Blutiger Winter

  • Hoffmann und Campe
  • Erschienen: Januar 2015
  • 10
  • Hamburg: Hoffmann und Campe, 2015, Seiten: 1, Übersetzt: Gordon Piedesack, Bemerkung: ungekürzte Lesung
Blutiger Winter
Blutiger Winter
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Jörg Kijanski
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonFeb 2015

Hard-Boiled in Kirgisistan – Starkes Debüt!

Eine junge Frau wird in Bischkek mit aufgeschlitztem Unterleib gefunden. In ihrer freigelegten Gebärmutter entdeckt Inspektor Akyl Borubaew den Fötus eines Jungen, doch die Obduktion ergibt, dass die Frau nie schwanger war. In einem kleinen uigurischen Dorf an der chinesischen Grenze verschwand hingegen vor Kurzem eine schwangere Frau. Kann es einen Zusammenhang zwischen dem armen Dorfmädchen und der toten Frau aus der kirgisischen Hauptstadt geben? Als die Identität der Ermordeten feststeht erkennt Borubaew sofort, dass er vor einem großen Problem steht, denn es handelt sich um die einzige Tochter des Ministers für Staatssicherheit. Dieser fordert von Borubaew den Mörder und zwar lebend; ebenso wie der Chef der uigurischen Mafia.

 

"Sind wir auf dem Weg zu ihm?"
"Genau."
"Ein Anruf wäre vielleicht einfacher gewesen?"
"Einen Schmuggler dazu bringen, per Handy mit der Schmiere zu reden? Während die Staatssicherheit und die chinesische Grenzpolizei jedes Gespräch ortet? Klar. Er könnte sich bestimmt nichts Schöneres vorstellen, als fünfzehn Jahre im Bischkeker Gefängnis Nr. 1 zu sitzen und sich bei den Lebenslänglichen mit Tuberkulose anzustecken! Oder sich eine Kugel im Kopf einzufangen, je nachdem, auf welcher Seite der Grenze sie ihn erwischen."

 

Dann lernt Borubaew bei seinen Ermittlungen die geheimnisvolle Saltanat kennen, die für den usbekischen Geheimdienst arbeitet. Usbeken und Kirgisen mögen sich nicht besonders und so entsteht der Verdacht, dass die grausamen Morde (es kommen schnell weitere hinzu) womöglich politisch motiviert sind, um Unruhe zwischen den beiden Nachbarländern zu schüren. Borubaew gerät in ein finsteres und undurchschaubares Gestrüpp aus Intrigen, Machtkämpfen und enormer Brutalität. Aber wem kann er in dieser Sache wirklich vertrauen?

Knallharte Action mit vielschichtigem Protagonisten.

Tom Callaghan führt uns bei seinem Debüt und dem Start einer geplanten Serie um Inspektor Akyl Borubaew in die kirgisische Hauptstadt Bischkek, die bislang in der Krimiliteratur eher unbekannt war.

 

"Ein typischer Uniformierter, überdimensionierte grüne Paradeschirmmütze und darunter kein Hirn. Ich beobachtete, wie er sich an der Glut seiner Kippe eine neue Classic anzündete, und überlegte, ob ich ihm wegen Verunreinigung des Tatorts den Arsch aufreißen sollte. Aber dies ist Kirgisistan. Das forensische Labor der Polizei des Bezirks Sverdlowsk besteht aus einem Schrank mit einer Sammlung gesprungener Reagenzgläser, ein paar medizinischen Lehrbüchern aus der Zeit vor der Unabhängigkeit und einem Karton Lackmuspapier mit abgelaufenem Verfallsdatum."

 

Nur für wenige Stunden kommt täglich die Sonne durch, ansonsten ist es bei minus zwanzig Grad bitter kalt uns so verwundert es nicht, dass nahezu alle Menschen permanent zum Wodka greifen oder billige Zigaretten rauchen. Nur Borubaew ist abstinent, denn seit dem Krebstod seiner geliebten Frau Tschinara hat er mit dem Trinken aufgehört. Er trauert sehr über den Verlust, doch die Ermittlung an den brutalen Morden sorgt für kurzzeitige Ablenkung. Wenn er nur wüsste, wer auf welcher Seite steht, denn allzu oft dringen Neuigkeiten derart schnell in die Öffentlichkeit, dass sie nur von der Polizei selber stammen können. In dem armen Land, in dem Bestechung alltäglich ist, greifen nicht nur die Politiker den Bürgern in die (leeren) Taschen, sondern auch die meisten Polizisten. Borubaew hingegen ist nicht nur der beste Ermittler der Mordkommission, er ist auch der einzige, der sich nicht mit einem "Frühstücksgeld" bestechen lässt.

 

"Sie kratzen ihn immer noch von allen möglichen Reifen zwischen hier und Taschkent. Er muss wirklich sehr entschlossen gewesen sein, sich umzubringen. Oder kennst du viele Menschen, die einen zwei Meter hohen Zaun hochklettern können, obwohl man ihnen die Hände mit Handschellen hinter dem Rücken gefesselt hat?"

 

Die Ermittlungen führen Borubaew in den Untergrund der Stadt, denn zu den größten und vor allem rar gesäten Einnahmequellen des Landes zählen Drogenhandel und Prostitution. So trifft der Inspektor auf den Bodensatz der Gesellschaft, gerät mit der "Bruderschaft" aneinander und muss mehr als einmal um sein Leben fürchten. Es geht brutal mit aller Gewalt zu, körperlich wie sprachlich.

 

"Kein Gericht wird mich verurteilen."
"Glauben Sie wirklich, es wird zu einem Prozess kommen?"

 

Blutiger Winter ist nichts für zartbesaitete Leser, sondern für Leute denen die permanente Verwendung obszöner Begriffe nichts ausmacht, weil es im Drogen- und Rotlichtmilieu nun einmal so zugeht. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, entdeckt eines der großen Debüts des noch recht jungen Krimijahres und den Auftakt einer vielversprechenden Serie.

Blutiger Winter

Tom Callaghan, Hoffmann und Campe

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