Der Tod sitzt mit im Boot

  • Penhaligon
  • Erschienen: Januar 2018
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  • New York: Delacorte Press, 2017, Titel: 'The Grave’s a Fine and Private Place', Originalsprache
  • München: Penhaligon, 2018, Seiten: 352, Übersetzt: Gerald Jung und Katharina Orgaß
Der Tod sitzt mit im Boot
Der Tod sitzt mit im Boot
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Lisa Reim
90°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2018

Den Tod an der Angel

Als Flavia mit ihren Schwestern und Dogger einen Bootsausflug auf der Themse unternimmt, erlebt die Gruppe eine böse Überraschung: Flavia fischt aus Versehen die Leiche des jungen und begabten Amateur-Schauspielers Orlando Whitbread aus den Fluten. Schnell wird klar, dass die Bewohner des kleinen Dorfes St. Mildred etwas mit dessen Tod zu tun haben, zumal Orlandos Vater, einst Pfarrer der kleinen Gemeinde, vor zwei Jahren drei alte Damen mit blausäureversetztem Messwein vergiftete. Und da Gifte bekanntlich Flavias Spezialitäten sind, stürzt sie sich mit Eifer in die Ermittlungen. Nach mehreren Befragungen, improvisierten chemischen Untersuchungen und einiger Gehirnakrobatik erkennt sie, was damals vor zwei Jahren wirklich passierte...

Trotz der Familientragödie, die auf den letzten Seiten des vorherigen Buches den Leser im Schockzustand zurückließ, verliert Flavia nicht ihren Biss. Gewohnt schwarzhumorig und mit viel Schlagfertigkeit widmet sie sich ihrem neunten Abenteuer, auf der Suche nach einem Mörder in dem kleinen beschaulichen Örtchen St. Mildred (auf das schöne Buckshaw und Bishop's Lacey muss man leider verzichten).

Fans von Cosy-Krimis kommen dabei voll auf ihre Kosten, wird die englische Landidylle mit ihren teils schrulligen Bewohnern doch gekonnt in Szene gesetzt, was für einige amüsante Begegnungen und Situationen sorgt. Flavias Einfallsreichtum, was die sprachliche Ausgestaltung ihrer Geschichte angeht, tut dabei sein Übriges. Da wird die Aufklärung des Falles beinahe zur Nebensächlichkeit.

Abgebrühte Ermittlerin, auf die man sich verlassen kann

Die 12-Jährige weiß auch bei diesem Fall wieder ganz genau, wie sie die Menschen in ihrer Umgebung für ihre Zwecke manipulieren kann und so an Informationen kommt, von denen die parallel ermittelnde Polizei nur träumen kann. Dabei beweist Flavia ihr Können durch ihre ganz eigene Ermittler-Strategie, unterstützt durch Gärtner, Hausmeister und Mädchen für alles Dogger.

Das Buch lebt wie gewohnt von seiner einzigartigen Protagonistin, die clever und selbstbewusst die Welt der Erwachsenen aufmischt. Die teilweise naiv-kindlichen Züge und ihr manchmal doch sehr weicher Kern, machen Flavias Charakter zu einer unwiderstehlichen Mischung. Langeweile kann da kaum auftreten, trotz vieler chemischer Exkursionen, die dem Leser jedoch so charmant nähergebracht werden, dass man die Lektüre mit ein, zwei neuen Erkenntnissen zu Blausäure, Strychnin oder anderen Giften abschließen kann. Unterhaltung ist garantiert, auch wenn der Fall an sich und dessen Lösung nicht unbedingt durch Raffinesse besticht und manche Schlussfolgerung doch ein wenig weit hergeholt erscheint.

Fabelhafte Reihe - nicht ganz ohne Störfaktoren

Inhaltlich zusammengehalten werden die Bände um Flavia de Luce durch eine Rahmenhandlung, die sich vor allem mit den familiären Verhältnissen und Problemen der de Luces beschäftigt. Jedoch scheint die mysteriöse Geschichte um Flavias Mutter Harriet, die einst im Himalaya verschwand, und die über sieben Bücher hinweg aufgebaut wurde, nicht weiterverfolgt zu werden.

Tatsächlich findet sich im aktuellen Buch nur ein einziger Satz, der das Geschehen aufgreift, wodurch das Ganze immer mehr im Sande verläuft. Man kann nur hoffen, dass in den folgenden Bänden Flavias Schicksal, das unweigerlich mit dem Harriets verknüpft ist, wieder stärker in den Vordergrund rückt.

Was bereits beim letzten Band störend auffiel, ist die plötzliche Änderung des Cover-Stils. Eine Unart, die leider bei einigen umfangreichen Reihentiteln immer wieder um sich greift und für ein unharmonisches Zusammenspiel der Bände im Bücherregal sorgt. Eine höchst unerfreuliche Entwicklung für jeden Buchsammler.

Fazit

Flavia ist und bleibt eine außergewöhnliche Figur, die in der (Krimi-)Literatur ihres Gleichen sucht. Auch der neue Fall ist für Fans ein absolutes Muss. Und wer sich mit der jungen Hobby-Chemikerin noch nicht in die menschlichen Abgründe des dörflichen Englands begeben hat, sollte dies ganz schnell nachholen.

Der Tod sitzt mit im Boot

Alan Bradley, Penhaligon

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