West of Liberty

  • C. Bertelsmann
  • Erschienen: März 2019
  • 1
West of Liberty
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Andreas Kurth
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2019

Bei alten Seilschaften müssen die Taue stabil sein

Wenn man als Leser vorab informiert ist, dass ein Buch verfilmt wurde, und man den Hauptdarsteller schon häufig auf der Leinwand gesehen hat, kann es passieren, dass man diese Person während der Lektüre genau vor Augen hat. So ist es mir während des Lesens mit Ludwig Licht und seinem Darsteller Wotan Wilke Möhring gegangen. Eine Idealbesetzung - die Rolle scheint dem Schauspieler auf den Leib geschrieben zu sein. Das sieht der Autor übrigens genauso, auch wenn er mit der Besetzung nichts zu tun hatte. Im Interview mit der Krimi-Couch sagt Thomas Engström: “Wotan Wilke Möhring ist umwerfend als Ludwig Licht, und ich könnte mit dem Ergebnis nicht zufriedener sein. Als ich die Serie zum ersten Mal am Stück angeschaut habe, war ich überwältigt.”

“West of Liberty” ist der erste von vier Bänden um den Ur-Berliner Ludwig Licht, und wurde in einer schwedisch-deutschen Koproduktion als sechsteilige Mini-Serie verfilmt. Das Werk wird laut Information aus der Pressestelle des Senders im Spätherbst beim ZDF ausgestrahlt - so jedenfalls die derzeitige Planung in Mainz. Und das Drehbuch zum zweiten Teil, “South of Hell” ist bereits in Arbeit.

Wenn es speziell wird, ist Ludwig Licht immer noch gefragt

Ludwig Licht, ehemaliger Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, wurde 1984 von Clive Berner für die CIA als Doppelagent rekrutiert. 2011, über 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, ist Berner mittlerweile Stationschef der CIA in Berlin - und greift zuweilen noch ganz gerne auf die diskreten Dienste von Licht zurück. Vor allem dann, wenn es etwas speziell wird im Spionage-Geschäft.

Der ehemalige Stasi-Mann schlägt sich mehr schlecht als recht mit zwei Lokalen in der deutschen Hauptstadt durch, die ihm gehören, aber eher Verluste als Gewinne abwerfen. Also ist Licht weiterhin für jeden Auftrag der CIA dankbar, vor allem wenn es um scheinbar so einfache Dinge geht, wie das Abholen einer Anwältin aus einem kleinen Kaff in der brandenburgischen Provinz. Es handelt sich allerdings um Faye Morris, eine enge Mitarbeiterin von Lucien Grell, des Chefs der bei den Amerikanern verhassten Whistleblower-Organisation Hydraleaks. Ludwig ist also in etwas hineingeraten, das er zunächst überhaupt nicht durchschauen kann. Aber wegen seiner Schulden sitzt ihm ein Boss der russischen Mafia im Nacken - Aussteigen ist für ihn also keine realistische Option.

Ein toller Bursche - auch wenn er Dinge tut, die zu verurteilen sind

Ludwig Licht ist der zentrale Protagonist dieses Thrillers, immerhin dreht sich die Mini-Serie mit vier Büchern komplett um seine Person. In meinen Augen ist er ein typischer Berliner, leicht verpeilt, aber dann hochkonzentriert, wenn es wirklich darauf ankommt. Ob er auch ein typischer Ostdeutscher ist, kann ich nicht so genau sagen. Vielleicht klärt sich diese Frage im zweiten Band der Reihe etwas besser.

Seine finanziell prekäre Lage ist ihm durchaus bewusst, aber irgendwie kann er auch nicht aus seiner Haut. Er will eines seiner zwei Etablissements verkaufen, wundert sich aber nicht wirklich, dass es enorm schwer ist, einen Käufer dafür zu finden.

Bei der Lösung seiner zentralen Probleme sind ihm Regeln und Gesetze ziemlich egal. Mehr sei hier nicht verraten, um nicht zu spoilern, aber es ist schon hammerhart, was der Doppelagent da so veranstaltet. Aber bei der Stasi hat man eben gelernt, nicht allzu zimperlich zu sein, und bei der CIA hat Licht auch nicht gerade beigebracht bekommen, sich wie im Mädchenpensionat zu benehmen. Die moralisch schwierige Frage, ob man so einen Menschen wie Ludwig Licht, der auch über Leichen geht, cool und sympathisch finden darf, hatte ich beim Lesen und Besprechen von Büchern schon öfter. Hier habe ich mich kurzerhand entschieden: Ich finde den Burschen klasse - auch wenn er Dinge tut, die zu verurteilen sind.

Clive Berner wird gestutzt - bleibt aber eine wichtige Figur

Da Ludwig Licht so dominant ist, verblassen die anderen Figuren ihm gegenüber etwas. Faye Morris und Lucien Grell spielen zwar beide eine jeweils wichtige Rolle, kommen als Figuren aber nicht so recht ins Rampenlicht. Der Kopf von Hydraleaks wird als sturer Sonderling gezeichnet, aus dem man als Leser aber nicht so recht schlau wird. Die Anwältin ist vor allem auf ihr eigenes Schicksal bedacht, und wird vom Geheimdienst in besonderer Weise behandelt. Ludwig Licht hat direkt vor allem mit Faye Morris zu tun, die ihm weitgehend suspekt bleibt. Eine Vertrauensbasis entsteht zwischen den beiden nicht - jedenfalls nicht in diesem ersten Band.

Mehr Gewicht hat da schon Clive Berner. Wer bei Netflix “Berlin Station” gesehen hat, kann nachempfinden, dass der Stationschef der CIA eine große Nummer ist. Berner wird hier allerdings von der Sektionschefin für Europa ziemlich gestutzt - aber der Autor hat im Interview schon verraten, dass Berner auch in den weiteren Bänden der Reihe eine wichtige Rolle spielen wird.

Der Plot erscheint zunächst einfach gestrickt. Whistleblowerin bietet Geheimdienst Informationen an, der sofort hochgradig interessiert ist. Im Roman - wie im richtigen Leben - ist es aber etwas komplizierter. Das liegt an den besonderen Umständen, aber vor allem an den handelnden Personen. Thomas Engström hat hier einige Wendungen und Stolperdrähte eingebaut, die den Protagonisten das Leben schwer und dem Leser die Lektüre interessant machen.

Fazit:

“West of Liberty” ist der überaus spannende erste Teil einer kleinen Serie mit einem mehr als speziellen Protagonisten und einer sehr plausiblen Handlung. Der Thriller entwickelt von Beginn an einen großen Sog, die Dialoge wirken authentisch, die Schauplätze üben eine zusätzliche Faszination aus. Die Jagd der CIA auf die Whistleblower dürfte in der geschilderten Form ziemlich nahe an der Realität sein. “South of Hell” wird zeigen, wie es mit Ludwig Licht weitergeht. Ich freue mich schon darauf.

West of Liberty

Thomas Engström, C. Bertelsmann

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