Zehn Stunden tot

  • Ullstein
  • Erschienen: Mai 2019
  • 17

aus dem Schwedischen von Katrin Frey
Originaltitel: Motiv X / Originalverlag: Forum
Klappenbroschur ca. 390 Seiten

Zehn Stunden tot
Zehn Stunden tot
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Annette Wolter
95°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2019

Ein Würfelspiel, ein alter Verdacht und die Hölle zu Hause

Eine Frau in den mittleren Jahren will ihren Mann verlassen, plant ihren letzten Abend mit ihm bevor sie mit ihrem Geliebten verschwindet. Der Mann wollte sie nach Paris einladen. Doch dann landet sie gefesselt im Wald. Was ist da passiert?

Fabian Risk ist wieder da. Er muss zu Hause versuchen, alles wieder ins Lot zu bringen, denn seine kleine Tochter liegt im Koma in der Klinik, seine Frau hasst ihn und sein Sohn hat mit Waffen gespielt. Seit einem gewissen Vorfall, hat Risk keinen Zugang mehr zu seiner Familie. Risk ist total verzweifelt, aber der Ermittler in ihm gibt keine Ruhe.

Von seiner Polizeiarbeit ist Risk zwar freigestellt, aber er ermittelt heimlich in der Sache seines Kollegen „Morlander“, denn er verdächtigt mehrere Morde begangen zu haben. Das ist geheim. Risk hat höllische Angst vor seinem gerissenen Kollegen.

Auch Irene Lilja hat kein Glück

Seine Kollegin Irene Lilja muss sich um einen unmenschlichen  Mord an einem syrischen Jungen kümmern. Lilja geht einer Spur nach, die ins rechtsradikale Milieu führt, das auch im einst so liberalen Schweden,  ordentlich Zuwachs bekommen hat. Sogar ihr Kollege und ihr Lover scheinen auf dem Trip zu sein,  und die Chefin auch noch weg  zum Alkoholentzug. 

Der Würfelspieler von Helsingborg

Es gibt dann noch jemanden dessen Geschichte parallel erzählt wird, und dabei geht es um einen Mörder. Ein Mann würfelt und lässt verschiedene Kriterien gelten, wie zum Beispiel Farben. Dabei werden die potentiellen Opfer zufällig ausgewählt. So lässig das klingt, die Ausführung ist pervers und der Mörder hinterlässt keine Spuren. Verbindungen lassen sich so nicht herstellen.Helsingborg ist also nicht mehr der idyllische Ort an der schwedischen Küste, der er mal war.

Ist was faul im Staate Dänemark?

Hier kann man durchaus mit einem klaren ja antworten, alleine der widerliche Polizeiboss Kim Sleizner, der angeblich noch eine Rechnung mit Dunja Hougaardt offen hat, ist es wert, Hamlet zu zitieren. Auch Fabian sucht sie, denn Dunja hat seinem Sohn im letzten Buch das Leben gerettet, und er hat einiges zu klären. Aber sie taucht nicht auf.

Es kommt wie es kommen muss

Natürlich muss Fabian dann doch noch zurückkommen und die heißen Kartoffeln aus dem Feuer holen, denn das Team ist hoffnungslos überfordert, aber er gibt sich trotzdem zu Hause mehr Mühe. Hier kommt es dann zu einem absoluten Drama.

Das sind einige Handlungsstränge, die man als Leser koordinieren muss. Daher empfehle ich „Ahnhem Neulingen“, die Bücher chronologisch zu lesen, oder zumindest den Vorgänger. Wenn man hier die Personen, wie zum Beispiel Dunja, nicht zuordnen kann, lässt das wahrscheinlich Fragen offen. Die verschiedenen Handlungsebenen entwickeln sich und jedes Kapitel endet mit einem Cliffhänger.

Fabian Rist trägt alles auf seinen Schultern

Fabian gefällt mir auch diesmal als Hauptfigur und in sich zerrissener Mensch sehr gut. Er will immer das Richtige, macht aber dann das Falsche. Risk möchte seine Familie zusammenhalten, kann sich aber nicht einmal richtig zusammenreißen.  Auch wenn Ehefrau Sonja ihm die kalte Schulter zeigt, sein Sohn Theodor schwerwiegende Geheimnisse hat und seine Tochter mehr auf einen Geist hört, als auf ihren Vater. Trotzdem steht er in der Küche und macht Lasagne.

Die Story ist bis zum Schluss absolut packend

Die Story ist durchgängig spannend, fesselnd und auch emotional, denn wie könnte man nicht emotional werden, wenn ein Kind in der Waschmaschine zu Tode geschleudert wird. Gerade Irene Lilja nimmt diesen Fall sehr persönlich und gerät selbst ins Fadenkreuz brutaler und abscheulicher Täter.

Stefan Ahnhem hat mit seinem neuen Thriller wieder einmal gezeigt, dass er in die obere Liga der skandinavischen Autoren gehört, oder auch in die Oberliga aller Thriller-Autoren weltweit. Auch dass der Autor ein routinierter Drehbuch-Schreiber ist, tut dem keinen Abbruch. Unerbittlich dreht er an der Spannungsschraube. Nichts ist wie es scheint. Niemand ist, wer er zu sein scheint. Immer neue Fragen  und Milieus tauchen auf.  Ein Pädophiler treibt sein Unwesen. Im Rahmen der Ermittlung bei dem Todesfall von Molly landet Rist plötzlich im Swinger Club und bekommt die Info, dass es jemanden gibt, der Columbus genannt wird, einmal Sex mit ihm und die Frauen sind ihm verfallen. Das ist endlich mal eine gute Spur.

Die volle Gradzahl bekommt der Autor nur aus dem Grund nicht, dass er einmal einen Täter aus dem Hut zaubert, was zwar spannend, aber sehr konstruiert rüberkommt.

Fazit:

Das Buch ist vielschichtig, komplex - und hochspannend. Gut, am Schluss möchte auch mein normales „Ich“ eine Auflösung, trotzdem stört mich der Cliffhänger nicht, sondern mein Über-Ich wird lediglich zum weiterzudenken inspiriert. Wer könnte der Würfler sein, wo ist Dunja, was passiert mit Rists Familie? Fragen und lose Enden überall. Im Grunde hatte der Vorgänger schon ein offenes Ende. Der Stoff mit den verschiedenen Handlungssträngen und losen Enden (frei nach Kommissar Wallander), eignet sich hervorragen für eine Serie. Für Menschen, die klare Auflösungen mögen und zwar im physikalisch gleichen Buch, ist das Buch nichts.

Zehn Stunden tot

Stefan Ahnhem, Ullstein

Zehn Stunden tot

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