Der Jadereiter

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2004
  • 11
  • London: Bantam, 2003, Seiten: 329, Originalsprache
  • München: Piper, 2004, Seiten: 469, Übersetzt: Sonja Hauser
  • München: Piper, 2006, Seiten: 469, Bemerkung: Ungekürzte Taschenbuchausgabe
  • München; Zürich: Piper, 2007, Seiten: 469
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Jörg Kijanski
40°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2004

Atmosphärisch dicht, die Story letztendlich enttäuschend

Wer jemals Urlaub in Bangkok gemacht und auf der Sukhumvit Road im Stau gestanden hat, der ist gleich zu Beginn dieses Romans in der fremdländischen Atmosphäre "zuhause". Kollabierender Verkehr, korrupte Polizisten an jeder Ecke sowie das allgegenwärtige Drogen-, Schmuck- und Rotlichtgewerbe prägen das Milieu, in dem "Der Jadereiter" spielt.

Sonchai und Pichai kennen sich von Kindheit an, nehmen gemeinsam ihre ersten Drogen und stehlen zusammen Autos bis eines Tages Pichai den örtlichen Drogenhändler erschießt. Ihre Mütter nehmen daraufhin Kontakt zu dem Vorsteher eines Waldklosters auf. Es folgen für Sonchai und Pichai zwölf Monate Askese und Meditation in der Abgeschiedenheit des Klosters. Der Buddhismus bestimmt seitdem ihr Leben und um ihr schlechtes Karma endgültig zu heilen, weist der Klostervorsteher sie an, "gute" Polizisten zu werden. Sein Bruder, Kommissar Vikorn, Chef des "Bangkoker Distrikt 8" (Orig.-Buchtitel "Bangkok 8"), nimmt die beiden in den Polizeidienst auf. Tatsächlich werden die beiden "gute" Polizisten, denn sie sind die Einzigen auf ihrer Wache, die keine Schmiergelder oder sonstige Vergünstigungen annehmen - und dementsprechend unbeliebt.

Zwanzig unter Drogen stehende Kobras

Sonchais Leben erhält jedoch einen empfindlichen Rückschlag, als sie zusammen eines Tages den Auftrag erhalten, einen grauen Mercedes zu observieren. In diesem sitzen ein schwarzer Mann sowie eine Frau. Auf der Sukhumvit Road endet die Beschattung jedoch unvermittelt, als beide in einen der üblichen gigantischen Verkehrsstaus geraten. Kurz darauf erhalten sie über Funk den Hinweis, dass der Wagen auf der Dao Phrya Bridge steht. Dort angekommen, entdecken sie um den Hals des Mannes eine große Pythonschlange, während von der Frau jede Spur fehlt. Pichai öffnet die Tür des Mercedes, um die Situation zu untersuchen. Dabei greift ihn eine im Wagen befindliche Kobra an und beißt ihn in sein linkes Auge. Sonchai greift darauf hin zur Waffe und entdeckt insgesamt 20 - unter Drogen stehende - Kobras im Auto, welche er nacheinander erschießt. Für seinen brüderlichen Partner hingegen kann er nichts mehr tun.

Kurz darauf meldet sich das örtliche FBI bei Sonchai, da der ermordete Schwarze ein US-Marine namens William Bradley war, und bietet seine Hilfe an. Während Sonchai die Wohnung Bradleys untersucht und dort die Figur des titelgebenden Jadereiters findet, wird er von einem in Motorraduniform steckenden Mann überfallen und mit einem Messer schwer verletzt. Im Krankenhaus lernt Sonchai die aus den Staaten eingeflogene FBI-Ermittlerin Kimberley Jones kennen und eine erste konkrete Spur erhalten beide, nachdem sie Bradleys PC untersuchen. Aus seinem Mail-Verkehr ergeben sich geschäftliche Kontakte zu Sylvester Warren, einem politisch und gesellschaftlich sowohl in Amerika wie auch in Asien äußerst einflussreichen Kunst- und Schmuckhändler, der vom FBI schon seit Jahren wegen des Verdachts auf Kunstfälschungen überwacht wird. Hat Bradley für Warren als Mittelsmann oder gar auf eigene Rechnung möglicherweise Jadeschmuck gefälscht und dabei versucht, Warren einige Waren zu unterschlagen?

