Tödlicher Frühling

  • Atlantik
  • Erschienen: Januar 2016
  • 2
  • Hamburg: Atlantik, 2016, Seiten: 384, Übersetzt: Kristian Lutze, Sepp Leeb
  • London: Quercus Editions Ltd., 2015, Titel: 'A Spring Betrayal', Originalsprache
Tödlicher Frühling
Tödlicher Frühling
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Jörg Kijanski
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonFeb 2016

Treibender Hard-Boiled-Thriller

Nach seinem letzten Fall wird Inspektor Akyl Borubaew von der Mordkommission in Bischkek (Kirgisistan) nach Karakol strafversetzt, einer Stadt nahe dem Yssykköl-See. Als auf einem Feld gleich sieben Kinderleichen entdeckt werden, stürzt er sich in die Ermittlungen, die ihn in seine eigene Vergangenheit zurückführen. Alle Kinder trugen blaue Armbändchen, die sie als Insassen eines Waisenhauses ausweisen. Da Borubaew selbst zwei Jahre in einem Waisenhaus verbrachte, setzt er dort seine Ermittlungen an. Schon bald erkennt Borubaew das Ausmaß des aktuellen Falles, der seine schlimmsten Befürchtungen übertrifft. Ein Kinderhändlerring treibt sein Unwesen, doch offenbar wurden die Kinder nicht nur ermordet, sondern zuvor in Snuff-Filmen in jeglicher Form brutal misshandelt. Da ein Schmuggler entsprechender Filme in Taschkent verhaftet werden kann, schaltet sich der usbekische Geheimdienst in die Ermittlungen ein und so gibt es ein Wiedersehen mit Saltanat Umarowa. Gemeinsam machen sie sich auf die Jagd, doch Borubaew muss untertauchen, da man ihn selber verdächtigt, ein Mörder zu sein und Geschäfte mit Kinderpornographie zu betreiben. Mächtige Gegner gilt es fortan zu bekämpfen, doch auf wen kann sich verlassen? Und vor allem, welche Rolle spielt Michail Tynalijew, der einflussreiche Minister für Staatssicherheit?

Harte, schonungslose Krimikost.

Mit Blutiger Winter startete Tom Callaghan seine hard-boiled-Reihe um den eigenwilligen Ermittler Akyl Borubaew, welcher in dem für Krimifans unbekannten Bischkek, der kirgisischen Hauptstadt, ermittelt. Sein erster Fall endet mit einer Strafversetzung und so schiebt Borubaew nun seinen Dienst im weit entfernten Karakol.

 

"Karakol fühlt sich an, als würde sich die stadt an den Rand der Welt klammern, mit Bergen zu drei Seiten, die alles andere in Schach halten. Im Winter ist die Hauptstraße, die durch das Gebiet Yssykköl zurück nach Bischkek führt, nach Stürmen manchmal blockiert, doch isoliert ist der Ort das ganze Jahr über. Die Leute sind argwöhnisch gegenüber Fremden, etliche Passanten bedachten mich mit grimmigen Blicken, als ich vorüberging. Niemand mag Bullen, aber in Karakol ist aus dieser Abneigung eine Kunst für sich geworden."

 

Wie der Titel Tödlicher Frühling erkennen lässt, sind inzwischen einige Monate vergangen, ansonsten scheint jedoch alles beim alten zu sein. So gibt es nicht nur ein Wiedersehen mit Saltanat, die er im ersten Fall kennen (und lieben) lernte, sondern auch mit Gerichtsmediziner Kenesch Jussupow, der eigens mit einem Hubschrauber nach Karakol anreist. Schon hier läuten sämtliche Alarmglocken, denn offenbar muss eine einflussreiche Person an den Ermittlungen interessiert sein. Kein Wunder also, dass wenig später einer der mächtigsten Männer des Landes, Michail Tynalijew, die Bühne betritt. Bei ihm hat Borubaew noch einen Gefallen gut, denn er lieferte dem Minister für Staatssicherheit im letzten Winter den Mörder seiner Tochter.

 

"Es ist eine Bischkeker Nummer, und wir haben eine Adresse dazu ermittelt."
"Auch einen Namen?"
"Noch nicht. Deswegen müssen wir zurück in die Stadt, die Örtlichkeiten auskundschaften. Wenn wir den zugehörigen Namen in Erfahrung gebracht haben, kannst du anfangen, Türen einzutreten."

 

War Blutiger Winter schon nichts für zartbesaitete Leser, so erhöht Tom Callaghan den Faktor Brutalität noch mal ordentlich. Nicht genug, dass die Kinder sexuell misshandelt und dabei gefilmt werden, sie werden zudem zu Tode gefoltert und da sie aus Waisenhäusern stammen nicht vermisst. Warum Eltern ihre Kinder an fremde Menschen abgeben, zeigt der Autor eindrucksvoll auf. Bittere Armut und die Hoffnung auf ein besseres Leben (gerade für die Kinder) machen vieles möglich. Borubaew sinnt auf Rache, zumal er nach dem Tod seiner geliebten Tschinara ohnehin von Verzweiflung und Selbstvorwürfen geprägt ist. Warum starb seine Frau und nicht er? Dass er sich zunehmend zu Saltanat hingezogen fühlt, scheint ihm nur bedingt zu helfen. Die Erinnerungen sitzen nach wie vor tief und so sieht sich Saltanat in Konkurrenz zu einer Verstorbenen.

 

"Alles im Leben dreht sich um Vertrauen. Das zu begreifen ist einfach. Schwierig ist nur herauszufinden, wem man trauen kann. Und wann."

 

Wer gute Nerven hat, liest hier erneut einen packenden Thriller von Tom Callghan mit interessanten Charakteren, tiefen Einblicken in ein unbekanntes und landschaftlich reizvolles Land in Zentralasien (Kirgisistan) sowie reichlich Action. Tödlicher Frühling ist eine grandiose Fortsetzung von Blutiger Winter und so darf man sich auf den dritten Teil (wenn es denn einen geben wird) freuen. Der Titel könnte "Mörderischer Sommer" lauten, aber vielleicht reicht die Fantasie ja auch für mehr.

Tödlicher Frühling

Tom Callaghan, Atlantik

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