Septagon

  • Lübbe Audio
  • Erschienen: Januar 2009
  • 6
  • London: William Heinemann, 2008, Titel: 'Play dead', Seiten: 381, Originalsprache
  • Bergisch Gladbach: Lübbe Audio, 2009, Seiten: 6, Übersetzt: Matthias Koeberlin
  • Köln: Bastei Lübbe, 2010, Seiten: 464, Übersetzt: Karin Meddekis
Septagon
Septagon
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Michael Drewniok
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2009

Mr. Ludo lädt ein zum Spiel des Todes

Einmal mehr werden Kevin Byrne und seine Partnerin Jessica Balzano, Mitglieder einer Spezialeinheit, die in der US-Stadt Philadelphia ungeklärten Morden nachgeht, mit den Taten eines genialen aber völlig verrückten Serienkillers konfrontiert. "Mr. Ludo" stellt seine Opfer (oder Teile davon) der eigens informierten Polizei stolz zur Schau, nachdem er seine seltsamen Gelüste an ihnen befriedigt hat.

Ludo – alias Joseph Edmund Swann – haust in der riesigen Villa Faerwood. Schon der Vater, ein einst berühmter Bühnenmagier, war geisteskrank; er quälte den Sohn, verwandelte Faerwood in ein irrwitziges Labyrinth seltsam geschnittener Räume und Geheimgänge und brachte sich schließlich um. Zurück blieb Joseph, ein fabelhafter Zauberkünstler mit zerstörter Seele.

Schon früh hat Joseph die Faszination des Tötens entdeckt. Er frönt ihr auf raffinierte Weise. Seit Jahren arbeitet er an einem ´Kunstwerk´, für das er die Körper von sieben Frauen benötigt. Vier Leichen hat sein Wahn bereits gefordert. Nur einmal konnte eines der Opfer entkommen. Bei dem Versuch, sich für die erlittenen Qualen zu rächen, wurde Detective Genevieve Galvez vom Dezernat für Sonderermittlungen des Bezirksstaatsanwalts allerdings von Swann überrascht und umgebracht. Ihre Leiche wollte er nicht ´verarbeiten´. Er begrub sie in einem Park, wo sie nun entdeckt und von Byrne, ihren früheren Lebenspartner, heftig betrauert wird.

Verbissen macht sich der Polizist mit seiner Partnerin auf die Suche nach dem Mörder. Allerdings unterschätzen die beiden genretypisch die Fähigkeiten seines Gegners exakt so lange, dass dieser a) seine Übeltaten auf die Spitze treiben, b) die hübsche Jessica dabei in Lebensgefahr bringen und c) ein malerisch grausiges Ende finden kann …

Der attraktive Unhold als heimliche Hauptfigur

Zum vierten Mal schickt Richard Montanari sein Erfolgsgespann Byrne & Balzano auf Mörderjagd. Wie schon in den drei früher romanhaft dokumentierten Fällen ist ihr Gegner nicht der übliche, recht langweilige Unhold, sondern ein Verbrecher-Genie, das mit (mindestens) einem Bein im Reich des Wahnsinns steht. Montanari geht auf Nummer Sicher; Brutalität ist unterhaltsamer, wenn sie nicht realistisch ungeschminkt, sondern rätselhaft daherkommt.

In diesem Punkt hat der Verfasser mit Mr. Ludo – dessen Identität er selbst früh enthüllt, weil ihr Geheimnis kein Element dieser Geschichte ist – einmal mehr gute Arbeit geleistet, die eine lobende Erwähnung verdient: Wem gelingt es heutzutage noch, im Heer der metzelnden Irren eine Figur zu schaffen, die nicht kopiert, was seine (oder ihre) Kameraden schaurig schön vorgegeben haben?

Da Montanari ausschließlich Thriller-Unterhaltung liefern möchte, bleibt Realismus wie schon erwähnt Nebensache. Deshalb ist der jeglicher Logik widersprechende Plot auch kein Grund für negative Kritik: Im wahren Leben käme ein verspielter Killer (und Spinner) wie Ludo nicht weit. Seine ungemein komplizierten Mordpläne würden von tausend Zufällen torpediert, und die angebliche Genialität, mit der er zu Werke geht, ist ebenfalls eine Behauptung seines geistigen Vaters. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte er sich rasch im Gespinst seiner Listen verfangen, die vor heiklen Details so strotzen, dass Ludo bei ihrer Realisierung kaum das Schlafen oder Essen möglich wäre.