Während sich Sonchai im Krankenhaus erholt, stellen Jones und Nape in der Wohnung von Bradley fest, dass der Jadereiter verschwunden ist. Nach Durchsicht einschlägiger Fachliteratur erfahren sie, dass die Figur aus der Sammlung von Sylvester Warren stammt, so dass sich der Anfangsverdacht erhärtet. Das FBI mailt daraufhin umgehend ein Foto des Jadereiters dem CIA, doch von dort erhalten sie die klare Aufforderung, sich aus den Ermittlungen herauszuhalten und sie den örtlichen Behörden zu überlassen. Lediglich Kimberley Jones darf Sonchai zur Seite stehen, "sofern die Ermittlungen nicht zu Warren führen".

Burdett bedient keinen biliigen Voyeurismus

Was lernen wir aus diesem Roman? Zunächst, dass nahezu jeder vierte Frau in Thailand als Prostituierte arbeitet oder sich ihren Lebensunterhalt dauerhaft von einem oder mehreren Männern gegen entsprechende Leistungen bezahlen lässt und dass die meisten Thai-Männer über alles herfallen was weiblich und möglichst jung ist. Dazu kommen die Touristen, die auch nichts anderes begehren, und schon baut sich ein Bild des vielleicht wichtigsten Wirtschaftsfaktors des Landes auf. Bei seinen zahlreichen Ausflügen ins Rotlichtmilieu muss man dem Autor jedoch zugute halten, dass er hierbei nicht einen billigen Voyeurismus bedient, sondern vielmehr versucht, die (wirtschaftlichen) Beweggründe der handelnden Personen ausführlich zu beleuchten. Gleichwohl hätte dieser Teil des Romans auch deutlich weniger Seiten in Anspruch nehmen dürfen, da er letztendlich mit der eigentlichen Story nicht direkt zu tun hat.

Ebenfalls ausschweifend und für einen Buddhismus-unkundigen Leser mehr als gewöhnungsbedürftig sind die karmischen Anwandlungen von Sonchai. So glaubt er die Lösung des Falles bereits gefunden zu haben, als er die schon angesprochene "geheimnisvolle" Frau trifft und feststellt, dass sich beide in einem ihrer früheren Leben persönlich sehr nahe standen. Auch stellt Sonchai bei mehreren Protagonisten der Story fest, welche Leben diese früher geführt haben. Als Kimberley Jones einmal anmerkt, sie fühle sich wie im Alten Ägypten entgegnet ihr Sonchai: "Erinnern Sie sich?" Ebenso ist das Ergebnis des Finales der Fußball-WM 2058 dank der Fähigkeiten des Klostervorstehers kein Geheimnis mehr.

Was nach tollem Plot aussah, verwirrt und sträubt die Haare

Pluspunkte sammelt Burdett bei der Ausgestaltung seiner Hauptfigur Sonchai sowie einigen Nebenfiguren, die durchaus vielschichtig dargestellt werden. Auch hat er das Leben in Bangkok - wie bereits eingangs erwähnt - treffend wiedergegeben und schafft somit eine akzeptable atmosphärische Dichte. Die Story (und ihre Lösung) selbst enttäuschen jedoch zunehmend. Was anfangs noch nach einem tollen Plot aussah verläuft sich zunehmend als verwirrter Unsinn. Das Finale ist einfach nur haarsträubend. Da irritiert es dann auch kaum noch, dass Sonchai und die FBI-Agentin - auf den Schlussseiten der Story - in ein Bordell investieren.

Schade, der gelungene Auftakt war viel versprechend...

Der Jadereiter

John Burdett, Piper

Der Jadereiter

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