erfährt man nun auch endlich, wie es mit Bettinas krebskranker Schwester weiter geht. Wie bereits in ihrem ersten Fall wird das Team Boll/Willenbacher in einen kleinen fiktiven Ort in der Pfalz geschickt, wo in einem Steinbruch eine weibliche Leiche gefunden wurde. Identifiziert wird die Leiche als Aurelie Loor, eine im örtlichen Naturschutz engagierte Biologielehrerin, die durch Börsengeschäfte zu einem beträchtlichen Vermögen gekommen ist. Die Frage ist nur, ob es sich bei dem Sturz, bei dem die Frau ums Leben kam, um einen Unglücksfall handelt oder ob Fremdeinwirkung im Spiel war.

Dieses Mal hat Monika Geier ihren Plot nicht ganz so fein gesponnen. Er ist wesentlich einfacher und geradliniger aufgebaut. Man vermisst ein wenig die Verwicklungen und die Querverbindungen aus Vergangenheit und Gegenwart. Im Grunde hat die Autorin hier ihre Story einzig um drei - zugegebenermaßen allesamt etwas verschrobene - Personen entwickelt.

Das ist zum einen Livia Giallo, die zusammen mit ihrem kranken Kind mietfrei bei Aurelie im Haus wohnt, dieser aber anscheinend trotz allem nicht sehr freundschaftlich zugetan war. Livia wirkt ständig gestresst und nervös und hinterlässt beim Leser durch ihre wenig freundliche Art keinen allzu sympathischen Eindruck, und das Verhältnis zwischen Livia und Aurelie gibt Rätsel auf.

Zum anderen sind da noch die beiden Personen, die die Leiche zufällig entdeckt haben, wobei sich erst später herausstellt, dass deren Beziehung zu der Toten doch enger war als diese es zunächst zugeben wollen: Wolfgang Antoni und Katrina Klein. Wolfgang ist ein unattraktiver Biologe mittleren Alters, der in einer alten Scheune wohnt und zu Aggressionen neigt. Daß er ein Verhältnis mit Aurelie hatte, verschweigt er zunächst. Die junge Katrina arbeitet als Auszubildende bei der gleichen Behörde wie Wolfgang und stammt aus dem Slum ihres Dorfes, einer Containersiedlung. Sie war Aurelie freundschaftlich verbunden, weil diese ihr half und sie förderte.

Die restlichen Charaktere sind mehr oder weniger schmückendes Beiwerk. Das heißt nicht, dass sie in ihrer Darstellung vernachlässigt wurden. Ganz im Gegenteil: sie sind sehr lebendig und geben der ganzen Geschichte einen gewissen Reiz, doch merkt man eben schnell, dass sie nur Randfiguren sind. Und wie immer in Regio-Krimis darf auch der Dialekt sprechende Quoten-Einheimische nicht fehlen.

Obwohl Bettina Boll die Sympathieträgerin des Buches ist, schlägt doch ihr persönlicher Stress auf den Leser über. Bettina macht sich Sorgen um ihre schwerkranke Schwester, die mitsamt ihren Kindern und Bettinas Auto und Kreditkarte spontan nach Italien aufgebrochen ist. So wächst ihr zuweilen die Arbeit über den Kopf, was der Handlung eine weitere menschliche Note verleiht.

Die Autorin formuliert ihre Texte ausgezeichnet. Wie gut diese schließlich in der Endfassung werden, das demonstriert ein amüsanter Anhang, in dem Diskussionen zwischen Autorin und Lektorin über einzelne nicht ganz eindeutige Textstellen wiedergegeben werden. Der aufmerksame Leser wird die besprochenen Stellen im Text wiederfinden. So ist erneut eine humorvolle Story entstanden, die hauptsächlich von der Schilderung des alltäglichen Lebens in der Idylle der Pfalz und den manchmal leicht skurrilen Charakteren lebt. Die Ansiedlung der Handlung im Milieu von Asozialen, Alkoholikern und Prostituierten bilden einen strengen Kontrast zum Vorgängerroman, der vorwiegend in gutsituierten Kreisen spielte.

Die Schilderung der Handlung aus wechselnden Perspektiven in meist kurzen Abschnitten sorgt für ein abwechslungsreiches und nie langweilig werdendes Lesevergnügen, bei dem der Leser meist einen kleinen Wissensvorsprung gegenüber den Ermittlern hat.

Natürlich ist es schwierig, nach einem hervorragenden Debüt die Erwartungen zu erfüllen und sich nochmals zu steigern oder zumindest die Qualität beizubehalten. Leider konnte Monika Geier diesen Anspruch nicht erfüllen. "Neapel sehen" ist ein ordentlicher Krimi mit viel Atmosphäre, der jedoch etwas zu einfach gestrickt ist und zu wenig Überraschungen bietet, um den Leser mitzureißen.

Doch muß man der jungen Autorin zugute halten, nach ihrem Erfolg nicht versucht zu haben, eine Kopie vorzulegen, sondern zwar ihrem Stil treu zu bleiben, aber in Story, Personen und Milieu bewusst große Kontraste zu schaffen. So erwarte ich bereits mit Neugier Geiers dritten Roman.

Neapel sehen

Monika Geier, Argument

Neapel sehen

Deine Meinung zu »Neapel sehen«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Dr. Drewnioks
mörderische Schattenseiten

Krimi-Couch Redakteur Dr. Michael Drewniok öffnet sein privates Bücherarchiv, das mittlerweile 11.000 Bände umfasst. Kommen Sie mit auf eine spannende und amüsante kleine Zeitreise, die mit viel nostalgischem Charme, skurrilen und amüsanten Anekdoten aufwartet. Willkommen bei „Dr. Drewnioks mörderische Schattenseiten“.

mehr erfahren