Der Mann, der kein Mörder war

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 2011
  • 45
  • Stockholm: Norstedt, 2010, Titel: 'Det fördolda', Seiten: 419, Originalsprache
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2011, Seiten: 576, Übersetzt: Ursel Allenstein
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2012, Seiten: 576
Der Mann, der kein Mörder war
Der Mann, der kein Mörder war
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Jürgen Priester
82°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2011

Hinter den Kulissen

Det fördolda - auf Deutsch: "Hinter den Kulissen" oder auch "Im Hintergrund" heißt der schwedische Originaltitel des Debütromans von Michael Hjorth und Hans Rosenfeldt. Genau dort müssen nämlich ihre Ermittler suchen, um ihren ersten gemeinsamen Fall zu lösen. Der Rowohlt-Verlag bietet in seiner Polaris-Reihe den Titel Der Mann, der kein Mörder war an. Das sind die ersten Worte des Prologs, und die Geschichte wird zeigen, ob diese Aussage zutreffend ist oder nicht.  Dass dieser Titel genügend Interesse weckt, darf allerdings bezweifelt werden. Auch die Covergestaltung lässt zu wünschen übrig. Wieder mal dieses langweilige "Weiß", von dem im Moment fast alle Verlage zu glauben scheinen, es wirke verkaufsfördernd. Was wirklich Aufmerksamkeit erregt, findet man innen.

Auch wenn es nur eine schwedische Lokalzeitung ist, die auf dem ersten Vorsatzblatt mit den Worten: "Das wahrscheinlich beste schwedische Krimi-Debüt seit Larsson." zitert wird. Stieg Larsson scheint im Krimi-Genre das Maß aller Dinge geworden zu sein. Was die Verkaufszahlen seiner Bücher betrifft, mag das wohl stimmen. Über die inhaltlichen Qualitäten von Larssons Millenium -Trilogie kann man indes unterschiedlicher Meinung sein. Deshalb sticht die Larsson-Karte nicht bei jedem Leser. Aber was soll´s? Die meisten Krimis brauchen eh keine hinkenden Vergleiche und Der Mann, der kein Mörder war ist einer davon. Man merkt dem schwedischen Autorenduo die Erfahrungen an, die sie in der Film- und Fernsehbranche gewonnen haben. Das gilt zum einem für die Besetzung des Stückes mit kontroversen Persönlichkeiten, deren Interaktionen allein schon Spannung erzeugen, zum anderen für den Handlungsablauf, der trotz aller Finten und Wendungen angenehm gradlinig konzipiert ist.

In Västerås, einer Stadt im ländlichen Speckgürtel der schwedischen Hauptstadt, meldet die Mutter des sechzehnjährigen Roger Eriksson ihren Sohn als vermisst. Da das Wochenende bevorsteht, wird die Meldung von der örtlichen Polizei nur halbherzig verfolgt. Der diensthabende Kommissar Haraldsson, ein Pechvogel sondergleichen, hat nur seine privaten Sorgen im Sinn. Als zu Beginn der neuen Woche die Leiche des Jungen im Teich eines nahegelegenen Waldstücks gefunden wird, ist Polizeichefin Hanser empört über die Fahrlässigkeit in ihrer Behörde. Jetzt mit dieser unfähigen Truppe auf Mörderjagd zu gehen, scheint ihr wenig erfolgversprechend, deshalb fordert sie bei der Reichspolizei in Stockholm Hilfe an. Torkel Höglund, Leiter der Mordkommission, den Hanser von früheren Fällen her kennt, ist gerne bereit, ihrer Bitte nachzukommen. Er stellt ein Team aus erfahrenen Beamten zusammen, und sie machen sich auf nach Västerås.

