Frost

  • btb
  • Erschienen: November 2021
  • 2

- Übersetzung: Anika Wolff

- Fortsetzung der HULDA-Trilogie

- Originaltitel: "Hvítidauði"

- Taschenbuch, Klappenbroschur

- 304 Seiten

Frost
Frost
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Carola Krauße-Reim
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2022

Was geschah im Tuberkulose-Sanatorium?

Ragnar Jónasson gehört zu den wohl bekanntesten Autoren Islands. Nach seiner „Dark-Iceland“-Reihe startet er jetzt mit „Frost“ eine unabhängige Ergänzung zur „Hulda“-Trilogie, denn Protagonist ist Helgi, der Nachfolger Huldas bei der Reykjavíker Polizei.

Helgi schreibt seine Abschlussarbeit

Helgi steht am Ende seines Kriminalistik-Studiums. Für seine Abschlussarbeit widmet er sich einem der bekanntesten Fälle der isländischen Polizei: 1983 wurden im Norden der Insel, im stillgelegten Tuberkulose-Sanatorium der Stadt Akureyri, eine Krankenschwester und ein Arzt tot aufgefunden. Helgi ist nicht vollends überzeugt von den Ergebnissen und Schlussfolgerungen seiner Kollegen damals, weshalb er für seine Arbeit Kontakt mit den damaligen Kollegen der Toten aufnimmt. Doch damit sticht er in ein Wespennest, das bald ein weiteres Opfer fordert.

Ruhig erzählt mit durchgehender Spannung

Wer Ragnar Jónassons bisherige Bücher kennt, weiß, dass er sich auf einen Thriller freuen darf, in dem die Spannung stetig ansteigt, obwohl der ruhige Schreibstil anfangs vielleicht das Gegenteil vermutet lässt. Immer wieder in den Zeiten springend und mit unterschiedlichen Hauptpersonen, halten die meist recht kurzen Kapitel Überraschungen und Wendungen bereit, die das Geschehen immer aus einem anderen Blickwinkel betrachten und es damit ganz langsam entwickeln. Hier spielen weniger Schockmomente, Brutalität und ständige brenzlige Situationen eine Rolle, als viel mehr ausgeklügelte Psychologie, die zu einem tragischen Schluss führt und, die nicht zuletzt durch eine gute Figurenzeichnung transportiert wird.

Hervorragend dargestellte Charaktere tragen die Geschichte

Protagonist ist Helgi, ein ebenso einfühlsamer wie neugieriger Polizist, der nicht nur mit seiner Abschlussarbeit zu kämpfen hat, sondern auch mit weitreichenden persönlichen Entscheidungen und Bergþóra, seiner alkoholabhängigen Frau. Die Zerrissenheit dieses Mannes ist fast schon greifbar, vor allem, wenn er sich im Büro von Hulda wiederfindet, in das er von Chef Magnús gedrängt wurde und das noch ganz Huldas Handschrift trägt (wie sie diesen Schritt erlebt hat, wissen Kenner der Hulda-Trilogie aus „Dunkel“).

Doch auch die anderen Figuren lassen die Rivalität, die mögliche Arroganz und das Hierarchie-Denken in einem Krankenhaus, spürbar werden. Doch auch die Ellenbogen- und Machokultur bei der Polizei wird wieder einmal überdeutlich, denn Hulda assistierte 1983 in diesem Fall und wurde einmal mehr von einem arroganten und unfähigen Chef ignoriert – wie es 2012 übrigens nicht anders ist. Die ausgewogene Mischung aus persönlichen Details und fallbezogenem Handeln macht einen großen Teil der ständigen Spannung im Buch aus. Doch auch die wieder einmal gut eingefangene Atmosphäre punktet. Island mit seinen einsam gelegenen Siedlungen; den Menschen, die oft mit Einsamkeit, Depressionen und Alkohol zu kämpfen haben und die wirtschaftliche Situation 2012 sind der Hintergrund, vor dem sich ein Fall entwickelt, der eigentlich schon als aufgeklärt gilt. 

Der Bezug zu Hulda ist allgegenwärtig

Wer Hulda durch “Dunkel“, „Insel“ und „Nebel“ gefolgt ist, hat bestimmt ganz besonderen Gefallen an „Frost“. Denn, wie schon erwähnt, ist Helgi eben jener Polizisten wegen dem sie aus dem Polizeidienst genötigt wird und der nicht nur deshalb in „Dunkel“ eine wichtige Rolle spielt. Das ganze aus seiner Sicht zu lesen und gleichzeitig mit dem Wissen von Hulda die Situation sehen zu können, generiert noch einmal Spannung und Neugier. Die wird durch die Verstrickung Huldas in die Ermittlungen 1983 noch erhöht, die ihre Person noch einmal in einer, dem Leser bisher unbekannten Phase ihres Lebens zeigen. Es ist wie ein Wiedersehen mit einer alten Bekannten und gleichzeitig vom Autor eine gut eingesetzte Werbung für seine Hulda-Trilogie.

Fazit

„Frost“ ist ein Meisterexemplar des Nordic-Noirs! Düster in der Grundstimmung, mit ausgefeilten Charakteren in ruhig erzählter Geschichte, verknüpft es durchgehend spannend Vergangenheit und Gegenwart. Es lässt Hulda noch einmal lebendig werden und macht mit einem Cliffhanger einen Folgeband möglich, auf den ich mich jetzt schon freue!

Frost

Ragnar Jónasson, btb

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