Schattenschläfer

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2016
  • 8
  • London: Avon, 2015, Titel: 'Dead Man Walking', Originalsprache
  • München: Piper, 2016, Seiten: 480, Übersetzt: Bärbel Arnold, Velten Arnold
Schattenschläfer
Schattenschläfer
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Andreas Kurth
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2015

Strangers in the night

Im Prolog stellt die Polizei einem brutalen Serienmörder in Dartmoor eine Falle - von den Ermittler "der Fremde" genannt. Die junge Polizistin Gemma Piper schießt ihn an, und sieht ihn bei der Verfolgung vermeintlich im Moor versinken. Auf jeden Fall hört die Mordserie danach auf.

Zehn Jahre später werden zwei unerfahrene Camperinnen im Lake District vermisst. Detective Sergeant Mark Heckenburg hat sich vor kurzem nach einem mächtigen Zoff mit seiner Vorgesetzten Gemma Piper hierher versetzen lassen. Eine der Frauen wird getötet, die Überlebende finden Heckenburg und seine junge Kollegin am Seeufer. Sie berichtet davon, dass der Killer im schier undurchdringlichen Nebel immer wieder "Strangers in the night" gepfiffen habe.

Heckenburg ist alarmiert - dieses Lied war so etwas wie die Erkennnungsmelodie des "Fremden". Er informiert Superintendent Gemma Piper, die ebenfalls in den Lake District kommt. Doch es gibt weitere brutale Morde, auch an einem Polizisten, und die Jagd auf den Killer wird für Bevölerung und Ermittler zu einem wahren Alptraum.

Autor fesselt den Leser von der ersten Seite an

Der englische Journalist Paul Finch hat sich als Autor von Drehbüchern und Horror-Geschichten einen Namen gemacht, bevor er mit der Reihe um den überaus eigenwilligen Polizisten Mark Heckenburg in das Krimi-Genre eingestiegen ist. Schattenschläfer ist bereits der vierte Band dieser Reihe - für mich war es das erste Werk von Finch. Der englische Original-Titel "Dead Man Walking" ist viel passender, wie sich bei der Lektüre schnell zeigt, aber hier ist dem Verlag wohl keine ansprechende Übersetzung eingefallen.

Der Prolog bietet einen guten Einstieg in die spannende Geschichte, und Paul Finch schafft es von Beginn an, den Leser zu fesseln. Dazu trägt in meinen Augen unter anderem bei, dass er sich mit dem Lake District eine überaus bizarre Landschaft als perfekte Kulisse für diesen Thriller ausgesucht hat.

Dauerhafter Nebel, merkwürdige Akustik in den Bergen und auch der eigenwillige Menschenschlag schaffen daher neben der brutalen Mordserie eine mehr als bedrückende Atmosphäre. Schroffe Berge, tiefe Gewässer, schier endlose Trockensteinmauern, unzugängliche Höfe - und dazwischen ein unbekannter und überaus brutaler Killer. Schaurig und gruselig, nicht als Lektüre vor dem Einschlafen geeignet.

Leser und Ermittler werden atemlos durch die Seiten gehetzt

Der Autor bringt große Dynamik in seine Geschichte, indem er den Mörder die Ermittler und die potenziellen Opfer förmlich vor sich hertreiben lässt. Der Leser kennt zudem schon weitere Mordfälle, bevor die Polizisten die neuen Leichen gefunden haben. Bevölkerung und Ordnungskräfte stochern im Wortsinne im Nebel herum.

Jedes Knacken im Gebälk, jedes Geräusch im Freien, der Anblick nur schemenhaft zu erkennender Gewächse - alles mögliche löst angesichts der Bedrohung und der unheimlichen Umgebung geradezu panische Angst aus.

Man merkt, dass Paul Finch schon etliche Horror-Geschichten zu Papier gebracht hat. Die brutalen Morde werden geradezu zelebriert, und der Leser ist oft genug hautnah dabei.

Der Plot lebt lange davon, dass man sich fragt, was als nächstes passieren könnte, wen es noch erwischt. Überraschende Wendungen sind in diesem Szenario zunächst nicht vorgesehen, aber das führt keineswegs zu einem Abfall der enormen Spannung - Leser und Ermittler werden gleichermaßen atemlos durch die Seiten gehetzt.

Mark Heckenburg ist ein Polizist wie ein Bulldozer

Der Plot ist im Grunde so einfach wie bemerkenswert. Ein bewaffneter Mörder versetzt die Bevölkerung eines kleinen Dorfes samt einiger Polizisten in eine Art Belagerungszustand. Nervenkitzel und Gänsehaut beim Leser stehen eindeutig im Vordergrund, wirklich tiefgründig sind die Charaktere nicht gezeichnet. Und dennoch übernehmen die einzelnen Protagonisten wichtige Funktionen in dieser Geschichte.

Mark Heckenburg ist ein Polizist wie ein Bulldozer, den aber der Zoff mit seiner Vorgesetzten und Ex-Freundin Gemma Piper tief getroffen hat. Vor dem Beginn der Mordserie hat er sich vorsichtig der Pub-Wirtin Hazel Carter angenähert, die für ihn persönlich, aber auch für die Dorfbewohner ein echter Ruhepool im zunehmenden Chaos ist.

Gemma Piper ist in den Polizeirängen seit ihrer entscheidenden Rolle beim Beenden der Mordserie des "Fremden" weit nach oben gespült worden, als Superintendentin leitet sie eine Spezialabteilung mit landesweiter Zuständigkeit. Jetzt steckt sie in den schrecklichen Ereignissen im Lake District fest, weil sie die Möglichkeit, dass der "Fremde" doch noch lebt, unwiderstehlich angezogen hat. Ihr hoher Rang ist dabei wenig hilfreich, sie wird wie alle anderen zur potenziellen Zielscheibe.

Im letzten Drittel des Romans zieht der Autor das Tempo nochmals gewaltig an, jetzt warten doch so einige Wendungen und Überraschungen auf den Leser. Das Finale bringt dann jede Menge Dramatik - und eine Lösung, die mich wirklich total überrascht hat. Paul Finch ist ein exzellenter Thriller-Autor, der seine Leser perfekt unterhält und bis zur letzten Seite fesselt.

Schattenschläfer

Paul Finch, Piper

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