Eisige Flut

  • Bastei Lübbe
  • Erschienen: Januar 2018
  • 3
  • Köln: Bastei Lübbe, 2018, Seiten: 528, Originalsprache
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Thomas Gisbertz
74°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2017

Atmosphärisch dichter Krimi mit überraschendem Ende

In seinem nunmehr fünften Fall bekommt es Hauptkommissar Benthien mit einem anscheinend geisteskranken Serientäter zu tun, der das Ermittlerteam lange Zeit vor ein Rätsel stellt. Warum entführt der Täter sein erstes Opfer, Anja Darling, wenn er es anschließend doch tötet, ohne irgendwelche Forderungen zu stellen? Welches groteske Motiv steckt dahinter?

Als ein zweites Opfer in Harrislee auftaucht, wird deutlich, dass die Fälle zusammenhängen: Auch Arthur Peters, ein ehemaliger Bauer und Jäger, wurde mit Eis überzogen und auch bei ihm findet man im Bauchnabel etwas Ungewöhnliches: eine Antibabypille. Scheinbar möchte der Täter der Polizei mit den "Fundstücken" Hinweise geben. Obwohl das Ermittlerteam mit Hochdruck an beiden Fällen arbeitet, kommt es zunächst keinen Schritt weiter.

Als auf der Insel Amrum ein dritter Mord geschieht, ist das LKA erneut machtlos. Noch bleibt unklar, wie die Fälle zusammenhängen und was die Opfer miteinander zu tun haben. Benthien und sein Team scheinen an ihre Grenzen zu stoßen, zumal sie auch privat mit Problemen zu kämpfen haben. Der Mörder scheint ihnen immer einen Schritt voraus zu sein, und die Ermittler müssen damit rechnen, dass er erneut zuschlagen wird. Allmählich wird aber auch deutlich, dass das Motiv in der Vergangenheit zu suchen ist und dass es sogar eine Verbindung zu Hauptkommissar Benthien und seinem Jugendfreund, Oberkommissar Fitzen, gibt. Der Täter kommt beiden immer näher. Sein nächstes Opfer hat er sich im Umfeld des Ermittlerteams längst ausgesucht.

Realistische Handlung mit einem sympathischen Ermittlerteam

Es braucht für den unerfahrenen Ohlandt-Leser zunächst etwas Zeit, bis er die einzelnen Ermittler im Team kennt. Wohlweislich setzt die Autorin eine Personenliste der Kripo Flensburg und der Mitarbeiter der Kriminaltechnik an den Beginn des Romans. Auch die einzelnen Zuständigkeiten und Hierarchien sind anfänglich etwas verwirrend. Man liest sich aber schnell ein und lernt ein durchaus interessantes Ermittlerteam kennen.

Was auf den ersten Blick etwas langatmig anmutet, ist aus meiner Sicht der eigentliche Gewinn des Romans: Benthien und seine Kollegen brauchen viel Zeit, um dem Täter auf die Spur zu kommen, obwohl sie in alle Richtungen ermitteln. Zum einen wirkt dies auf den Leser sehr glaubwürdig, zum anderen bereitet es den großen Clou am Ende des Krimis geschickt vor. Langweilig wird es auf keinen Fall, dafür sorgt Nina Ohlandt schon: es gibt zahlreiche Verdächtige, interessante Wendungen und private Einblicke in das Leben der Ermittler, die klug in die Handlung eingebettet sind.

Ermittler-Paar hat kaum Zeit füreinander

Hauptkommissar Benthien und Oberkommissarin Lilly Velasco sind seit kurzem ein Paar. Leider bleibt ihnen nicht nur wegen der aktuellen Fälle wenig Zeit füreinander, sondern auch wegen Lillys Ex-Freund, der schwer verletzt aus einem Afghanistan-Einsatz als Reporter zurückkehrt und auf eine neue Chance bei ihr hofft. Auch Oberkommissar Tommy Fitzen würde gerne mehr Zeit mit seiner Tochter verbringen, wird aber immer stärker in den Fall eingebunden.

Eine sehr sympathische Nebenfigur ist Ben, der Vater Benthiens, der auf seine alten Tage auf die Idee kommt, einen Foodblog im Internet zu betreiben und seinen Sohn immer wieder als Testperson für seine Kreationen zu benutzen.

Auch die zahlreichen Verdächtigen sind eher skurrile Figuren: Da wäre zum einen Jenko Andresen, ein junger Apotheker, der nicht nur durch sein Äußeres auffällt (grauer Pferdeschwanz, tätowierte Ringe auf den Fingern, Totenschädelohrring), sondern das LKA mit Missachten straft, sich an keinerlei Absprachen hält und einem merkwürdigen Hobby nachgeht. Zum anderen aber auch das ältere Ehepaar Rittstiegs, das auf Amrum Urlaub macht und das wegen seines seltsamen Verhaltens Rätsel aufgibt. Leider fehlt es etwas an düsteren oder kantigeren Figuren, da die Verdächtigen meines Erachtens etwas zu sympathisch beschrieben werden.

Spannende Motivsuche mit vielen falschen Fährten

Der Leser ist den Ermittlern eigentlich immer einen Schritt voraus, da Nina Ohlandt die Gedanken und Beweggründe des Täters durch Briefe, die dieser an seine Tochter schreibt, offenlegt. Zu Beginn kann der Leser aber mit den Hinweisen nichts anfangen. Erst im Laufe des Romans wird deutlicher, was in der Vergangenheit Schreckliches passiert ist und wie dies den Mörder geprägt hat. Dennoch weiß man bis kurz vor dem Ende des Romans nicht, wer der Täter ist. Dann trifft es den Leser aber mit voller Wucht.

Ohlandt kommt trotz der grotesken Art der Leichendarstellungen ohne große Brutalität und Gewalt aus. Die Spannung wird vor allem dadurch erzeugt, dass die Ermittler scheinbar den Taten des Mörders hilflos ausgeliefert sind. Es gibt viele Spuren, denen sie hoffnungsvoll nachgehen, die aber immer wieder ins Leere verlaufen. Das hat auch seinen Grund, den der Leser aber erst am Ende erfährt. Dennoch hätte man auf die ein oder andere falsche Fährte verzichten können, um die Handlung nicht zu überladen. Insgesamt ist "Eisige Flut" ein spannender Krimi, den man von Anfang an genau lesen sollte. Sicherlich hat der Roman aus meiner Sicht hier und da seine Längen, etwa wenn es um das Privatleben der Ermittler geht. Das ist aber auch eine Geschmacksfrage, denn manchen Lesern wird genau das gefallen.

Gelungener Nordsee-Krimi

Nina Ohlandts aktueller Nordsee-Krimi "Eisige Flut" ist ein spannender und unterhaltsamer Roman mit einem überraschenden Ende. Allein hierfür lohnt sich die Lektüre schon. Alle, die einen spannenden, aber nicht brutalen Krimi mit überzeugenden Figuren suchen, liegen mit diesem Fall der Flensburger Ermittler genau richtig. Auch Anhänger der Krimis von Eva Almstädt, Katharina Peters, Hendrik Berg oder auch Bent Ohle werden mit dem fünften Band der Benthien-Reihe ihre Freude haben.

Eisige Flut

Nina Ohlandt, Bastei Lübbe

Eisige Flut

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