In tiefster Nacht
- Goldmann
- Erschienen: Juni 2025
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Ein typischer Coben: wendungsreich, clever, spannend.
Als der US-Student Sami Kierce nach einer Partynacht im spanischen Málaga mit dröhnendem Schädel und einem Messer in der Hand aufwacht, nimmt der Albtraum erst seinen Anfang: Anna, das bezaubernde Mädchen aus der Disco, liegt blutverschmiert und tot neben ihm. Sami meldet sich bei der Polizei, doch als man an den Tatort zurückkehrt, ist der Leichnam verschwunden. Noch ahnt der junge Mann nicht, dass dieses Ereignis sein Leben für immer verändern wird.
22 Jahre später: Der einst erfolgreiche Detective Sami Kierce, der bei der Mordkommission des NYPD arbeitete, wurde wegen mehrerer Vergehen im Dienst suspendiert. Er hält sich mit Gelegenheitsjobs als Detektiv für eine renommierte Anwaltskanzlei über Wasser. Abends unterrichtet er an der „Academy Night Adult School“ und gibt einen Kurs in Kriminologie, als er plötzlich ein vertrautes Gesicht im Kursraum entdeckt: Anna. Auch wenn sich ihre Blicke nur einen flüchtigen Moment treffen, ist sich Sami sicher, die totgeglaubte Frau erkannt zu haben. Er setzt alles daran, Anna zu finden, weil er wissen muss, was in der verhängnisvollen Nacht in Spanien wirklich geschah.
König des US-Thrillers
Der US-Amerikaner Harlan Coben gehört sicherlich zu den bekanntesten und erfolgreichsten Thrillerautoren seiner Generation weltweit. Nachdem er zunächst Politikwissenschaft studiert hatte, arbeitete er später in der Tourismusbranche, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Seine Thriller wurden bisher in 46 Sprachen übersetzt und erobern regelmäßig die internationalen Bestsellerlisten. Harlan Coben gewann als erster Autor die drei bedeutendsten amerikanischen Krimipreisen: den Edgar Award, den Shamus Award und den Anthony Award. Bekanntheit erlangte Coben zunächst durch seine mittlerweile elfteilige Myron-Bolitar-Reihe, der weitere Spin-off-Reihen folgten. Zahlreiche seiner Romane wurden u. a. von Amazon Prime als Miniserien verfilmt.
Der Charakter des Ex-Detectives Sami Kierce dürfte fleißigen Coben-Lesern bekannt vorkommen. Bereits 2016 taucht er als Ermittler im Thriller „Fool me once“ (2016, dt. Titel: „In ewiger Schuld“), der 2024 von Netflix als Serie adaptiert wurde (siehe Krimi-Couch Serienkritik), auf.
Im Oktober diesen Jahres erscheint sein neuer Thriller „Ohne ein letztes Wort“, ein Co-Produktion des Bestsellerautors mit der Oscarpreisträgerin Reese Witherspoon, die auch die Idee für das Buch hatte.
Typisch Coben
Wer Thriller von Harlan Coben kauft, weiß zuverlässig, was er bekommt: eine packende, spannende Story voller Twists, eine überzeugende Figurendarstellung, die Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart sowie haufenweise - zumeist familiäre - Konflikte. Auch diesmal versteht es der US-Autor mit diesen Zutaten, eine unterhaltsame Geschichte zu schreiben. Insgesamt sind Coben-Romane auf einem hohen Niveau, aber es sind selten Thriller der Extraklasse. Dafür ist sein erfreulich klarer Schreibstil mittlerweile zu wenig überraschend. Dennoch erreicht er zumeist sein Ziel: Seine Romane unterhalten bestens. Dies ist auch bei seinem aktuellen Roman der Fall. Coben gelingt ein vielschichtiger Plot aus Schuld und der Macht, Erinnerung und Täuschung, der in seiner Haupthandlung zu überzeugen weiß. Manchmal lässt sich der Autor aber auch zu sehr von seiner Geschichte mitreißen und schweift dann in etwas zu epische Nebenerzählungen und Details ab.
Manchmal etwas zu viel
Etwas störend ist diesmal die Parallelhandlung, bei der es um einen entlassenen Straftäter geht, der Kierces Verlobte Nicole, die ebenfalls bei der Polizei arbeitete, vor Jahren ermordete. Tad Grayson bestreitet aber bis heute die Tat und bittet den Ex-Cop, gemeinsam mit ihm nach dem wahren Mörder zu suchen. Nicht nur Kierces Ehefrau Molly - vielleicht die interessanteste Figur des Romans - ahnt schnell, dass dieser Fall mit der Suche nach Anna irgendwie zusammenhängt. Verbindungen zwischen den Fällen gibt es tatsächlich, aber ganz anders als man als Leser denken mag. Das Problem, welches nicht nur hier im Roman deutlich wird, ist, dass Coben gleich mehrere Verknüpfungen und Zufälle zu stark konstruiert, auch wenn einige Twists ansonsten gar nicht möglich wären.
Dafür punktet der Roman mit der Gruppe aus Rentnerinnen, Hobbydetektiven und gescheiterten Existenzen, die an Kierces Seminar „No shit, Sherlock“ teilnehmen und sich kurzer Hand an den Ermittlungsarbeiten beteiligen. Selbstredend stellt deren Recherche frühere Untersuchungen des FBI in den Schatten, was doch etwas zu viel des Guten ist, auch wenn deren Vorgehen absolut realistisch erscheint. Vor allem aber sorgen die Seminarteilnehmer für die nötige Prise Humor.
Fazit
Coben ist einfach ein Meister des kurzweiligen Thrillers. Auch wenn es sicherlich spannendere Romane des US-Autors gibt, gelingt ihm erneut ein packender Thriller, der zwar ab und an seine Längen hat, aber insgesamt mit einer guten Geschichte und Humor zu überzeugen weiß.

Harlan Coben, Goldmann
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