Parallel zu den beginnenden Ermittlungen lernt der Leser den Polizeipsychologen a.D. Sebastian Bergman kennen. Ein einsamer Mann, der seit dem Unfalltod seiner Frau und seiner Tochter völlig aus der Spur geraten ist. Obwohl der Unfall Jahre zurückliegt, wird Bergman immer noch von schweren nächtlichen Albträumen geplagt. Auch er ist auf dem Weg nach Västerås, der Stadt seiner Kindheit und Jugend, um das Haus seiner kürzlich verstorbenen Mutter zu veräußern. Der Zufall will es, dass er im Nachbarhaus auf Lena, die Mutter des ermordeten Jungen, trifft. So kommt er durch die Hintertür mit dem Fall in Kontakt. Wenig später begegnen sich auch Bergman und Torkel Höglund. Die beiden kennen sich nur zu gut, haben sie doch früher Seite an Seite ermittelt. Bergman bietet seine Mithilfe an, Höglund akzeptiert, wenn auch mit sehr gemischten Gefühlen. Einerseits sind ihm Bergmans hervorragende Fähigkeiten als Psychologe bewusst, andererseits weiß er genau, dass Bergman mit seiner Arroganz die Harmonie seines Teams stören wird.

"Sie werden es lieben, ihn zu hassen" unkt die Außenwerbung auf der Rückseite des Buches und meint damit Sebastian Bergman, der hier als geniales Ekelpaket aufgebaut werden soll. Wenn schon große Gefühle, dann ist es eher Mitleid, was dieser kranke Mann hervorruft. Er kann das erlittene Trauma des Verlusts nicht überwinden. Vergeblich versuchte er, sich mit Alkohol und Pillen zu betäuben, was jedoch ebenso wenig half wie die Therapien, denen er sich unterzog. Jetzt hofft er, in wahllosem Sex Linderung zu finden, obwohl er als Psychologe natürlich weiß, dass dies nur Verdrängung ist.

Nach einer langen Zeit der Untätigkeit ist es die Herausforderung eines neuen Falles, die ihn reizt. Hier ist er nicht nur als Kriminalist gefragt, sondern auch als Sohn, denn der Fall konzentriert sich auf die Schule, die er einmal besucht hat und an der sein Vater zu Lebzeiten Rektor war. Dessen Vermächtnis belastet Bergman immer noch.

Erstaunlich schnell – natürlich nicht ohne Reibereien – findet sich Bergman in Höglunds Team ein. Das ist auch gut so. Denn das Team der Stockholmer Mordkommission ist der heimliche Star des Autorenduos. Der Querulant Bergman ist in der Gemeinschaft der Ermittler allenfalls primus inter pares.

Da die Autoren mit Bergman, Höglund und Co. in Serie gehen wollen – eine Verfilmung  läuft bereits – wundert es nicht, dass sie besonderen Wert auf die Charakterisierung der Personen gelegt haben, die zum Stammpersonal gehören. Individualisten allesamt, aber eben auch Teamplayer, deren perfektes Zusammenspiel den Fall Stück für Stück einer Lösung näher bringt. Sie haben alle Hände voll zu tun. Die Ermordung des jungen Roger birgt nämlich mehr Geheimnisse, als die Ermittler zu Anfang vermuten. Selbst das Opfer war nicht der gut erzogene, unauffällige Schüler, für den ihn fast alle hielten. Hinter den Kulissen der Achtsamkeit tun sich wahre Abgründe auf. In diesem Dickicht zeigen die Männer und Frauen um Bergman und Höglund ihre Qualitäten.

Schnelle Schnitte, häufige Perspektivwechsel und ein einfacher, aber prägnanter Satzbau geben von Anfang an ein hohes Tempo vor, ohne dabei die einzelnen Entwicklungsschritte der Ermittlung negativ zu beeinträchtigen. Wie im klassischen Kriminalroman werden hier die einzelnen Puzzleteile zusammengesetzt, bis sie ein Gesamtbild ergeben. Das ist für den Leser stets nachvollziehbar und hält die Spannung über die gesamte Distanz.

Bergman & Co, gerne wieder!

Der Mann, der kein Mörder war

Michael Hjorth & Hans Rosenfeldt, Rowohlt

Der Mann, der kein Mörder war

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