Lüge

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2017
  • 1
  • Kopenhagen: People's Press, 2015, Titel: 'Et bjerg af løgne', Seiten: 386, Originalsprache
  • München: Heyne, 2017, Seiten: 479, Übersetzt: Maike Dörries
Lüge
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Andreas Kurth
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2017

Öko-Wikinger kämpfen gegen die Bluthunde eines Global Players

Fossile Brennstoffe sind nach wie vor das Schmiermittel der Weltwirtschaft. Der dänische Großkonzern Nobel Oil will mit seiner Ölförderung aus Schiefergestein in Grönland im Konzert der Global Player mitmischen, beteiligt sind auch China und die USA. Deshalb schlägt es hohe Wellen, als Peter Holm, Chefgeologe des Unternehmens, ermordet wird. Kommissarin Lene Jensen findet bei ihren Ermittlungen schnell heraus, dass eine Gruppe von Öko-Terroristen - sie nennen sich Poseidons Krieger - in den Mordfall verwickelt ist. Und sie begegnet dem Privat-Ermittler Michael Sander wieder, der von Konzernchef Axel Nobel auf die Sache angesetzt worden ist. Denn geheime, und für Nobel mehr als problematische Messdaten von Holm sind nach wie vor verschwunden. Für Jensen und Sander wird die Suche danach zu einem Rennen gegen die Zeit.

Politische Aspekte werden vom Autor leider etwas vernachlässigt

"Lüge" ist bereits der dritte Band aus der Reihe um Lene Jensen und Michael Sander. "Trophäe" und "Bestrafung" wurden von den Lesern der Krimi-Couch im Durchschnitt mit 90 und 84 Grad bewertet. Dieses hohe Niveau erreicht Jacobsen mit seinem neuen Thriller nicht ganz, weil er die politischen Aspekte nach meiner Auffassung etwas vernachlässigt. Der gute Plot hätte etwas mehr in dieser Richtung ausgefeilt werden müssen, dennoch bietet der Autor hier spannende Unterhaltung.

Die politischen Implikationen werden von Jacobsen zugunsten der beiden Protagonisten und ihrer komplizierten Beziehung zueinander in den Hintergrund geschoben. Um hier alle Nuancen zu verstehen, wäre es für den Leser sicherlich hilfreich, die ersten zwei Bände auch gelesen zu haben. Für den Kriminalfall selbst ist das nicht nötig, insgesamt kann man das Buch auch als Einsteiger in die Serie vollauf genießen.

Wie weit würden radikale Umweltschützer tatsächlich gehen?

Mit dem Auftakt in der Diskobucht legt der Autor rasant los, aber die auf dem Buchrücken angedeutete Eskalation in Grönland ist fortan nur noch als fernes Grundrauschen zu vernehmen. Die Handlung verlagert sich komplett nach Dänemark, und in der Zentrale von Nobel Oil werden die Fäden gezogen. Dem Leser wird schnell deutlich, welche Intrigen hier unter Beteiligung der Konzernspitze stattfinden.

Der interessante politische Background wirft allerdings mehr Fragen auf, als im Buch beantwortet werden. Wie weit würden radikale Umweltschützer gehen, um ein in ihren Augen absolut inakzeptables Projekt zu verhindern? Gesprengte Leitungen, Hackerangriffe, durchschnittene Zäune - das gehört alles zum üblichen Repertoire. Aber auch Angriffe auf Wachpersonal, und gezielter Mord an Führungspersonal eines Unternehmens? Steffen Jacobsen hat ein Szenario aufgebaut, dass es wirklich in sich hat. Die Einflussnahme der Chinesen bleibt lange nur ein Damoklesschwert über der gesamten Geschichte.

Es geht um Macht, Reichtum, Geld und politischen Einfluss

Das zunächst trotz des Mordes eher gemäßigte Tempo wird kräftig angezogen, als die beiden Ermittler ins Spiel kommen. Michael Sander und auch Lene Jensen sind keine Kinder von Traurigkeit - vor allem nicht im Umgang miteinander. Jacobsen streut ab und an auch durchaus blutige Details ein, die nichts für zartbesaitete Leser sind, aber insgesamt hält sich das in erträglichen Grenzen.

Es geht vielmehr um Macht, Reichtum, wirtschaftlichen und politischen Einfluss - und um schier unglaubliche Skrupellosigkeit.

Der Autor arbeitet mit unterschiedlichen Perspektiven, wechselt zwischen Lene Jensen und Michael Sander hin und her. Und es gibt eben auch einen Blick auf das kaltschnäuzige Handeln des Konzernlenkers. Nobel ist dabei recht klischeehaft gezeichnet, aber vielleicht entsprechen die bekannten Vorurteile über solche Figuren auch einfach weitgehend der Realität. Dazu muss sich jeder Leser eine eigene Meinung bilden - ich fürchte, Menschen wie der dänische Firmenchef sind halt so wie hier beschrieben.

Spannende Geschichte wird flüssig und mit authentischen Dialogen erzählt

Sander und Jensen sind ziemlich spezielle Charaktere, zeigen beide ihre unterschiedlichen Qualitäten als Ermittler. Ihre merkwürdige Beziehung zueinander versteht man - wie bereits erwähnt - wohl nur komplett, wenn man die ersten zwei Bände der Reihe zuvor gelesen hat. Neben Nobel ist dann noch der skrupellose niederländische Söldner Dirk Straat eine faszinierende Figur - ein Ekelpaket erster Güte.

Aber auch ohne Vorkenntnisse kann man "Lüge" genießen, trotz der genannten geringfügigen Schwächen. Jacobsen erzählt seine spannende Geschichte flüssig und mit authentischen Dialogen. Hier und da hat er ein paar gängige Klischees eingebaut, aber bei einem Thriller kann ich persönlich gut damit leben.

Lüge

Steffen Jacobsen, Heyne

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