Achtsam Morden

  • Heyne
  • Erschienen: Juni 2019
  • 21
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Sabine Bongenberg
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2019

Speziell aber gut

Björn Diemel ist Anwalt, und als typisches Kind seiner Zeit muss er so viele Bälle in der Luft halten, dass sein Leben einem hektischen Hin- und Hergezappel nach einer immer schneller werdenden Musik ähnelt. Immerhin – einem Gezappel in einem Armani-Anzug und mit einer Breitling am Handgelenk. Das Schicksal könnte härter zuschlagen, möchte man meinen. Dennoch muss der erfolgsorientierte Rechtsanwalt einsehen, dass es zwar im Gerichtssaal nach seinem Willen läuft, aber andere Dinge außer Kontrolle geraten.

So beugt er sich schließlich zähneknirschend dem Wunsch seiner Frau, die ihn „zur Entspannung zwingen will“ und besucht ein Achtsamkeitsseminar. Wider Erwarten findet Björn Gefallen an den neuen Botschaften, die hier verkündet werden und es gelingt ihm sein Leben in neue Richtung zu führen. Das heißt, es würde ihm gelingen, würden nicht seine kriminellen Mandanten mit aller Kraft darauf hinwirken, den neuen Björn auf dem alten Kurs zu halten.

Gewiefter Jurist erzählt Geschichte in respektlos schnodderigem Ton

Karsten Dusse lässt seinen Helden Björn Diemel seine Geschichte im respektlos schnoddrigen Ton eines gewieften Juristen erzählen, der in seiner Karriere schon einiges er- und überlebte. Nicht verschwiegen werden soll dabei, dass gelegentlich die Grenzen des guten Geschmacks überschritten werden. Was aber grundsätzlich schon wundert, ist die Konstruktion dieser Geschichte. Ein Anwalt soll seinem Mandanten, der (als dämlichster Verbrecherkönig aller Zeiten und weltweit) einen Mord mit einer zu ihm weisenden Spur in Größe der Nazca-Linien begangen hat, dabei helfen, das Verbrechen zu vertuschen und ihm bei der Flucht helfen. Bisher war mir nur bekannt, dass Anwälte bei der Ausübung ihres Berufes nicht unbedingt selbst kriminell werden müssen, aber sei’s drum.

Immerhin ist diese mehr als verfahrene Situation die, die den immer achtsamer arbeitenden Björn dazu bringt, seinen ersten Mord zu begehen, wenn auch sicherlich durch reines Unterlassen. Hier beginnt dann sein steiler Aufstieg. Wie der bisher juristisch zumindest unbescholtene Familienvater in die Rolle des Gangsterbosses gedrängt wird, und es hier schafft, eine brillante Geschäftsführung aufzubauen, das schildert Dusse witzig, lebendig aber auch abschnittsweise zynisch, und manchmal hat man doch das Gefühl, das Lachen müsse im Halse stecken bleiben.

Das große Thema „Achtsamkeit“ kommt in diesem Buch auch nicht zu kurz und so wird jedem Kapitel ein Auszug aus dem „Achtsamkeitshandbuch“ des fiktiven Coaches Joschka Breitner vorausgestellt und im folgenden Text dann abgearbeitet. Ob man will oder nicht, erfährt man hier noch so einiges über dieses Thema und wer auch – wie ich – bisher eher skeptisch mit der „Achtsamkeit“ agierte, sieht hier, dass gewisse Grundkenntnisse zumindest mal nicht schaden müssen. Hilfreich ist aber auch, dass diese Kapitelüberschriften im Zweifel auch nur überflogen werden können.

“Achtsam morden“ legt seinen Schwerpunkt auf die humorvoll erzählte Geschichte und das ist auch gut so, denn auch wenn der Held so sauber, planvoll und eben achtsam arbeitet, wie es nur geht, würde im Angesicht der modernen Spurensicherung und der Tatortanalyse auch sein grundsätzlich raffinierter Plan nicht funktionieren. Oder – wie der Kölner Kriminalbiologe Mark Benecke weiland sagte – „Irgendwo vergessen sie immer zu putzen.“

Für einen gut strukturierten Krimi sind es auch ein paar zu viele Namen und Figuren, die hier auftauchen und dazu geeignet sind, den Leser, der nur eine leichte und frische Urlaubslektüre zu erwartet, zu verwirren. Nicht zuletzt kommt die Botschaft, dass alles, wonach sich der heutige moderne Mensch sehnt, nicht Glück, Reichtum oder Gesundheit sind, sondern ein Kindergartenplatz für sein Kind, ein wenig zu überdimensioniert und zu überbetont vor, aber das soll es denn auch schon an Gemecker sein.

Fazit:

“Achtsam morden“ ist eine frische Urlaubslektüre, die entspannt mit der heutigen Suche nach Entspannung und Wahrheit in einer immer verrückter werdenden Welt spielt und damit einen neuen Anachronismus erschafft. Grundsätzlich vermutet doch jeder in der Achtsamkeit einen besonderen Sanftmut, und somit ist das Spiel mit der konzentrierten Aufstellung, die sich hier nicht auf das Leben, sondern auf den Tod richtet, eine ungewöhnliche neue Sicht – die sich aber irgendwann auch langsam abläuft. Dennoch – Pool, Liege, Kaltgetränk, Buch – passt.
 

Achtsam Morden

Karsten Dusse, Heyne

Achtsam Morden

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