Tote mögen kein Sushi

  • Knaur
  • Erschienen: Januar 2002
  • 10
  • München: Knaur, 2002, Seiten: 294, Originalsprache
  • München: Knaur, 2004, Seiten: 294, Originalsprache
Tote mögen kein Sushi
Tote mögen kein Sushi
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Wolfgang Weninger
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2005

Ein erquicklicher Kulturcrash, ein Krimikleinod

Es gibt Detektive, denen sieht man ihren Beruf überhaupt nicht an. Da wäre zum Beispiel Kenji Hamada, der kleine Japaner, der abgetrocknet gerade mal siebzig Kilo inklusive Plattfüsse auf die Waage bringt und sich selbst Ken nennt, weil er dem männlichen Pendant zu Barbie gerne ähnlich wäre. Ist er aber so ganz und gar nicht und darum hockt er in einem vergessenen Blechcontainer vis-a-vis der neuen Einkaufszentrums, in dem früher die Bauleitung untergebracht war. Arbeit gibt es für den Knilch eigentlich nicht, den Japaner haben kein Privatleben und so braucht es wohl auch keinen Privatdetektiv. Ergo bleibt dem Möchtegernermittler nur, seine geliebten Megaman-Mangas zu lesen, aus denen er seine tiefschürfenden Berufsgeheimnisse erlernt.

Doch eines Tages trampelt jemand die Blechstiegen des Containers hoch und tritt in das Behelfsbüro ein. Einer von den ganz reichen, japanischen Industriebossen, namens Takahana stellt zwei Köfferchen auf den Tisch, in denen sich schlappe zehn Millionen Dollar befinden, die Hamada schleunigst nach Deutschland bringen soll, denn der dortige Repräsentant des Unternehmens benötigt dringend Lösegeld für seinen entführten Sohn.

Hamada, der das typische Deutsch spricht, das gelehrte Japaner so von sich geben, rühmt sich auch einer Affäre mit einer deutschen Frau ,und so macht er sich mit Feuereifer ans Werk, um endlich deren Heimat zu sehen und seine Sprachkenntnisse auszuprobieren. In Furankufuruto, wie Japaner Frankfurt bezeichnen, wird Ken erstmal von den bedauernswerten Eltern des entführten Jungen in ein japanisches Restaurant zum Essen ausgeführt. Allerdings scheint deutsches Bier nicht unbedingt für einen japanischen Magen geeignet zu sein und den ansonsten trinkfesten Detektiv haut es gehörig aus den Pantoffeln.

Als er wieder zu sich kommt, liegt er auf einer Wiese und sein Klient liegt neben ihm. Kopflos! Eines dieser japanischen Schwerter, die man Katana nennt und die auch der Firma des Opfers den Namen gegeben haben, hat das Haupt fein säuberlich vom Rumpf getrennt. Und Kenji steht nun da und alles sieht danach aus, als wäre er der Ninja-Killer mit dem Nipponsäbel. Abhauen heißt die Devise und genau das macht unser Superheld. Er forscht die Wohnung seiner Exfreundin Susanne aus und flieht zu ihr, unwissend, dass die frühere Flamme heute als Regional Assistant Manager bei Katana tätig ist.

Irgendjemand hat den leicht naiven Kenji kräftig geleimt und versucht ihn als Sündenbock hinzustellen. In den Zeitungen als wüster Killer dargestellt und von den Behörden gesucht, plagt sich unser kleiner Japaner ab sofort mit seiner Bekannten, um herauszufinden, wer hinter diesem ganzem Schlamassel in Deutschland und Japan steckt. Und dabei stolpert er von einem Verrat zum nächsten, bis es ihm endlich gelingt...

Schon auf den ersten Seiten musste ich laut auflachen. Vor über zwanzig Jahren besuchte mich das erste Mal mein japanischer Freund Kimihiko in Wien. Er hatte am Goetheinstitut in Tokio Deutsch studiert und war schriftlich ein grammatisches As. Als er jedoch seine erste deutsche Konversation im Kreise meiner Familie über sich (und uns) ergehen ließ, griffen wir umgehend auf die Gebärdensprache zurück. Mittlerweile kann er seine Sprachübungen, aber wir lachen noch immer darüber, wie er meine Mutter bat, ihm sein Lieblingsessen zu kochen, nämlich "Watasipatati". Wer von euch käme darauf, dass es sich dabei um Petersilienkartoffel handelt?

Anhalts Detektiv Hamada kann man nicht einmal als Karikatur bezeichnen. Wer sich mit Japanern hierzulande und auch in deren Heimat beschäftigt hat, entdeckt in jeder Darstellung die rührende Faszination dieses Volkes, dessen Verhängnis wohl der plötzliche Übergang vom japanischen Altertum zur Moderne ist. Aus jedem Wort des Autors spricht seine Kenntnis von den uns unverständlichen Sitten und Gebräuchen und dem Zwiespalt in denen die Burschen (und natürlich Mädchen) gelangen, wenn sie plötzlich in unseren Kulturkreis gestoßen werden.

Daraus allein ergibt sich schon genügend Witz, aber Gert Anhalt hat auch in die Story genügend Überraschungen verpackt und daraus ein spannendes und humorvolles Krimikleinod entwickelt, dass von der ersten bis zur letzten Seite fesselt.

Tote mögen kein Sushi

Gert Anhalt (Raymond A. Scofield), Knaur

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