Wolfsbeute

  • Droemer
  • Erschienen: Januar 2016
  • 2
  • Paris: XO, 2014, Titel: 'N'éteins pas la lumière', Originalsprache
  • München: Droemer, 2016, Seiten: 656, Übersetzt: Antoinette Gittinger
Wolfsbeute
Wolfsbeute
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Jürgen Priester
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2016

Mobbing und Stalking

Heimlich, still und leise, so der Eindruck des Rezensenten, ist der dritte Roman aus Bernard Miniers Commandant-Servaz-Reihe im Sommer diesen Jahres im Droemer-Verlag erschienen. Der französische Erfolgsautor hat leider in Deutschland nicht die Reputation, die er in seinem Heimatland genießt. Das ist schade, denn mit Wolfsbeute beweist Minier einmal mehr nach Schwarzer Schmetterling und Kindertotenlied, dass er intelligente, vielschichtige Kriminalromane schreiben kann, und damit zur Crème der europäischen Krimi-Autoren zu zählen ist. Wolfsbeute ist ein gelungener, spannender Krimi, Thriller, Psycho-Thriller mit einem dichten Geflecht aus Verdächtigungen, Verdächtigen, falschen Spuren, überraschenden Wendungen und sehr viel Suspense.

Heimlich, still und leise - so könnte man die unaufgeregte Herangehensweise bezeichnen, mit der Commandant Martin Servaz von der Mordkommission Toulouse seine Fälle angeht und löst. Der melancholische Ermittler mit der Vorliebe zum Werk Gustav Mahlers und zu alt-lateinischen Klassikern steht erneut vor einem kniffligen Fall, in dem es um den Selbstmord einer Künstlerin geht. Aber auch die Schatten seiner jüngsten Vergangenheit lasten noch schwer auf ihm und bereiten ihm Albträume. Sein Erzfeind Hirtmann hatte ihm ein Päckchen mit grausigem Inhalt geschickt.

Heimlich, still und leise schleicht sich das Grauen in das Leben von Christine Steinmeyer.

Christine Steinmeyer ist die Starmoderatorin eines privaten Radiosenders im Großraum Toulouse. Ihre allmorgendliche Talksendung, obwohl schon in die Jahre gekommen, erfreut sich großer Beliebtheit. Christine ist mit ihrem Leben rundum zufrieden. Die Arbeit macht ihr Spaß, finanziell geht es ihr bestens. Sie besitzt eine schicke Eigentumswohnung im Zentrum von Toulouse, liiert ist sie mit Gérard, dem Institutsleiter eines Raumfahrtunternehmens, das Wort Hochzeit ist schon gefallen.

Eines Abends auf dem Weg zum Weihnachtsessen bei ihren zukünftigen Schwiegereltern findet Christine in ihrem Briefkasten einen anonymen Brief, in dem eine unbekannte Person von ihrem bevorstehenden Selbstmord schreibt. Christine ist sichtlich verstört, doch Gérard kann sie vorerst beruhigen. Als sie aber am nächsten Tag während ihrer Sendung von einem unbekannten Anrufer auf den Brief angesprochen wird, beschließt sie, die Polizei einzuschalten. Dort entgegnet man ihr mit gebotener Skepsis und richtig, in den nächsten Tagen wird kein Selbstmord im Raum Toulouse festgestellt. Christine hätte wohl die ganze Angelegenheit vergessen, wäre es nicht in ihrem privaten und beruflichen Umfeld zu beunruhigenden Vorkommnissen gekommen. Gefälschte E-mails tauchen auf, vergiften das Betriebsklima im Sender. Christine fühlt sich ständig beobachtet und in ihrer Abwesenheit hat jemand ihre Wohnung betreten. Sie begreift, dass jemand ein ganz böses Spiel mit ihr treibt.

Während Christine Steinmeyer so langsam die Nerven verliert und einem Abgrund zurast, erwacht Commandant Martin Servaz aus seiner Lethargie und spürt neuen Tatendrang. Die Ereignisse der letzten Zeit (siehe Kindertotenlied) hatten bei dem ehe schon zu Depressionen neigenden Kommissar zu einem Burn-Out-Syndrom geführt und befindet sich noch zur Kur in einem Sanatorium für angeschlagene Polizeikräfte. Auch er bekommt anonyme Post, in der eine Schlüsselkarte eines Luxushotels in der Toulouser Innenstadt und eine Notiz mit Zimmernummer, Datum und Uhrzeit steckt. Servaz sucht Hotel und Zimmer auf. Das Zimmer wurde auf seinen Namen reserviert, am angekündigten Termin erscheint niemand. Von der Hotelleitung erfährt Servaz, dass in besagtem Zimmer vor genau einem Jahr eine bekannte Künstlerin Selbstmord begangen hatte. Diesen Selbstmord nimmt Servaz als Ausgangspunkt für weitere Ermittlungen, bei denen er auf einen bekannten französischen Astronauten und Lebemann trifft.

Die meisten Kriminalromane beginnen mit einem Mord, dessen Aufklärung dann im Mittelpunkt steht. Autor Bernard Minier geht einen anderen Weg und eröffnet mit einem perfiden Spiel aus Mobbing und Stalking. Das ist allerfeinster Suspense ("in Unsicherheit schweben"), wie wir ihn aus den Romanen von Patricia Highsmith oder aus den Filmen von Alfred Hitchcock kennen. Die Fragen: Was passiert mit Christine Steinmeyer und warum? - hält den Leser kontinuierlich in gespannter Aufmerksamkeit. Wird sie den Komplott gegen sich überleben?

Wer die Reihe um Commandant Martin Servaz nicht verfolgt hat, wird sich über den Prolog von Wolfsbeute wundern und ihn auch nicht einordnen können, denn er bezieht sich auf vorangegangene Ereignisse, der Auseinandersetzung zwischen Servaz und Hirtmann. Der Prolog hat keine spezielle Bedeutung für den weiteren Verlauf der Handlung, beschreibt nur die Gemütsverfassung des Helden. Diese kleine Unebenheit mag man dem Autor gern verzeihen, denn der Qualität dieses komplexen Thrillers tut es keinen Abbruch.

Wolfsbeute

Bernard Minier, Droemer

Wolfsbeute

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