Die rote Jägerin

  • Goldmann
  • Erschienen: Juli 2021
  • 6

- OT: Reina Roja

- aus dem Spanischen von Sybille Martin

- Broschur, 608 Seiten

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Thomas Gisbertz
92°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2021

Einer der spektakulärsten Thriller des Jahres

Ein skrupelloser Täter hat es auf die Reichsten und Mächtigsten Spaniens abgesehen. Der Unbekannte, der sich nur Ezechiel nennt, entführt die Kinder seiner Opfer, um diese büßen zu lassen. Dabei geht es ihm keineswegs um ein Lösegeld. Das, was er verlangt, trifft die Opfer weitaus stärker. Ezechiel hinterlässt keinerlei Spuren und verfolgt gnadenlos seine Mission. Es scheint nur eine Person zu geben, die ihn stoppen kann: Antonia Scott. Sie ist eine mehr als ungewöhnliche Ermittlerin, denn sie ist keine Polizistin und trägt keine Waffe. Dennoch hat sie zahlreiche Verbrechen aufgeklärt. Ihre Stärke ist ihr Verstand, sie ist die vielleicht intelligenteste Frau der Welt und speziell für solche Fälle ausgebildet. Seit einem tragischen Vorfall weigert sie sich jedoch, ihre Wohnung in Madrid zu verlassen. Aber genau dazu muss sie der beurlaubte Inspector Jon Gutiérrez bewegen, wenn er weiter im Polizeidienst tätig sein will.

Ungewöhnliches Ermittlerpaar

Aus Mitleid mit einer Prostituierten versuchte Inspector Gutiérrez einem gewalttätigen Zuhälter Drogen unterzujubeln. Leider wurde er dabei erwischt. Die Folge: Er wird suspendiert und seine polizeiliche Karriere scheint so gut wie beendet. Doch plötzlich taucht ein unbekannter Mann namens Mentor in der Polizeistation auf und macht ihm ein Angebot. Wenn es ihm gelingt, Antonia Scott dazu zu bringen, dass Haus zu verlassen und sich einen ganz speziellen Tatort anzusehen, werden alle Anklagepunkte gegen ihn fallengelassen.

Ein perfider Mörder treibt nämlich sein Unwesen und die Öffentlichkeit darf davon nichts erfahren. Statt gewöhnlicher Ermittler verfügt der mysteriöse Mentor über ein Team von Fachkräften, die abseits der normalen Bahnen agieren. An deren Spitze steht mit Antonia Scott die „rote Königin“, die über besondere Fähigkeiten verfügt. Zusammen mit Gutiérrez, der sie schützen und beraten soll, macht sich Scott letztendlich auf die Suche nach dem Killer.

Packender Start

Es ist schon erstaunlich, dass einer der erfolgreichsten lebenden Autoren Spaniens in Deutschland bislang so gut wie unbekannt ist. Der 43-jährige gebürtige Madrilene Juan Gómez-Jurado arbeitet als Kolumnist für diverse Zeitungen und ist für das spanische Radio sowie Fernsehen tätig. Großes Aufsehen erregte der Autor 2006 mit seinem Debüt Espía de Dios (dt: Der Gottesspion, Rowohlt Verlag), einem packenden Thriller um einen Serienmörder und pädophilen Priester im Vatikan. Die Bücher des Spaniers wurden mittlerweile in 42 Sprachen übersetzt. In Deutschland erschien 2015 bei dtv der düstere Psychothriller Zerrissen. Der Goldmann-Verlag veröffentlicht nun mit Die rote Jägerin den fulminanten Start der Thriller-Reihe um Antonia Scott und Inspector Jon Gutíerrez. In Spanien sind mit Loba negra (2019) und Rey Blanco (2020) bereits zwei Folgebände erschienen.

Bemerkenswerte Heldin

Antonia Scott ist alles - nur nicht gewöhnlich. Sie ist Mitte 30, lebt in einer leergeräumten Mansardenwohnung, hat kaum persönliche Beziehungen und besitzt eine ausgeprägte Querdenkermentalität. Sie erinnert in ihrer speziellen Art etwas an Harry Binghams Figur der Fiona Griffith oder auch an Sandrone Dazieris Ermittler Dante Torre. Seit ihr Mann Marcos nach einem Anschlag schwer verletzt im Koma liegt, hat sie sich noch mehr zurückgezogen. Die einzige Vertraute ist ihre Großmutter Georgina, die in England lebt und mit der Antonia regelmäßig skypt. Täglich „gönnt“ sie sich ihre drei Minuten, um über Selbstmord nachzudenken.

Sie ist Teil eines besonderen Programms. In jedem Land der Europäischen Union gibt es seit einiger Zeit eine Spezialeinheit mit ganz besonderen Zielsetzungen, die vor der Öffentlichkeit geheim gehalten werden müssen. Die Einheiten besitzen keine Hierarchien und arbeiten im Hintergrund. Allen gemeinsam ist ein Verbindungsmann namens Mentor, der die Leitung übernimmt.

Die zweite Hauptfigur wirkt dagegen wohltuend normal. Inspector Jon Gutíerrez ist ein stämmiger Baske aus Bilbao, der mit 43 Jahren noch bei seiner Mutter lebt. Er ist homosexuell, legt viel Wert auf sein Äußeres und hat das Herz am rechten Fleck. Gutíerrez ist das, was man einen guten Polizisten nennt. Ihm kommt beim Einsatz mit Antonia die Beschützerrolle zu. Dennoch bringt er sich mit seiner Erfahrung aus dem Polizeidienst immer wieder gewinnbringend ein. Seine Geduld mit der speziellen Art seiner Partnerin wird des Öfteren auf die Probe gestellt. Insgesamt ergänzen sich beide aber bestens, auch wenn es etwas dauert, bis sie sich aneinander gewöhnt haben.

Gelungener Erzählstil

Der Roman umfasst gut 600 Seiten. Dass man ihn dennoch nicht aus der Hand legen mag, liegt am fesselnden Erzählstil des Autors. Kurze Kapitel, ständiger Wechsel der Erzählperspektive, überraschende Wendungen und eine clevere Verknüpfung der Handlungsstränge tragen dazu bei, dass der Roman ein rasantes Erzähltempo vorlegt. Hinzu kommt ein feiner Humor, der immer wieder durchscheint. Temporeiche Verfolgungsjagden und falsche Fährten sorgen für genügend Spannung. Natürlich ist die Polizeiarbeit ab und an etwas zweifelhaft bzw. realitätsfern, dafür wird man aber mit einer mehr als packenden Geschichte sehr gut unterhalten. Bestes Popcornkino in Buchformat.

Fazit:

Juan Gómez-Jurado gelingt ein wirklich spektakulärer Einstieg in die Reihe um die geniale Antonia Scott und den cleveren Inspector Jon Gutíerrez. Eine temporeiche Geschichte um Recht und Gerechtigkeit, die den Leser ab der ersten Seite in ihren Bann zieht und mit einem starkem Ermittlerteam zu begeistern weiß. Einer der besten Thriller des Jahres. Nach Santiago Díaz Talión - Die Gerechte beweist auch Juan Gómez-Jurado die derzeitige Extra-Klasse spanischer Thriller Autoren.Ein Roman, der nur wenig Zeit zum Luftholen lässt.

Die rote Jägerin

Juan Gómez-Jurado, Goldmann

Die rote Jägerin

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