Männer schweigen

  • Fischer
  • Erschienen: Januar 2013
  • 4
  • Frankfurt am Main: Fischer, 2013, Seiten: 352, Originalsprache
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Sabine Bongenberg
60°1001

Krimi-Couch Rezension vonDez 2012

Hättest du geschwiegen, Eva! – Kühle 60° bringen Sylt nicht zum Kochen.

In ihrem mittlerweile dritten Sylt-Krimi lässt Eva Ehley wieder in Sylt morden. Offensichtlich hat sich der Täter auf einen bestimmten Frauentyp "eingeschossen" (das ist bitte nicht wörtlich zu verstehen) und so verschwindet die rassige Frau eines Industriellen, um später scheinbar ermordet aber dafür bildschön in einer Strandhütte drapiert am Sylter Hauptstrand aufgefunden zu werden. Der Begriff "scheinbar" mag hier für Irritationen sorgen – entweder wurde jemand ermordet oder nicht – aber hier hat er seine Richtigkeit: Bei der späteren Identifikation durch den schwer getroffenen Gatten stellt sich heraus, dass es sich mitnichten um sein Eheweib handelt. Bei der Toten handelte es sich vielmehr um eine Dame, die aufgrund ihrer Tätigkeit im ältesten Gewerbe der Welt und der damit verbundenen halbseidenen Kontakte generell einen gefährlichen Lebensstil pflegte. Bleibt also die Frage – wo ist denn jetzt die verschwundene Ehefrau? Hat sich diese nur quietschvergnügt mit einem neuen Lover abgesetzt oder wird das beschauliche Sylt vielmehr von einem Serientäter heimgesucht, der feurige Rothaarige vom Diesseits ins Jenseits befördert?

Grundsätzlich bieten Serienmörder immer ein spannendes Ambiente, wenn auch sicherlich niemand einem im richtigen Leben begegnen möchte. Ihre Handlungen sind bis zu einem gewissen Rahmen vorhersehbar oder zu ahnen und so macht sich im Leser eine wohlige, gruselige Anspannung breit, wenn der Täter – wie ein Haifisch – um sein neues Opfer kreist, um dann zuzuschlagen. Natürlich wird bei dieser Konstruktion von einer gewissen Intelligenz des Täters ausgegangen – sonst wäre er ja nicht der Polizei um eine Nasenlänge voraus – und noch von einer größeren Raffinesse der Gesetzeshüter – müssen die den Bösewicht doch zum Schluss zur Strecke bringen.

Wer mit dieser Erwartung den dritten Sylt-Krimi aufschlägt, hätte dagegen besser einen beschaulichen Strandspaziergang vorgenommen. Ehleys Charaktere entbehren nicht nur des kalten Taktierens des Täters sondern auch einer geordneten und kühlen Ermittlung der Polizei. Jeder Zeuge unterschlägt aus den fragwürdigsten Motiven wichtige Hinweise oder Aussagen zu den Ermittlungen und stellt den Leser immer wieder vor die Frage: Warum werden wichtige Hinweise aus lächerlichsten persönlichen Motiven unterschlagen? Die Antwort dürfte eher im Stilistischen liegen: Lägen die Hinweise zeitnah vor, wäre der Fall nach zwanzig Seiten abgeschlossen. So entspinnt sich ein wirres Bild aus menschlichen Fehlern, eigenartigen sexuellen Obsessionen und ungesunden familiären Verstrickungen, das aber insgesamt unstrukturiert, flach und unglaubwürdig bleibt und nur gelegentlich einen gewissen Spannungsbogen zu erzeugen vermag.

Wenn immerhin die Krimikonstruktion hier nicht zu überzeugen vermag, bliebe immer noch die Möglichkeit im Privatleben der ermittelnden Beamten einen interessanten Nebenschauplatz zu eröffnen. Aber auch hier kann die Autorin nicht überzeugen. Das ehemalige Liebespaar bestehend aus Kriminalhauptkommissar Bastian Kreuzer und seiner Ex-Freundin Kriminalkommissarin Silja Blanck weiß auch nicht so recht, was es mit sich und seiner Situation anfangen soll. Dialoge verlieren sich daher im Nichts, mögliche Entwicklungen bleiben aus und der Leser erinnert sich wehmütig an manche Elizabeth George Romane, in denen die Verstrickungen der Ermittler manchmal spannender als der eigentliche Mord waren.

Bei der ganzen Kritik soll dennoch nicht unterschlagen werden, dass auch dieser Sylt-Krimi mit einigen starken Momenten überrascht. Ehley beschränkt sich gelegentlich auf die Rolle der reinen Beobachterin und Insel-Liebhaberin, die nur Eindrücke und Stimmungen wieder gibt. So vermag sie allein durch die Beschreibung einer Morgenstimmung am Strand Erinnerungen an Nordsee-Urlaube zurückzurufen bzw. erschafft so eine neutrale Beobachtung aus der Entfernung, die auch Alfred Hitchcock gerne in seinen Filmen verwendete. Diese seltenen Momente mögen zwar etwas versöhnen, aber zwei Sonnentage retten auch nicht einen insgesamt verregneten Urlaub.

Männer schweigen

Eva Ehley, Fischer

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