Totenhaus

  • Der Hörverlag
  • Erschienen: Januar 2015
  • 17
  • München: Der Hörverlag, 2015, Seiten: 1, Übersetzt: Wolfram Koch, Bemerkung: ungekürzte Lesung
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Jürgen Priester
90°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2015

Die Dämonen der Vergangenheit

Wie man richtig vermutet, ist Totenhaus die Fortsetzung von Totenfrau. Heldin beider Romane ist Blum. Blum ist Bestatterin von Beruf, Mutter zweier Töchter. Bis zum heimtückischen Mord an ihrem Mann war sie liebende und geliebte Ehefrau. Jetzt ist sie eine mehrfache Mörderin und auf der Flucht.

Wer Blum noch nicht kennt, aber kennenlernen möchte, der sollte nicht mit diesem zweiten Teil beginnen, denn um Blum nur annähernd zu verstehen, wenn das überhaupt möglich ist, muss man ihre ganze Geschichte kennen. Der Rezensent empfiehlt unbedingt die Lektüre von Band eins.

Bernhard Aichners Thriller Totenfrau war für den Rezensenten, literarisch gesehen, eine der wenigen positiven Überraschungen des letzten Jahres. Aichners rasanter, manchmal stakkatoartiger Schreibstil machte die Lektüre des Buches zu ein Highspeed-Erlebnis. So muss Thriller sein. Hauptattraktion, wenn man das so salopp sagen darf, ist Blum – eine Frau, die trotz ihres jugendlichen Alters schon alle Höhen und Tiefen eines Menschenlebens durchgemacht hat. Noch durchmacht, denn ihr Schicksal am Ende von Totenfrau bleibt offen.

Wir erinnern uns: Blum verbrachte ihre frühste Kindheit in einem Heim ohne Erinnerung an ihre leiblichen Eltern und etwaiger Geschwister oder an andere Verwandte. Im Alter von drei Jahren wurde sie vom Bestatter-Ehepaar Blum adoptiert. Damit begann ein Martyrium, das erst endete, als ihre Adoptiveltern verunglückten und Blum ihren Mann kennenlernte. Glückliche Jahre als Ehefrau und Mutter folgten, bis der heimtückische Mord an ihrem Mann sie völlig aus der Bahn warf.

Jetzt macht Blum mit ihren Töchtern Urlaub in Griechenland. Zwei Jahre sind seit den verhängnisvollen Ereignissen in Innsbruck vergangen. Sie musste einfach raus. Abstand vom Alltag gewinnen, zur Ruhe kommen. "Alles wird gut" – ihr immerwährendes Mantra. Die Kinder tollen glücklich am Strand, Blum blättert in zurückgebliebenen Zeitschriften aus Deutschland. Es trifft sie wie ein Hammerschlag, als sie sich plötzlich mit ihrem Konterfei konfrontiert sieht. Es ist ein großformatigen Foto einer Skulptur aus einer Ausstellung in München. Die Installation zeigt eine Frau auf einem Zebra. Die Frau trägt Blums Gesicht.
Blum bricht ihren Urlaub ab und beschließt den Künstler des Werkes, der in Nürnberg lebt, aufzusuchen. Dieser ist sehr hilfsbereit, hat einige Antworten auf Blums dringende Fragen. Doch die ganze Wahrheit soll in einem Hotel im Schwarzwald zu finden sein.

Während Blum in der Hotelanlage, die seit zwanzig Jahren leersteht, auf sehr seltsame Personen trifft, kommt es in Innsbruck zu einer fatalen Entwicklung. Im Rahmen einer Erbschaftsangelegenheit muss eine Leiche exhumiert werden. Im Sarg des Verstorbenen werden Leichenteile gefunden, die da nicht hingehören. Es dauert einige Zeit bis die zusätzlichen Leichenteile einem vor zwei Jahren plötzlich verschwundenen Schauspieler zugeordnet werden können. Benjamin Ludwig ist wiederauferstanden. Blum ist in Panik.

In seiner Besprechung zu Totenfrau schrieb der Rezensent sinngemäß, dass die spannendsten Thriller diejenigen sind, wo der Leser nicht die Spur einer Ahnung hat, in welche Richtung sich die Handlung entwickelt. Aichners Heldin ist und bleibt unberechenbar. Blum entscheidet spontan, aus dem Bauch heraus. Es gibt nur eine Priorität und die ist das Wohl ihrer Kinder. Dafür wäre Blum wieder bereit, zu morden. Oder nicht mehr?

Bernhard Aichners Fortsetzungsroman Totenhaus ist eine Achterbahn der Emotionen, nicht nur für seine Heldin, sondern auch für den Leser, der sich unmöglich dem leidvollen Schicksal einer liebenden Mutter entziehen kann. Man vergisst oder genauer, man möchte vergessen, dass Blum eine mehrfache Mörderin ist, die nach Recht und Moral vor einen Richter gestellt werden müsste. Aber Blum leidet, bereut und sühnt in ihrem emotionalen Gefängnis. Bedarf es mehr der Strafe?
Wir wissen es nicht, denn Blums Geschichte ist mit Totenhaus noch nicht zu Ende erzählt. Man darf auf einen dritten Teil gespannt sein.

Als Fazit möchte der Rezensent festhalten, dass Blums Lebensgeschichte schon jetzt zu dem Besten gezählt werden kann, was die Spannungsliteratur zu bieten hat. Aichners Ideenreichtum und sein Sinn für die Skurrilitäten des Lebens, gepaart mit seinem pointierten Schreibstil sind die Bausteine seines internationalen Erfolgs.
Lieber Bernhard Aichner, weiter so! An die Leser: Kaufen!

Totenhaus

Bernhard Aichner, Der Hörverlag

Totenhaus

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