Null-Null-Siebzig

  • dtv
  • Erschienen: Januar 2013
  • 4
  • München: dtv, 2013, Seiten: 368, Originalsprache
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Jörg Kijanski
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2012

Für Fans klassisch angelegter Krimiplots

Der inzwischen 70-jährige Ex-Agent James Gerald fühlt sich schon seit langer Zeit zu seiner früheren Mitarbeiterin und heutigen Nachbarin, der drei Jahre jüngeren Sheila Humphrey, hingezogen. So kommt es, dass er ihr zuliebe die Einladung von Sheilas Mutter Phyllis annimmt, anlässlich ihres bevorstehenden 90. Geburtstages eine kleine Kreuzfahrt zu unternehmen, obwohl er derartigen Vergnügungen kaum etwas abgewinnen kann. Phyllis ist eine erstaunliche Frau, die trotz ihres Alter und dem Umstand, dass sie im Rollstuhl sitzt, vor Vitalität strotzt. Zum siebten Mal ist sie bereits verheiratet, aktuell mit dem rund zwanzig Jahre jüngeren Eden Philpotts. Die Einladung zu der Kreuzfahrt, an der ein ausgesuchter Freundeskreis teilnimmt welcher dreizehn Personen umfasst, wird übrigens von ihrem Ex-Mann Jeremy Watts spendiert, dem Eigentümer der MS Victory. Zunächst langweilt sich James aufgrund der ihm unbekannten Gäste, doch dies soll sich bald legen, denn bereits am zweiten Tag verschwindet plötzlich Eden Philpotts. Die Aufregung ist groß und James vermutet, dass es sich bei Eden womöglich schlichtweg um einen Heiratsschwindler handeln könnte, denn warum sollte der deutlich jüngere Mann eine im Rollstuhl sitzende, fast neunzigjährige Frau sonst heiraten? