Quercher und die Thomasnacht

  • Grafit
  • Erschienen: Januar 2013
  • 2
  • Dortmund: Grafit, 2013, Seiten: 320, Originalsprache
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Andreas Kurth
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2013

Wenn alternde Kommissare zu tief graben

Max Quercher hat die Nase voll von der Verbrecherjagd im Dienste des bayrischen Landeskriminalamtes. Bevor jedoch seine Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand unterzeichnet wird, soll er einen Spezialauftrag in seiner heimatlichen Provinz ausführen. Die Leiche des Großvaters einer einflussreichen Amerikanerin wurde beim Baumfällen gefunden, und soll nun zum Flughafen und von dort in die USA gebracht werden. Reine Routine für Quercher, bevor es auf eine Insel in der Adria und zum entspannten Leben in Italien fernab des kalten deutschen Winters geht. Doch am Tegernsee zeigt sich schnell, dass die scheinbare Routine zu einer ernsthaften und gefährlichen Morduntersuchung wird. Der Tischler, der die Leiche gefunden hat, soll sich bei einem Arbeitsunfall mit einer Bandsäge enthauptet haben. Quercher folgt seinem Riecher und stellt Nachforschungen an - was den örtlichen Provinzfürsten arg missfällt. Die Spuren führen zu ebenso einflussreichen wie zwielichtigen Persönlichkeiten. Doch Quercher gibt nicht auf und gräbt in der Vergangenheit und Gegenwart des Dorfes bis er selbst in Lebensgefahr gerät.

Nach zwei Romanen, die eher weniger Beachtung fanden, hat Martin Calsow jetzt einen Kriminalroman geschrieben, der sich um den knorrigen und der Verbrecherjagd überdrüssigen LKA-Ermittler Max Quercher dreht. Der Autor hat hier einen Protagonisten erschaffen, der durch seine ambivalente Haltung zum Beruf, durch seine Hartnäckigkeit und durch seinen Lebenslauf sympathisch rüberkommt. Quercher ist nämlich gedanklich längst auf einer Adria-Insel, auf der er seinen Ruhestand verleben möchte, aber seine Vorgesetzten bringen ihm mit dem Versprechen, seiner Frühpensionierung zuzustimmen dazu, den ungewöhnlichen Auftrag zu übernehmen. Doch Querchers kriminalistische Erfahrung sagt ihm höchst nachdrücklich, dass an der Leiche unter dem Baum etwas faul ist. Und dazu trägt auch die ambivalente Persönlichkeit der deutschstämmigen Amerikanerin bei, die vermeintlich nur ihren toten Großvater mit über den großen Teich nehmen will.

Der Roman beginnt eher unscheinbar, aber die Verwicklungen und überraschenden Wendungen, die der Autor geschickt in seine Geschichte eingebaut hat, schrauben die Spannung von Seite zu Seite höher. Dazu trägt bei, dass Martin Calsow seine Ortskenntnis dazu nutzt, ein interessantes Bild von den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen am Tegernsee zu zeichnen. Dabei ist sein Roman allerdings in meinen Augen kein Regional-Krimi, wie sie seit Jahren in großen Mengen auf dem Markt geworfen werden, sondern die Geschichte reicht in ihrer gesamten Dimension durchaus darüber hinaus. Calsow nutzt zwar seine Orts- und Menschenkenntnis, um reichlich Lokalkolorit in die Handlung einzustreuen, aber die Gegend um den Tegernsee und die dort lebenden Menschen vor allem die Meinungsführer sind nur beispielhaft gezeichnet. Ähnliche Intrigen und Verbrecher könnten sich auch durchaus andernorts ereignen vor allem natürlich in der Spezlwirtschaft des Freistaates Bayern, das wird schon deutlich.

Stark geprägt wird der Roman von der Hauptfigur. Quercher agiert störrisch und furchtlos, legt sich mit den lokalen Kollegen, mit politischen Autoritäten und sogar Vorgesetzten an bis er davon überzeugt ist, einem Verbrechen auf der Spur zu sein. Unterstützt wird er dabei von seiner jungen Kollegin türkischer Herkunft. Zu ihr baut er im Laufe der Ermittlungen ein väterlich-kollegiales Verhältnis auf, das von gegenseitigem Respekt geprägt ist. Dass Quercher an anderer Stelle in eine Honigfalle tappt, macht ihn übrigens sogar noch sympathischer.

Der Autor leistet sich keinerlei logische Fehler, die Handlung ist gut durchdacht, spannend und in einem angenehm zu lesenden Stil erzählt. Wie wahrscheinlich die geschilderten Zusammenhänge, Seilschaften und politischen Intrigen sind, mag jeder Leser für sich selbst beurteilen ich habe daran nichts auszusetzen. Martin Calsows Roman mit seinem neuen Protagonisten ist wirklich lesenswert, und für die Leser dürfte es auch ein Wiedersehen mit Max Quercher geben ich freue mich darauf.

Quercher und die Thomasnacht

Martin Calsow, Grafit

Quercher und die Thomasnacht

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