Spielwiese

  • Gmeiner
  • Erschienen: Januar 2011
  • 0
  • Meßkirch: Gmeiner, 2011, Seiten: 372, Originalsprache
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Jochen König
15°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2011

Plumpe Provinzposse

"Unsere ganze Familie – ein Opfer des Frauenfußballs!"

Dies ist tatsächlich das jämmerliche Fazit eines jämmerlichen Romans. Spielwiese ist einer jener schlecht geschriebenen provinziellen Grimmis, die mit ihrer beständigen Unbedarftheit hausieren gehen. Ohne anstehende Rezension wäre das Buch bereits nach dreißig Seiten mit Verve entsorgt worden. Spätestens als Kommissar Nachtigall daheim von einem "unklaren Todesfall" schwadroniert, der sich "als Vogelscheuche aufgebaute Leiche" entpuppt, die zudem "nicht mehr frisch war". Immerhin hält er seine Gattin für "gut ausbalanciert".

Vorher gewährt uns die Autorin einen kurzen Blick auf den Täter, fortan "Der Schatten" genannt:

 

Ein garstiges Lächeln umspielt seine verdorrten Lippen.

 

Er steht inmitten einer Gruppe Schaulustiger und sieht zu, wie die Überreste des ehemaligen Fußballspielers und Frauenfußballtrainers Roland Keiser geborgen werden. Es soll nicht der einzige Tote bleiben. Der Schatten hat einen Plan, dem er gnadenlos folgt und dabei darauf achtet, dass die Polizei alles mitbekommt. Außer natürlich, herauszufinden, wer er ist und welches Motiv ihn umtreibt. Sicher ist nur: alle Opfer haben etwas mit Frauenfußball zu schaffen und kannten sich untereinander.

Richtig von ihm, mit verwesenden Vogelscheuchen und anderen öffentlichen Zurschaustellungen für Aufsehen zu sorgen. Die Polizisten um Hauptkommissar Peter Nachtigall von der Kripo Cottbus muss man ordentlich anleiten, sonst kapieren sie nichts. Wenn sie nicht gerade herumstehen, aus dem Stegreif rätseln und abwegige Theorien austauschen, tratschen sie mit Vorliebe mit- und übereinander, reißen klägliche kleine Witze und sorgen sich umeinander. Krebs und heimlicher Alkoholgenuss im Dienst sind halt keine Partykracher. Das beschwerliche Ermitteln muss dann schon mal hinten anstehen. Ist auch ein Kreuz mit all diesen negativen Erfahrungen und Begegnungen mit unleidlichen Zeitgenossen.
Bei Franziska Steinhauer werden selbst einfache Zeugenbefragungen und schlichter Informationsaustausch zu hochdramatischen Events. Denn die meisten Befragten reagieren bei jedem polizeilichen Klopfzeichen, als wäre der Großangriff eines schwerbewaffneten SEKs geplant.

Entweder kann man im Osten Deutschlands nicht halbwegs freundlich miteinander kommunizieren, oder die Abneigung gegenüber der polizeilichen Staatsmacht ist tief in der revolutionären Gesinnung der aufmüpfigen Bürgerschaft verankert. Mag ja sein, dass es so etwas gibt, im gewählten Kontext wirkt diese unverständliche Hysterie deplatziert und peinlich. Aber damit kennt sich Steinhauer aus. Beginnt bereits mit der Namensgebung ihrer Figuren.

Anke geht. Katrin geht. Ankekatrin geht gar nicht. Wenn dann Irmchen noch eifersüchtig ist auf Ankekatrin, während Gatte Hajo sich eh lieber am Flachmann festhält, ist alles vorbei. Dann doch lieber Roland Keiser heißen, der tatsächlich nach dem westdeutschen Traum aller schlagerliebenden Irmchens getauft wurde. Damit keinem Leser dies entgeht, wird im Text explizit drauf hingewiesen und mindestens einmal der Name mit "a" geschrieben. Kleinigkeiten, wohl wahr, aber sie summieren sich und erhöhen den Nervfaktor der nahezu sinnfreien Geschichte um einen mordenden Racheengel, der berauscht von der grässlichen Droge Frauenfußball, seine schändlichen Untaten begeht, ungemein.

Da es Steinhauer nicht gelingt, ihr Personal glaubwürdig, geschweige denn empathisch zu zeichnen, ist das Interesse am literarischen Ensemble mau. Da die Beweggründe des Täters zwar behauptet, aber selbst während der eingestreuten Rückblenden durch nichts belegt werden, bleibt der gebeutelte Leser auch hier konsterniert und gelangweilt zurück.

