Tage voller Zorn

  • Lübbe
  • Erschienen: November 2022
  • 4
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Thomas Gisbertz
92°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2022

Ein starker Thriller - aktuell, packend und hochbrisant

Helsinki 17. Dezember 2027: Die junge Reinigungskraft Lumi Nevasmaa übergießt sich am Vorabend einer Massenkundgebung vor der Wohnung eines Millionärs und einflussreichen Lobbyisten mit Benzin und zündet sich selber an. Ein qualvoller Tod, der zum politische Brandbeschleuniger wird und das Machtgefüge ins Wanken bringt. Die junge Frau hatte zuvor drei Briefe verschickt, um die finnische Bevölkerung aufzurütteln. In dieser aufgeheizten politischen Situation wendet sich Ministerpräsident Leo Koski das erste Mal von seinen Unterstützern und Geldgebern ab und versucht, sich mutig der drohenden gesellschaftlichen Spaltung entgegen zu stellen. Aber auf wen kann er noch zählen? Auf seinen Ziehvater und reichsten Mann Finnlands, Pontus Ebeling? Oder auf die Führungsfigur der Linken, Emma Erola? Als man den Ministerpräsidenten aus seinem Amt drängen will, bleiben Koski nur 24 Stunden, um sein Land vor einer Katastrophe und unzähligen Toten zu bewahren.

Bestens recherchierter Thriller

Tuomas Oskari, geboren 1980, ist das Pseudonym von Tuomas Niskakangas. Er ist Politik- und Wirtschaftsjournalist bei Finnlands größter überregionaler Tageszeitung und war viele Jahre als Auslandskorrespondent in den USA tätig. Der dystopische Wirtschaftsthriller „Tage voller Zorn“ ist sein viel beachtetes und preisgekröntes Romandebüt. Von der Literaturkritik seines Landes wurde der Thriller durchweg begeistert aufgenommen und ein Bestseller. Er beschreibt darin auf hochspannende Weise und zugleich sehr fundiert die Gefahren, denen demokratische Gesellschaften aktuell ausgesetzt sind.

Sechs Jahre lang schrieb Oskari an seinem Debütroman, für den er intensiv recherchierte und dessen Schauplätze er allesamt auch aufgrund seiner guten Kontakte besuchen konnte. In beängstigender Weise zeichnet der finnische Autor in seinem Roman ein ebenso dramatisches wie realistisches Szenario, in dem eine Wirtschaftskrise, die Konzentration von Reichtum und das damit verbundene Gefühl von ökonomischer Ungleichheit in der nahen Zukunft eine Kette katastrophaler Ereignisse auslösen. Dabei vermischt er Fakten und Theorien mit einem starken Plot zu einem rasanten Thriller, der den Leser von Beginn an fesselt.

Nach dem großen Erfolg des Debütromans in Finnland hat Oskari bereits den Nachfolgeband fertiggestellt, in dem viele bekannte Figuren wiederkehren. Der Lübbe Verlag beweist einmal mehr nach Max Seeck und Arttu Tuominen, dass er ein Gespür für hervorragende finnische Autoren besitzt.

Die Macht der Mächtigen

Leo Koski, der junge charismatische Ministerpräsident Finnlands, ist erst seit 188 Tagen im Amt. Was niemand weiß: Er ist nur die Marionette einer Gilde reicher Männer. Formell besitzt dieser „Geheimbund“ keinerlei Macht, aber in der Praxis ist sein Einfluss nahezu unbegrenzt. Dabei beruht die Macht des Eliteklubs allein auf dem Geld, mit dem großzügig bürgerlich-konservative Politiker unterstützt und dadurch erpressbar werden. Gleichzeitig haben diese mächtigen Männer die führenden finnischen Großunternehmen in ihrer Hand. Die Spaltung der Gesellschaft und die zunehmende Armut in weiten Teilen der Bevölkerung sind ihnen gleichgültig. Keine politische Entscheidung wird ohne Zustimmung der Gilde getroffen. So stellt es einen großen Affront dar, dass sich nun ausgerechnet Premier Leo Koski gegen jene Männer stellt, die ihn nach einem Skandal im letzten Sommer zum Vorsitzenden der Sammlungspartei und damit zum Ministerpräsidenten der rechts-bürgerlichen Koalition erhoben haben. Dass dies nicht folgenlos bleibt und Kolski um sein Leben fürchten muss, kommt daher nicht überraschend.

Finnische Crime Time

Oskaris Debütroman verbindet Elemente des Politthrillers mit denen eines Gesellschaftsromans. Dabei greift der Autor mit der finanziellen Ungleichheit in der Bevölkerung ein hochaktuelles, brisantes Thema auf, das sich durch die derzeitige politische und wirtschaftliche Krise noch weiter verschärft. Die gesellschaftliche und finanzielle Schere geht im Roman soweit auseinander, dass es eigentlich keine Mittelschicht mehr gibt. Das Vermögen der Reichen wächst weiter, die Zahl der Armen nimmt exponentiell zu. Die Gesellschaft ist tief gespalten und es drohen Umsturzversuche der rechts-konservativen Koalitionsregierung durch linke Kräfte. Wie in diesem Konflikt eine denkbare Lösung aussehen kann, das thematisiert Oskari in seinem Roman anhand verschiedener Ansätze und Theorien. Dies wird aber so clever in die Plot eingewebt, dass die Spannung dadurch in keiner Weise leidet. Im Gegenteil: „Tage des Zorns“ ist voller Action, klugen Twists und starken Figuren. Ein echter Pageturner, den man nicht mehr aus der Hand legt. Oskari lässt dem Leser kaum Zeit zum Luftholen.

Fazit

 Lassen Sie sich diesen beeindruckenden Roman nicht entgehen. „Tage voller Zorn“ ist einer der besten und spannendsten Thriller des Jahres! Kaum zu glauben, dass Tuomas Oskari hiermit seinen Debütroman vorlegt. Ein düsterer, temporeicher Thriller in bester Tradition skandinavischer Spannungsliteratur. Ein Buch, wie gemacht für kalte Wintertage.

Tage voller Zorn

Tuomas Oskari, Lübbe

Tage voller Zorn

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