Im weißen Kreis

  • DuMont
  • Erschienen: Januar 2015
  • 7
  • Köln: DuMont, 2015, Seiten: 350, Originalsprache
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Jürgen Priester
88°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2015

Die Klukluxer unter uns

Im weißen Kreis, der sechste Roman der Louise-Boni-Reihe, erschien im Herbst letzten Jahres. Autor Oliver Bottini hatte sich für seine Krimi-Reihe eine Auszeit von fünf Jahren genommen und sich zwei Solo-Projekten (Der kalte Traum, 2012 - Ein paar Tage Licht, 2014) gewidmet. Eine Krimi-Serie über eine längere Zeit ruhen zu lassen, kann manchmal sinnvoll sein, birgt aber auch Risiken. Allgemein ist zu beobachten, dass die Qualität von Krimi-Reihen - bei wenigen Ausnahmen - mit zunehmender Folgenzahl abnehmen kann. Das liegt unter anderem daran, dass Autoren unter Druck stehen, mindestens einmal im Jahr für Nachschub zu sorgen, wie wir Leser, aber auch die Verlage es erwarten. Eine Pause bietet dem Autor die Chance, sich zu konsolidieren, fokussieren oder sich anders zu orientieren. Aber in der heutigen schnelllebigen Zeit besteht auch die Gefahr, die Aufmerksamkeit der Leserschaft zu verlieren, wenn neues Lesefutter zu lange ausbleibt.

Die Louise-Boni-Freunde mussten insoweit nicht darben, als dass es fürs Fernsehen fantastische Verfilmungen der Romane Mord imZeichen des Zen und Jäger in der Nacht mit der charismatischen Melika Foroutan in der Hauptrolle gab.

Für Hauptkommissarin Louise Boni von der Freiburger Kripo gab es keine Pause. Wir schreiben das Jahr 2006. Ganz Deutschland bereitet sich auf die Fußball-Weltmeisterschaft in eigenen Lande vor. Louise Boni macht einen stabilen Eindruck. Ihre Alkoholkrankheit hat sie weiterhin im Griff, obwohl sie den Tod eines eng befreundeten Kollegen und das wahrscheinliche Ende einer Liebesbeziehung verarbeiten muss. Während die Nation dem Großereignis entgegen fiebert, das im Nachhinein als "Das Sommermärchen" in die Geschichte eingehen wird, sieht sich die Kommissarin mit "Dunkel-Deutschland" konfrontiert.

Von einem Undercover-Agenten bekommt Louise den Hinweis, dass eine seiner Informantinnen einen Waffendeal beobachtet habe. Keine große Sache: Zwei Pistolen sowjetischer Bauart mit Schalldämpfer haben den Besitzer gewechselt. Die Zeugin kann den Käufer nur vage beschreiben, hat sich aber Modell, Farbe und Teile des Kennzeichens seines Autos merken können. Per Ausschlussverfahren in der Kfz-Datenbank kann der Halter zweifelsfrei ermittelt werden. Es handelt sich um den 84-jährigen Friedrich Krüger, der, wie man später feststellt, Mitglied der SS und Wachmann in Auschwitz gewesen war. Krüger hat aber ein wasserdichtes Alibi, nur sein Auto nicht. Über einen gewissen Ricky Janisch, Angehöriger der "Brigade Südwest", einer regionalen, rechtsradikalen Gruppierung, führt die Spur zu weiteren Personen mit Alt- oder Neo-Nazi-Hintergrund. Louise fürchtet einen fremdenfeindlichen Anschlag.

Bundesweit waren die Behörden zu besonderer Aufmerksamkeit vergattert worden, alles zu verhindern, was vor, während und nach der Fußball-WM das Image Deutschlands als gastfreundliches Land schaden könnte. Die Ermittler in Freiburg rätseln darüber, wer ein potenzielles Opfer eines Anschlags mit den illegalen Waffen werden könnte. Louise wird von einer Kollegin auf das Bild eines Schwarzafrikaners in einer Tageszeitung aufmerksam gemacht. In einem kurzen Artikel dazu heißt es, dass Ludwig Kabangu aus Ruanda in Freiburg weile, um von der Uni Freiburg die Rückgabe eines Totenschädels zu fordern. Besagter Schädel sei Anfang des 20. Jahrhunderts von den deutschen Besatzern in Ostafrika im Rahmen einer Studie zur Rassenhygiene widerrechtlich aus einer Grabstätte entfernt worden.
Im Gegensatz zu Kollegen und Vorgesetzten ist für Louise Kabangu das perfekte Opfer. Sie versucht, einen freiwilligen Rund-um-die-Uhr-Schutz für ihn zu organisieren. Dabei läuft einiges schief, nicht zuletzt, weil der alte weise Mann aus ganz persönlichen Motiven heraus gar nicht geschützt werden will.

Der Rechtsextremismus in Deutschland ist ein komplexes Thema, über das schon etliche Bücher geschrieben worden sind und noch geschrieben werden können. Allein schon was im Rahmen der Aufarbeitung der NSU-Morde über verschiedenste Neonazi-Gruppierungen, die fragwürdigen Aktivitäten der V-Leute und das Versagen der Geheimdienste und Polizeibehörden bekannt geworden ist, wirft eine Unmenge an Fragen auf. Blickt man zurück in die Geschichte, kann man feststellen, dass die sogenannte Entnazifizierung nach dem 2. Weltkrieg nicht funktioniert hat. Es ist bekannt, wieviel braune Gesinnung sich in allen Bereichen des öffentlichen Lebens festgesetzt hat. Deren Gedankengut stirbt nicht mit ihnen, sondern hat sich längst verbreitet und infiziert die Köpfe junger Menschen. In diesem Zusammenhang muss man sich nicht über Angriffe auf Asylanten-Unterkünfte, PEGIDA-Demonstrationen oder Abschottungsparolen gegenüber Flüchtlinge wundern.

Ein Kriminalroman, das weiß auch Oliver Bottini, kann nur begrenzt Aufklärungsarbeit leisten, aber er kann Denkanstöße geben. Bemerkenswert neben den vielen Aspekten zur Rechten Szene sind die Hinweise auf die Aktivitäten des Ku-Klux-Klans in Deutschland. Ein dramatischer Höhepunkt des Romans ist eine nächtliche Kreuzverbrennung durch die Aktivisten des Rassistenbundes.

Oliver Bottinis Schaffenspause hat der Louise-Boni-Reihe gut getan. Der Stil des Autors ist prägnanter geworden. Kleinteilige Ermittlungsschritte und ausführliche Beschreibung des Settings sind bis auf das Notwendige reduziert. Der Schwerpunkt liegt jetzt eindeutig auf den Dialogen, was zu einem dicken Plus an Tempo und Spannung führt. Man müsste den Autor mal fragen (wir werden es tun), ob er bei der Arbeit an diesem Roman schon an eine mögliche Verfilmung gedacht hat. Davon abgesehen gehört Im weißen Kreis zum Besten, was Krimi in Deutschland zu bieten hat.

Im weißen Kreis

Oliver Bottini, DuMont

Im weißen Kreis

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