Schwer wiegt das Haupt …

Folgerichtig müssen Ludos Jäger stets ein wenig zu deutlich im Dunkeln tappen. Montanari bemüht sich, sie dennoch gut dastehen zu lassen. Er spöttelt über die CSI-Gläubigkeit seines Publikums, das im Fernsehen verfolgt, wie einem Blutstropfen die gesamte Biografie seines Besitzers abgepresst wird, indem er dies mit der ´Realität´ eines von Überlastung und Einsparungen geprägten Polizeialltags konterkariert, der den Beamten nicht einmal einen eigenen Schreibtisch gönnt. Angenehmer Nebeneffekt: Verzögerungen und Fehler sind an der Tagesordnung und erschweren glaubhaft die Verbrecherjagd.

Weniger ersprießlich ist Montanaris Entschluss, seinem Ermittler-Duo schwere Psycho-Lasten auf die Buckel zu laden. Zum modernen "police procedural" gehört die integrale Einbindung des Privatlebens, was sich für den Verfasser dank einschlägiger Klischees leichter handhaben lässt als der Ludo-Plot. Also denn: Sowohl Byrne als auch Balzano haben familiäre Probleme, denn als gute Polizisten nehmen sie ihre Fälle natürlich mit nach Haus, wo sie düster und um ihre Lieben bangend über den Problemen einer vor die Hunde gehenden Welt brüten; Gedanken, die sie mit Montanaris Hilfe offen und ausgiebig mit dem Leser teilen.

Vorsichtshalber konstruiert der Verfasser zusätzlich eine Beziehung zwischen Byrne und einem der Ludo-Opfer. Dadurch wird das ohnehin verzwickte Verhältnis zur Berufs-Partnerin Balzano zusätzlich kompliziert, was weitere Wortschwälle sprudeln lässt.

Neue Geschichte nach altem Muster

Liegt es an diesen (und weiteren) Verwicklungen (auf die hier nicht eingegangen wird), dass Septagon anders als die ersten drei Bände der "Philadelphia"-Serie nur langsam und eigentlich nie richtig in Fahrt kommt? Montanari bemüht sich, Schwung in das oft schematisch die Vorgaben des Genres abarbeitende Geschehen zu bringen, indem er die Chronologie der Ereignisse bricht. Mehrfach springt er in die Vergangenheit zurück und schildert, wie Ludo seine Opfer suchte, fand und folterte. Da der Verfasser diese Rückblicke nicht als solche kennzeichnet, dauert es jeweils seine Zeit, bis der Leser sie erkennt. Freilich sind sie weder spannungsförderlich noch erklärend im Sinne der Handlung. Montanari wiederholt sich und zieht die Geschichte auf diese Weise künstlich in die Länge.

Auch der Schlusstwist will nicht gut gelingen. Selbstverständlich möchte Montanari seinem Publikum nicht nur eine logische und spannende Auflösung bieten: Er will es durch bisher nur angedeutete und im Finale urplötzlich ins die Handlung drängende Überraschungen erstaunen. Dieses Prozedere birgt naturgemäß Risiken. Wenn Idee und Ausführung nicht wirklich gut sind, geht der Schuss leicht nach hinten los. Mit Septagon belegt Montanari unfreiwillig, wie so etwas ausgehen kann. Zwar bringt er Jessica Balzano in Gefahr, als er sie in einsamer Entscheidung die Faerwood-Gruselvilla stürmen lässt, doch dort übernimmt eine mit der heißen Nadel gestrickte (bzw. aus der Feder gespritzte) Rächer-Heldin den eigentlichen Showdown und verbannt die weibliche Hauptfigur in eine Statistenrolle – ein Fehler, der dem erfahrenen Verfasser nicht hätte unterlaufen dürfen!

So bleibt Septagon vor allem Routine: ein Thriller, der in seinen Teilen knarrt und ächzt, aber dank zahlreicher schriftstellerischer Taschenspielertricks leidlich funktioniert. Des Lesers Enttäuschung resultiert zu einem Gutteil aus der Tatsache, dass Montanari es besser kann. Inzwischen ermittelten Byrne & Balzano zum fünften Mal; hoffen wir, dass sie zur alten Form zurückfinden konnten.

Septagon

Richard Montanari, Lübbe Audio

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