Code Freebird

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 2006
  • 3
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2006, Seiten: 288, Originalsprache
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Jörg Kijanski
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2006

Überraschender zweiter Teil der Balthasar-Levy-Reihe

Bei einem Bombenattentat in Hamburg stirbt ein Amerikaner, einige Tage später ereignet sich ein Bombenanschlag in Frankfurt. Ein weiterer Mensch stirbt und dies scheint erst der Anfang einer Serie zu sein. Als vier Wochen nach dem ersten Anschlag in einem Hamburger Kino erneut eine Bombe explodiert und diese ein drittes Opfer fordert, übernimmt Kriminalhauptkommissarin Hortensia Michaelis mit ihrem Team die Ermittlungen. Sehr zum Unmut von BKA-Ermittler Sven Demandt, der vor allem nicht akzeptieren mag, dass Michaelis ausgerechnet den Profiler Balthasar Levy in ihr Team zurückholt.

Bei ihrer ersten gemeinsamen Arbeit (Und ewig seid ihr mein) war es noch Demandt selbst, der Levy gegen Michaelis Willen in deren Team unterbrachte. Nun sind die Vorzeichen umgekehrt und Michaelis geht mit dem Einsatz Levys ein hohes Risiko ein, denn eigentlich ist dieser noch immer nicht arbeitsfähig. Zu tief sitzen die körperlichen, aber vor allem die seelischen Wunden, die der letzte Fall bei Levy hinterlassen hat. Schließlich liegt sein "Familienleben" seitdem in Trümmern.

Die Ermittlungen laufen zügig an und deuten schon bald einen politischen Hintergrund an. Genauer gesagt führt die Spur in den Nahen Osten, denn der verwendete Sprengstoff ist das bevorzugte Material islamistischer Selbstmordattentäter. Doch irgendetwas stimmt im vorliegenden Fall ganz und gar nicht. Immer wurden offensichtlich nur die Menschen getötet, auf die es der (oder die?) Attentäter abgesehen hat. Außerdem fehlen in allen Fällen die für islamistische Terroristen üblichen Bekennerschreiben.

"Eine beachtliche Erfahrung, in Furcht leben zu müssen, nicht wahr?" (Der Blade-Runner)

Eine erste heiße Spur führt in den Irak, genauer gesagt zu dem "Blade Runner", einem ehemaligen amerikanischen Elitesoldaten und dessen Einheit. Doch von ihm fehlt jede Spur und die einstigen Kameraden sterben fast schneller als Levy mit ihnen reden kann. Aber was hat der "Blade Runner" mit den Anschlägen zu tun und welche Rolle spielt die Journalistin Aaliyah Roshan, die immer wieder unerwartet Levys Wege kreuzt und offenbar besser informiert ist als die ermittelnden Behörden? Warum blockieren BKA und BND die Ermittlungen und überlassen diese weitgehend dem amerikanischen CIC und CID? Als in Mannheim ein Anschlag auf die amerikanische Sicherheitsfirma Clearwater verübt wird, kommt es plötzlich zu einer neuen Form der Zusammenarbeit und Levy erfährt mehr über den Irak-Krieg als er je darüber wissen wollte...

Das den Plot beherrschende Thema Irakkrieg sollte Sie interessieren

Code Feebird, der zweite Teil der Balthasar-Levy-Reihe, ist zunächst etwas irritierend, denn nach dem fulminanten Debüt Und ewig seid ihr mein hätte man wohl eher einen reinen Profiler-Roman im Stile einer Val McDermid erwartet. Das jedoch gefühlt nahezu alle Einheiten, die der Geheimdienstsektor hergibt, mitmischen kommt daher überraschend. Allerdings ist Roman Rausch zum Glück kein amerikanischer Autor und so halten sich die Geheimdienstler sehr zurück. Es wird erwähnt, dass diese ermitteln und damit hat es sich auch schon weitgehend, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen.

 

"Jeder von ihnen hat seinen eigenen persönlichen Grund, wieso er in die Army eingetreten ist. Der eine hat Verwandte oder Freunde am 11. September verloren, den anderen treibt die pure Abenteuerlust. Beide Gründe sind für mich akzeptabel, auch wenn zwischen Rache und Dummheit eine große Kluft herrscht."

 

Wer Code Freebird liest, erfährt wie dessen Protagonist Balthasar Levy viel über den Irakkrieg und über das Thema "freie" Berichterstattung der Medien, wobei die politischen Aussagen der handelnden Personen zu beurteilen, sicher nicht Aufgabe der Krimi-Couch sein kann. Anzumerken ist aber, dass die vorgetragene Medienkritik nur zu unterschreiben ist und der Roman durchaus zum Nachdenken über die Nahostproblematik anregt.

 

"Diese Scheinheiligkeit ist nicht mehr zu überbieten. Und wenn dann noch ein Ex-Alkoholiker mit den intellektuellen Qualitäten einer Flasche Jack Daniel's mir etwas von Zivilisation, Kultur und Werten erzählen will, wissen Sie, Herr Levy, dann fragt man sich schon, wieso man keine Antidepressiva schluckt."

 

Der Plot ist in sich stimmig und wird ansprechend aufgelöst, wobei man über weite Passagen eher einen "Militär- oder Kriegsroman" zu lesen scheint. Wen dies stört, der darf sich auf den dritten Teil der Serie (Weiß wie der Tod) freuen, denn da wird wieder im "normalen Fahrwasser" ermittelt. Die Figur Levy wird indessen überraschend wenig herausgearbeitet, was insofern enttäuscht als diese nach ihrem erstem Auftritt in Und ewig seid ihr mein ja durchaus das Zeug zum Kult-Charakter hatte und in Weiß wie der Tod auch wieder erhält. Nur auf ganz wenigen Zeilen erfährt der Leser zudem beispielsweise Neues über das Schicksal von Frank de Meer, Levys Halbbruder. Doch diese wenigen Passagen reichen bereits aus, um den Appetit nach mehr Levy-Romanen zu wecken.

Wer sich mit dem Thema Irakkrieg beschäftigen möchte sollte zugreifen, wer einen reinen Profiler-Plot erwartet könnte hingegen enttäuscht werden. Gleichwohl versteht es Roman Rausch sein Publikum erneut zu fesseln, so es sich denn auf die Geschichte einzulassen bereit ist. Und ganz nebenbei erhält man noch einen ausführlichen Einblick in die Wissenschaft der Kriminalpsychologie.

Code Freebird

Roman Rausch, Rowohlt

Code Freebird

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