Im Sturm der Macht

  • Lübbe
  • Erschienen: Oktober 2023
  • 3
Im Sturm der Macht
Im Sturm der Macht
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Thomas Gisbertz
82°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2023

Ein hochaktueller und brisanter Thriller, der erschreckend nah an der Realität ist.

Helsinki 2028: Der ehemalige Ministerpräsident Finnlands, der 35-jährige Leo Koski, kehrt inkognito ein Jahr nach seiner Flucht auf Einladung des Milliardärs und Anwalts Ingvar Neufville aus dem spanischen La Zagaleta in die finnische Heimat zurück. Er hofft darauf, seine Geliebte Emma Erola, die einstige Führungsfigur der politischen Linken im Land, vor einer Verurteilung zu bewahren, da diese wegen Hochverrats angeklagt wurde. Auf Druck der konservativen Regierung soll die charismatische Politikerin schnellst möglich verurteilt und somit ein warnendes Beispiel für alle Linksradikalen werden, die immer noch davon träumen, die Konservativen vom Thron zu stoßen.

Die politische Lage in Finnland, aber auch im Rest Europas hat sich in den letzten Monaten zugespitzt. Im gleichen Takt, wie die Migrationsströme zunehmen, flammen in Europa politische Unruhen auf. Die Länder Süd- und Osteuropas verfolgen seit längerem im sogenannten FAST-Verbund eine strenge Linie. Mittel- und Nordeuropa hält dagegen noch an den Prinzipien der Menschenrechte und den Verträgen zum Schutz von Flüchtlingen fest. Bei einem Treffen der Präsidenten Finnlands und Italiens am Tag der Rückkehr Koskis wird in Helsinki die finnische Ministerpräsidentin Sarianne Tavas von einem Scharfschützen aus dem Hinterhalt erschossen. Koski erkennt, dass rechtsgerichtete Kräfte auf die Macht im Land drängen und er setzt alles daran, einen Staatsputsch zu verhindern.

Hochaktueller Roman

Tuomas Oskari, geboren 1980, ist das Pseudonym von Tuomas Niskakangas. Er ist Politik- und Wirtschaftsjournalist bei Finnlands größter überregionaler Tageszeitung und war viele Jahre als Auslandskorrespondent in den USA tätig. Der dystopische Politthriller „Im Sturm der Macht“ ist der Nachfolgeband seines viel beachteten und preisgekrönten Romandebüts „Tage voller Zorn“. Beide Romane beschreiben auf hochspannende Weise die Gefahren, denen demokratische Gesellschaften aktuell ausgesetzt sind.

Im Zentrum des Romans steht diesmal der Umgang mit der Flüchtlingskrise in Europa und der immer größer werden Macht rechtspopulistischer Kräfte sowie postfaschistischer Parteien. Kurz vor Veröffentlichung des Romans wurde das dargestellte Szenario zur Wirklichkeit: Seit diesem Sommer stellt in Finnland die rechst gesinnte Partei der „Wahren Finnen“ die zweitstärkste Kraft in der Regierung und die stellvertretende Premierministerin Riikka Purra fällt immer wieder mit offen rassistischen Hetzbotschaften auf. Oskari geht in seinem Roman aber noch weiter, indem er zahlreiche Analogien zwischen der NS-Zeit in Deutschland und der Gegenwart herstellt.

Demokratie im Diskurs

Das aktuelle Werk Oskaris profitiert von dessen Expertise als langjähriger Politik- und Wirtschaftsjournalist. Er greift unter anderem bekannte Analyse des US-Historikers Benjamin C. Hett zum „Tod der Demokratie“ oder die Ansicht des US-Politikwissenschaftlers und Direktor des „Center of Democracy, Development and the Rule of Law“ Francis Fukuyama auf, der die Überlegenheit der liberalen Demokratie postuliert. Unter anderem aus der Diskussion dieser Ansätze durch die Protagonisten zieht der Roman seine große Stärke. Es ist aber ein schmaler Grat zwischen der Darstellung politischer und gesellschaftlicher Themen und Strömungen einerseits und einem spannenden und unterhaltsamen Thriller andererseits. Während im ersten Band der gut recherchierte Hintergrund mit dem richtigen Maß dargestellt wird, reicht die Geschichte rund um Leo Koski diesmal nicht ganz an das Niveau von „Tage voller Zorn“ heran, weil vor allem das Handeln und Auftreten einiger Figuren zu klischeehaft wirkt und der Plot zu vergleichbar mit dem Vorgängerband erzählt wird.

Rechtsextreme Strömungen

Oskari stellt seinem Protagonisten diesmal die taffe Sara Hegering an die Seite. Die junge Frau studiert eigentlich Geschichte und forscht dabei zum Zweiten Weltkrieg, weil dieser ein Beispiel dafür sein könne, wie faschistische Bewegungen ihre Macht auch in Zukunft festigen könnten. Sara schleuste sich zu „Forschungszwecken“ vor zwei Jahren in die „Heimatschutzgarde für Nationale Sicherheit“ ein. Diese rassistische und rechtsextreme Organisation plant mit der Unterstützung aus Polizeikreisen ein Anschlag, der Finnland in seinen Grundfesten erschüttern soll. Gemeinsam mit Koski versucht Hegering nun die geplante „Operation Asgård“ zu verhindert, um einem Regierungsumsturz zuvor zu kommen.

Fazit

Tuomas Oskari hat ein Gespür für die politische und gesellschaftliche Situation in Finnland. Sein exzellent recherchierter Hintergrund stellt wie schon im Vorgängerband einen erfreulichen Mehrgewinn dar. „Im Sturm der Macht“ ist ein starker Politthriller, der tief in die (projizierten zukünftigen) gesellschaftlichen und politischen Strukturen Finnlands blicken lässt und der gleichzeitig mit einem spannenden Plot zu überzeugen weiß.

Im Sturm der Macht

Tuomas Oskari, Lübbe

Im Sturm der Macht

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