Mittwinterblut

  • Wunderlich
  • Erschienen: Januar 2007
  • 3
  • Reinbek bei Hamburg: Wunderlich, 2007, Seiten: 480, Übersetzt: Dagmar Lendt
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2009, Seiten: 480
Mittwinterblut
Mittwinterblut
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Peter Kümmel
74°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2007

Auch Tote haben was zu sagen

Ein grausamer Mord beschäftigt die Ermittler der Polizei im schwedischen Linköping. Bei klirrender Kälte hängt an einem Baum ein schrecklich zugerichteter nackter Leichnam. Mindestens 150 Kilo wiegt der unbekannte Tote - kaum denkbar, dass hier ein einzelner Täter am Werk war.

Kommissarin Malin Fors soll die Leitung des Falles übernehmen. Die junge engagierte Polizistin ist alleinerziehende Mutter einer pubertierenden Tochter und für ihre eigenwilligen Ermittlungsmethoden bekannt. Mit ihrem ein paar Jahre älteren Kollegen Zacharias "Zeke" Martinsson bildet sie ein eingespieltes und gut funktionierendes Team.

Der Tote wird relativ schnell identifiziert als Bengt Anderson, genannt "Ballbengt", ein alleine lebender und von der Fürsorge unterstützter Mann. Da er kaum über Kontakte zu seiner Umwelt verfügte, haben die Ermittler wenig Ansatzpunkte, ein Mordmotiv zu erkennen. Eine Spur führt über Andersons frühere Betreuerin beim Sozialamt zu den Gebrüdern Murvall, die allesamt bereits mehrfach vorbestraft sind, eine weitere Spur zu zwei Jugendlichen, die offensichtlich Gefallen daran fanden, Ballbengt zu quälen.

Fors´ Vorgesetzter Karim Akbar jedoch hält die "Asen-Spur" für am vielversprechendsten. Er glaubt an einen Ritualmord. Eine Sekte, die in einem abgelegenen Bauernhof lebt und den Asen-Kult pflegt, gerät in Verdacht, da die Art der Zuschaustellung des Mordopfers an die Mittwinteropfer erinnert, die in früheren Zeiten den Göttern dargebracht wurden.

Als man sich schließlich bei den Ermittlungen so festgefahren hat, dass man sich nur noch im Kreis dreht, kommt schließlich doch der entscheidende Hinweis...

Starke Charaktere - schwache Auflösung

Mit Mons Kallentoft bereichert ein weiterer Schwede die deutsche Krimilandschaft. Obwohl Kallentoft lange Jahre in Spanien gelebt hat, könnte sein Roman Mittwinterblut nicht "schwedischer" sein. Dies zeigt sich nicht nur im herrschenden deprimierenden Klima - "35 Grad unter Null, der kälteste Winter seit Menschengedenken" -, sondern vor allem an seinen Charakteren: Polizeibeamten, die außer mit den Verbrechern vor allem mit sich selber Probleme haben, stehen vor allem solche Menschen gegenüber, die am Rande der Gesellschaft stehen. Außenseiter wie Ballbengt, der seine Zeit alleine am Fußballplatz zubringt oder dessen Vater Kalle im Winkel, so brutal, daß er fast ein Opfer seines eigenen Sohnes geworden wäre. So wie die matriarchalische Familie Murvall, deren drei Söhne meist auf der anderen Seite des Gesetzes stehen. Aber auch Außenseiter wie Karim Akbar, der Polizeichef, die es "geschafft haben", es als Außenstehende zu etwas gebracht haben, auch wenn sie merken müssen, dass sie trotzdem nicht vollauf akzeptiert werden.

Langsam und behäbig startet der Autor mit seiner Story. Seine Ermittler sind keine Helden oder Übermenschen, sondern normale Polizisten, die ihre Arbeit tun und auch mal Feierabend haben. Entsprechend langsam wird ermittelt und wie im richtigen Leben läuft manche Spur ins Leere. Doch schon bald erlebt der Fall überraschende Wendungen.

Der Autor arbeitet mit schnellen Szenen- und vor allem Perspektivwechseln. Obwohl der Leser die meiste Zeit bei der Protagonistin verweilt, bekommt er zwischedurch auch kurze Einblicke, die den Polizisten vorenthalten bleiben, was jedoch nicht seinen Wissensvorsprung entscheidend vergrößert.

Und - welche Überraschung - sogar der Ermordete meldet sich selber in regelmäßigen Abständen zu Wort. Diese kursiv gedruckten Einschübe mögen kurios, eine Szene sogar grotesk erscheinen, wirken aber durch die Sicht des über den Dingen schwebenden durchaus sinnvoll als Betrachtungsweise aus einer völlig anderen Perspektive. Der Ermordete weiß natürlich, wer ihn umgebracht hat, doch so plump arbeitet Kallentoft natürlich auch nicht - keine übersinnlichen Elemente zur Auflösung des Falles.

Dass die Lösung aber dennoch zu den Schwachpunkten des Romans zählt, hat andere Gründe: Durch einen unerwarteten Hinweis werden die Ermittler mit der Nase auf den Täter gestoßen, obwohl sie ermittlungstechnisch noch weit vom Täter entfernt waren. Zwar realitätsnah, doch von einem spannenden Kriminalroman erwartet man anderes. Auch das Mordmotiv wirkt für mich nicht einleuchtend, was jedoch der steigenden Spannungskurve zum Ende hin keinen Abbruch tut.

Trotz der beiden Schwachpunkte Auflösung und Mordmotiv ist das Deutschland-Debüt von Mons Kallentoft durchaus als positiv zu bewerten. Eine stimmige Atmosphäre und gelungene Charakterstudien lassen noch einiges von dem jungen Autoren erwarten. Vielleicht sogar mehr von Fors und Martinsson. Obwohl nicht als Serie avisiert bietet die Anlage der Charaktere der Protagonisten Anlaß, auf eine Fortsetzung zu schließen.

Mittwinterblut

Mons Kallentoft, Wunderlich

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