Die Spinne

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2013
  • 5
  • New York: Minotaur, 2012, Titel: 'An American spy', Seiten: 386, Originalsprache
  • München: Heyne, 2013, Seiten: 496, Übersetzt: Friedrich Mader
Die Spinne
Die Spinne
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Marcel Feige
90°1001

Krimi-Couch Rezension vonDez 2012

Das Fähnlein im Wind

Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?

So oder ähnlich dürfte die Moral der Geschichte lauten, die uns Olen Steinhauer in seinem neuen, dritten und finalen Thriller um Geheimagent Milo Weaver unterbreitet.

Weaver war ein Tourist, eine neue Form amerikanischer CIA-Spione, die so geheim operieren, dass sie sich häufig selbst fremd bleiben. Klingt komisch, ist aber so, wenn man den Auftaktband Der Tourist gelesen hat, in dem Steinhauer das anonyme »Jetset«-Leben der Touristen und insbesondere das von Milo Weaver schildert.

Doch seit Last Exit, dem zweiten Weaver-Roman, liegt die »Tourismusbranche« am Boden, weil der chinesische Agent Xin Zhu quasi im Alleingang weltweit fast alle Touristen ausgelöscht hat - als Vergeltung für den Tod seines Sohnes.

Die Spinne schließt nahtlos an diese Rachetat an. Doch die Geschichte dieses dritten Weaver-Thrillers in wenigen Worten zusammenzufassen, erweist sich als gar nicht so einfach. Nicht nur, dass Steinhauer immer wieder Querverweise auf die vorangegangenen Ereignisse herstellt, obendrein wechseln die Geheimagenten ihre Ideale so schnell wie andere ihre Unterwäsche - beinahe täglich.

Loyalität? Was für Weichlinge. Integrität? Kennen die wenigsten. Feinde werden überraschende Freunde, und Freunde plötzlich zu erbitterten Feinden. Egal ob chinesische Spione, deutsche, amerikanische, britische, kambodschanische, koreanische, russische am Ende geht es niemandem mehr um den Heldenkampf fürs Vaterland.

Am Ende wird jeder einzelne Agent getrieben von Macht, Geltungssucht und ganz eigennützigen Plänen oder weil er nichts anderes gelernt hat im Leben als das Taktieren, Paktieren, Konspirieren.

Vielleicht ist das sogar die bitterste Pille, die der Leser am Ende schlucken muss.

Andererseits: Kennt man dererlei Egotrips nicht längst auch von hiesigen Politikern, die ihre Fähnlein in den Wind hängen, wie es ihnen gerade am besten passt? Die geben sich ja nicht einmal mehr die Mühe, es zu verschleiern.

Und inmitten dieser dreckigen Spiele steckt nun Milo Weaver, dessen größter Wunsch es nach dem schmächlichen Ende der Tourismusabteilung ist, nichts mehr mit Spionage und Gegenspionage zu tun zu haben.

 

Ich habe schon viel zu viel von meinem Leben und vom Leben meiner Familie für aussichtslose Kämpfe verwendet ... Und ich will nicht Teil einer Maschinerie sein, die Menschen so zugrunde richtet. Nicht mehr.

 

Aber gerade dieser Wunsch treibt ihn dann doch ein letztes Mal in die Arena der Geheimdienste weil auch er seine ganz eigenen Ziele verfolgt: Sicherheit für Frau und Kind.

Doch er hat die Rechnung ohne seine Freunde gemacht. Oder sind es seine Feinde? Schwer für Milo, da noch den Überblick zu behalten.

Nicht aber für den Leser. Natürlich bedarf es bei Die Spinne einer erhöhten Konzentration während der Lektüre - und natürlich der Vorkenntnis der beiden vorangegangenen Romane Der Tourist und Last Exit -, aber wer sich darauf einlässt, erlebt einen modernen Spionageroman voller Verstrickungen, einen geniale Thriller voller ungeheuerlicher Wendungen - und ganz nebenbei noch Einblick in das menschliche Wesen.

Wie lautet noch mal dessen Moral? Ach so, genau: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?

Die Spinne

Olen Steinhauer, Heyne

Die Spinne

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