Todesmärchen

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 2016
  • 13
  • München: Goldmann, 2016, Seiten: 480, Originalsprache
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Jürgen Priester
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonDez 2015

Märchenstunde

Todesfrist, Todesurteil, Todesmärchen - aller guten Dinge sind drei - dachte sich wohl Autor Andreas Gruber, denn in seinem Nachwort zu Todesmärchen schreibt er, dass nun die 1. Trilogie um Maarten S. Sneijder abgeschlossen sei. Diese Aussage impliziert, dass es noch weitere Folgen mit dem smarten Niederländer geben wird. Aber ein "Weiter-so" sollte es bitte nicht sein. Die Konstellation nach dem Finale von Todesmärchen bietet den Raum für eine Zäsur im Leben des Maarten S. Sneijder. Er ist ja nicht mehr der Jüngste und um seine Gesundheit kann man (er) sich auch Sorgen machen. Ein bisschen Kürzertreten täte ihm gut, zumal seine permanenten Kopfschmerzen und die damit verbundene Kifferei den Status einer Dienstunfähigkeit erfüllen. Da sind Akupunktur und die Zufuhr von Vanilletee wenig probate Mittel für eine Besserung. Kurzum, der Figur täte ein umfassender Relaunch gut, da auch seine Egozentrik, die man eine Zeit lang als amüsant empfinden kann, auf die Dauer nervend wirkt.

Nach einer Trilogie mit drei Serienkiller-Romanen darf man mal fragen, auch den Autor, ob das Thema nicht langsam ausgereizt ist. Die Zahl der Serienkiller-Romane hat in den zurückliegender Jahren ein solches Ausmaß angenommen, dass man sie schon Subgenre des Kriminalromans ansehen könnte. Dieser stete Output ist schon erstaunlich, da diesen Romanen doch immer das gleiche Schema zu Grunde liegt. "Kennste einen, kennste alle" - ist zwar eine dreiste Übertreibung, aber spätestens nach zehn Gelesenen von den Tausenden, die es mittlerweile gibt, weiß man doch, wie der Hase (fast) immer läuft. Unterschiede zeigen sich doch meist nur in der Höhe des Ekelfaktors. Man könnte noch so vieles dazu schreiben, aber das soll hier kein Bashing werden. Den Rezensenten würde es halt freuen, wenn sich so ein fantasievoller Autor wie Andreas Gruber andere Themen vornähme. Mit etwas mehr Realitätsbezug vielleicht? Mit dem vorhandenen Personal ist das auch gut möglich. Ein forensischer Psychologe muss sich ja nicht ausschließlich mit Serienmörder befassen. Er könnte z.B. ausloten, warum sich eine siebenfache Mutter so kriegslüstern gibt? Oder warum ein 73-jähriger Jurist, anstatt seinen Ruhestand zu genießen, ganze Völker in den Ruin treiben muss? - Nun gut.

Für alle, die die Nase noch nicht voll haben von Serienkiller-Thrillern, sei gesagt, dass Andreas Gruber auch in Todesmärchen das bietet, was die Besseren des Subgenres so draufhaben. In drei parallel laufenden Handlungssträngen entwickelt er eine temporeiche und spannungsgeladene Mörderjagd, die das Ermittler-Duo Sneijder und Nemez geistig herausfordert, emotional belastet und in lebensbedrohliche Situationen bringt. Der Body Count ist extrem hoch, es gibt mehr als zehn Opfer zu beklagen, da bleibt Gott sei Dank weniger Raum für unappetitliche Details.
Der Plot ist wieder sehr ausgefeilt, das versteht der Autor schon meisterlich. Die Geschichte beginnt nicht in Bern (s.u.), sondern auf einer Insel, die es in Deutschland so noch nicht gibt.

Eines frühen Morgens wird in Bern unter einer Brücke über die Aare der Leichnam einer Frau entdeckt. Es handelt sich um die Direktorin der Schweizer Bundespolizei, die, splitternackt an der Brücke hängend, in obszöner Weise zur Schau gestellt ist. Die ersten Beamten vor Ort ahnen gleich, dass es sich hier um die Tat eines Wahnsinnigen handeln muss. Deshalb wird sofort der pensionierte Sonderermittler Horowitz eingeschaltet. Dieser ist seit fünf Jahren an einen Rollstuhl gefesselt, als ihm bei der Festnahme eines Serientäters in den Rücken geschossen wurde. An der Ermittlung und Festnahme war damals auch der BKA-Mann Maarten S. Sneijder beteiligt. Nach genauerer Sichtung der Leiche empfiehlt Horowitz, auch in diesem akuten Fall Schneijders Unterstützung anzufordern. Ein Amtshilfegesuch geht an das BKA in Wiesbaden heraus. Sneijder wird in Begleitung von Sabine Nemez eingeflogen.

Die ersten Ermittlungen in Bern zeigen keine konkreten Ergebnisse. Es gibt aber Hinweise, dass der Mord an der Direktorin tatsächlich mit der Mordserie vor fünf Jahren in Verbindung steht. Sabine Nemez, die Frau mit Weit- und Überblick, bringt zwei aktuelle Morde, die sich in den letzten Tagen in Dortmund und Hagen ereignet haben, mit in die Debatte ein. Signaturen auf allen Leichen nähren den Verdacht, dass hier ein Serienmörder am Werk ist. Dieser Verdacht bestätigt sich bei der Untersuchung einer weiteren Leiche, die in einem Wald bei Regensburg gefunden wird. Zudem wird deutlich, dass der Mörder ganz explizit Maarten S. Sneijder provozieren will. Inwieweit die Mordserie von damals eine Rolle spielt, gibt den Ermittlern noch ein Rätsel auf, denn Täter von damals sitzt zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt auf einer Gefängnisinsel in der Ostsee ein.

Der Rezensent hat Todesmärchen jetzt mit 80° bewertet; das ist ein Kompromiss. Fans des Subgenres werden den Thriller weit höher einschätzen. Kritiker halt geringer. Todesmärchen oder Märchenstunde? - muss ein jeder für sich selber beurteilen.

Todesmärchen

Andreas Gruber, Goldmann

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