Der letzte Pilger

  • HörbuchHamburg
  • Erschienen: Januar 2016
  • 10
  • Bergen: Vigmostad & Bjørke, 2013, Titel: 'Den siste pilegrimen', Originalsprache
  • Hamburg: HörbuchHamburg, 2016, Übersetzt: Detlef Bierstedt, Bemerkung: gekürzte Ausgabe
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Andreas Kurth
90°1001

Krimi-Couch Rezension vonDez 2015

Moral und Vertrauen sind im Krieg nur Fremdwörter

Der norwegische Polizist Tommy Bergmann hat eigentlich gerade genug mit sich selbst zu tun. Seine Frau, die er mehrfach geschlagen hat, was er inzwischen zutiefst bedauert, hat ihn verlassen. Da kommt die Ablenkung durch den Fund von drei Skeletten in der so genannten Nordmarka bei Oslo ganz recht. Tommys Chef hält das allerdings für einen kalten Fall, den er schnell zu den Akten legen möchte, denn die Leichen liegen dort offenbar schon seit den 40er Jahren.

Doch dann ereignet sich ein paar Wochen später der äußerst grausame Mord an einer der Ikonen des norwegischen Widerstands gegen die Deutschen während des zweiten Weltkriegs. Carl Oscar Krogh wird - von zahlreichen Messerstichen förmlich zerfleischt - tot in seinem Haus aufgefunden. Tommy Bergmann ist sich aufgrund seiner ersten Recherche-Ergebnisse sich, dass es eine Verbindung zwischen dem Mord an Krogh und den Leichen in der Nordmarka gibt. Er ahnt jedoch nicht, welche Überraschungen ihm noch bevorstehen bei der Lösung dieses mehr als komplizierten Rätsels.

Eine hervorragende Mischung aus Kriminalroman und Agententhriller

Wenn man den ersten Roman liest, den ein Autor zu Papier gebracht hat, kann das eine zwiespältige Sache sein. Die Bewertungsskala ist ziemlich groß, Erstlingswerke landen ziemlich oft irgendwo in der Mitte oder leicht darüber, meist mit der Anmerkung, hier sei noch einiges an Potenzial vorhanden. Ganz anders bei Gard Sveen - sein Roman Der letzte Pilger hat mich bei der Lektüre restlos begeistert. Das spannende Werk wurde zwar vom Verlag als Kriminalroman deklariert, ist aber tatsächlich eine hervorragend gestaltete Mischung aus Kriminalroman und Agententhriller.

Die Handlung des Krimis spielt im Jahr 2003 - der Agentenroman bewegt sich dagegen zwischen 1939 und 1945, umfasst also die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Durch Orts- und Datumsangaben ist es dem Leser leicht möglich, durch die zwei Zeitebenen zu navigieren, was sonst angesichts der schnellen und kurzen Umschnitte nahezu unmöglich wäre.

Erkenntnisse verschlingen sich zu einem gordischen Knoten

Gard Sveen springt ständig zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her. Das führt nicht nur zu mehr Dynamik, sondern erhöht nach meinem Empfinden auch die Spannung. Tommy Bergmann und seine Kollegen tragen nur sehr langsam und mühevoll ihre Erkenntnisse zusammen. Durch die ständigen Rückblenden glaubt man als Leser zuweilen, den Ermittlern im Wissen voraus zu sein. Aber das ist in der Regel nicht so, weil sich etliche Vermutungen einfach in Luft auflösen, oder durch neue Fakten verändert werden - was wieder scheinbar neue Spuren mit sich bringt, die es ebenfalls zu überprüfen gilt. Insgesamt so eine Art gordischer Knoten, den Tommy Bergmann erst im Finale aufzulösen vermag.

Dabei nimmt sich der Autor die Zeit, die Psyche seiner Protagonisten ziemlich tief auszuleuchten. Es geht um Patriotismus, Machtgier, Geltungsbewusstsein, aber auch um Naivität und Liebe. Bei Tommy Bergmann geht es vor allem um Selbstzweifel und einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, bei Agnes Gerner um tiefe Gefühle und einen starken Überlebenswillen. Bergmann hat sein eigenes Leben kaum unter Kontrolle, was aber an ihm selbst und an seinem Charakter liegt. Auch Agnes Gerner hat ihr Leben nicht unter Kontrolle - sie ist allerdings vor allem fremdbestimmt, wird benutzt und manipuliert.

Ein spannender Plot, fesselnd und voller Überraschungen

Tommy Bergmann lässt, bei allen eigenen Problemen, den Fall viel zu dicht an sich heran, macht eine persönliche Sache daraus. Vor allem die Frage, warum das Kind in der Nordmarka sterben musste, bewegt ihn ohne Pause. Er beißt sich nicht zuletzt in diesen Ermittlungen fest, letztlich ist die Lösung des Falls einigen Zufällen, aber vor allem Tommys Verbissenheit zuzuschreiben.

Neben dem norwegischen Ermittler gibt es zahlreiche spannende Figuren, die vor allem in der Vergangenheit, teilweise aber auch noch in der Gegenwart agieren. Deutsche Soldaten und Geheimpolizisten, Widerstandskämpfer, Kollaborateure und viele mehr. Gard Sveen hat aus all diesen Zutaten eine faszinierende und spannende Geschichte gewoben, deren Verästelungen erst im überraschenden Finale zusammen geführt werden. Ein spannender Plot, fesselnd und voller Überraschungen - Lesekino vom allerfeinsten.

Der letzte Pilger

Gard Sveen, HörbuchHamburg

Der letzte Pilger

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