Überhaupt die Rückblenden. Die Geschichte der begabten Fußballerin Manuela Winter, die leider ein Kind vom falschen Mann erwartet und ob der dramatischen Entwicklung nicht nur ihre Fußballerinnenkarriere sondern noch einiges mehr an den Nagel hängen kann, ist Betroffenheitskitsch der übelsten Sorte. Und während sie ihr Baby zärtlich "Papillon" nennt, denken andere (ich) an einen bärtigen Bagno-Ausbrecher mit den Zügen Steve McQueens. Nahe gehen diese geschwätzigen Plattitüden jedenfalls nicht.

"Das war die erste schwarze Perle auf einer Kette voller Fehlentscheidungen". Sagt der Schiedsrichterbeobachter?

Auch über Fußball weiß Steinhauer nur Binsenweisheiten schulmeisterlich zu verbreiten und versucht verzweifelt, dem sacht aufkeimenden Frauenfußball eine dunkle Seite anzuhängen, die von Einzelkämpfertum und Rücksichtslosigkeit erzählt. Erneut Behauptungen, die nirgendwo im Text belegt, bzw. entwickelt und ausgeführt werden. Stattdessen ein aus dem Ruder gelaufenes Einzelschicksal, das seinen Verlauf auf die gleiche Weise in Mandys Nagelstudio hätte nehmen können. Aber Franziska Steinhauer muss ja einen Popanz aufbauen, damit der erschütternde Satz vom familienzerstörenden Frauenfußball fallen kann. Derweil liegt der Leser aber schon schluchzend oder lauthals lachend unterm Tisch. Denn nicht nur, dass er erfährt, dass eine EM wahnsinnig und eine anstehende WM mordlüstern machen können, obskure Manipulationen und Todesfälle lassen ebenso ratlos zurück.

In der Niederlausitz begegnen sich lausige Mörder, lausige Polizistin und eine Autorin, die sich hinter beidem nicht zu verstecken braucht. Verquaste Sprache voller schiefer Bilder und Vergleiche trifft auf inhaltliche Leere. Und nicht auf eine "psychologisch ausgefeilte, clever gestrickte und hochspannende Krimihandlung rund um die Frauen-Fußballweltmeisterschaft in Deutschland" wie uns der Klappentext weismachen will. Das Gegenteil ist der Fall: Dumpfe Küchenpsychologie, platte und stinklangweilige Krimihandlung mit ein bisschen "Was-Wikipedia-über-(Frauen)Fußball-verrät", unbeholfen vorgetragen.

Selbst vor dürftigsten dramaturgischen Tricks schreckt Steinhauer nicht zurück. Als die Ermittlungen stocken, muss doch die Liebste des übelst badisch sprechenden Kommissars Wiener beim Blümchensex unter freiem Himmel auf eine ranzige Leiche stoßen. Wird allerdings von der Autorin vollkommen versaubeutelt, denn der Leser ist noch erschüttert über Michael Wieners erotischen Überschwang: "Lust wallte ihn ihm auf wie ein Tsunami." Erschreckend die Vorstellung, was der an sich gemütliche Beamte mit seiner geliebten Marnie angestellt hätte, wenn nicht der Leichnam aufgetaucht wäre - sie in Kleinteile zerlegt?

Spielwiese ist bereits Franziska Steinhauers siebter Roman um Peter Nachtigall und seine Kollegen. Wem unfreiwillige Komik ein Genuss ist, der darf dem Buch einen Ehrenplatz in seinem Bücherregal einräumen. Wem es allerdings wie dem Rezensenten geht, der will gar nicht wissen, ob dieses desaströse Elaborat ein Ausrutscher ist, oder die vorhergehenden Bücher noch schlechter sind.

Bleibt am Ende ein Anfang: Kommt die Franzi von der Alm zum ersten Mal in die große Stadt und sieht all die bunten Lichter und hört die lauten Geräusche aus dem Stadion und fürchtet sich. Hätte auch als Rezension gereicht. Aber ein bisschen befreiende Belohnung für 372 Seiten Lesequal sollte drinsitzen. Danke.

Ach, und falls sie es noch nicht wussten:

 

Der Tod ist kein schöner Anblick.

 

Man könnte seitenlang aus dem Buch zitieren. Besser wird es dadurch nicht. Nur ulkiger. Immerhin etwas.

Spielwiese

Franziska Steinhauer, Gmeiner

Spielwiese

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