Shaft und das Drogenkartell

  • Ullstein
  • Erschienen: Januar 1972
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  • New York: Macmillan, 1970, Titel: 'Shaft', Originalsprache
  • Frankfurt am Main: Ullstein, 1972, Titel: 'Shaft', Seiten: 140, Übersetzt: Ute Tanner
  • Bielefeld: Pendragon, 2002, Titel: 'Shaft und das Drogenkartell', Seiten: 213, Übersetzt: Emanuel Bergmann
  • Köln: Random House Audio, 2004, Seiten: 1, Bemerkung: Hörspiel
  • London: Joseph, 1971, Originalsprache
Shaft und das Drogenkartell
Shaft und das Drogenkartell
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Wolfgang Weninger
45°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2003

Er kennt kein Pardon!

Wer nicht reden will, fliegt! Und das ohne jede Sicherung! Aus dem Bürofenster im zwanzigsten Stockwerk des Hochhauses am Time Square.

Sorry, John Shaft hat vorher vergessen, das Fenster zu öffnen, aber den Kerl, den sie jetzt scheibchenweise vom Trottoir schrubben, dürfte das eher nicht mehr beunruhigen. Doch sein Kumpan, der gerade in den Lauf einer 45er blickt, verrät den Namen des Auftraggebers, der die Ganoven geschickt hat: Knocks Persons.

Knocks Persons ist eine harte Nuss! Der heimliche Beherrscher Harlems, der König der schwarzen Unterwelt, der mitleidlose Riese, den Freund und Feind gleichermaßen fürchten, will ihn sprechen. Aber er kennt Shaft noch nicht. Der schwarze Detektiv ist härter, wütender und skrupelloser als jeder Verbrecher. Und er will wissen, was gespielt wird, koste es, was es wolle. Und Knocks spricht. Erzählt aus seinem Leben, erzählt von seiner Tochter und ihrem Abstieg in die Hölle zu Alkohol, Drogen und Prostitution, nur um es ihrem Vater zu zeigen. Doch jetzt ist sie weg, verschwunden, gekidnappt. Und John Shaft soll sie suchen, denn auch Persons weiß, Shaft ist der Beste.

Shaft, der Modellschwarze im grauen Wollanzug mit den sündteuren Oxfordschuhen, arrangiert sich. Mit Verbrechern, Polizisten und schwarzen Rassisten, mit Mafiosi, Barkeepern und Frauen. Natürlich mit Frauen! Welches weibliche Wesen könnte dem gutaussehenden Zwei-Meter-Lackel mit den erotischen Narben am Körper und dem coolen Spruch widerstehen?

John Shaft hat es aus eigener Kraft geschafft, von Harlem aus nach oben zu kommen, den Vietnamkrieg zu überleben und sich als Detektiv eine Existenz aufzubauen. Alles unter dem Motto: wer nicht für mich ist, ist gegen mich und kriegt was in die Fresse, oder die Eier, oder wo auch immer Shaft gerade in seinen Ermittlungen nach der verschwunden Beatrice hinlangt.

Shafts Metier ist nicht das große Nachdenken. Shaft geht seinen Weg, provoziert, schießt und prügelt sich und steckt auch selbst mehr als genug ein. Shaft ist ein gebranntes Kind, lauernd, wütend und durchtrainiert. Ein Sturschädel, der die einmal eingeschlagene Richtung ohne Rücksicht auf Verluste durchzieht. Und dabei pflastern gebrochene Nasen und eingeschlagene Schädel genauso seinen Weg, wie die Leichen seiner Gegner, die er nach erholsamen One-Night-Stands seinem indirekten Beschützer Lieutenant Anderozzi zur Beseitigung hinterlässt.

Shaft und das Drogenkartell von Ernest Tidyman ist der erste Krimi aus einer Shaft-Reihe, in der noch weitere fünf Fälle des "Black Investigators" folgen sollen.

Ernest Tidyman ist vor allem Filmfreunden kein Unbekannter. Der 1928 geborene Autor war vor allem für seine Drehbücher bekannt und für jenes von French Connection durfte er sich über einen Oscar freuen. Den übrigens auch Isaac Hayes für seine Filmmusik "Theme From Shaft" einheimste. "Shaft" kam zum ersten Mal 1971 in die Kinos und ihm folgten zwei weitere Filme und eine Serie, in der Richard Roundtree den mehr smarten als harten Detektiven mimte. Im Jahr 2000 durfte sich Samuel L. Jackson halbwegs erfolgreich an der Figur versuchen, aber auch er war mehr schwarzer Kleiderschrank als Actionheld.

Doch in den jetzt im Pendragon-Verlag erscheinenden Neuübersetzungen ist vom glatten und angepassten Black Mainstream dieser Verfilmungen nichts zu spüren. In der Neuübersetzung aus dem Amerikanischen von Emanuel Bergmann gibt es keine Kürzungen, Streichungen oder Glättungen. Shaft packt das Leben mit der pulsierenden Härte des schwarzen Emporkömmlings, der nur dort gelandet ist, weil er den Dreck aus den Ghettos genauso kennt, wie die angepasste Welt der Weißen. Und genau so beschreibt Tidyman seinen Helden. Shaft ist ein Wanderer zwischen den rassistischen Welten, in der für ihn nur eines zählt. Kohle machen und Mädels aufs Kreuz legen. Und dazwischen tobt er sich wort- und schlaggewaltig aus.

Obwohl Ernest Tidyman selbst kein Farbiger ist, versucht er doch beständig die Tonart des schwarzen Mannes aus Shafts Sprache klingen zu lassen, so dass ständig ein rauher und anklagender Ton wider die weiße und korrupte Obrigkeit im herrscht. Dieser zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman, der mehr Action-Reißer als Krimi ist. Nach der Überschwemmung des Buchmarktes mit psychologisch angehauchten Krimis aus Skandinavien ist es durchaus erfrischend, eine andere Art Detektivroman zu lesen, in der nicht jammerndes Kombinieren angesagt ist, sondern knackige Hau-drauf-und-frag-später-Mentalität.

Auch wenn dem Roman gelegentlich ein Schuss Logik fehlt, weil der Autor nicht verrät, was in Shafts Gehirn gerade vor sich geht, kann man dem Geschehen recht locker folgen, weil die Handlung nicht übertrieben kompliziert ist. Die Sprache von Ernest Tidyman ist in jedem Fall so flüssig geraten, dass man mit der angebotenen Spannung das Buch problemlos und gerne in einem Zug ausliest. Alles in allem bietet der Pendragon-Verlag mit diesem Buch eine solide Abendlektüre, ohne viel Kopfzerbrechen, dafür aber mit einem guten Schuss Action-Kino im Kopf.

Shaft und das Drogenkartell

Ernest Tidyman, Ullstein

Shaft und das Drogenkartell

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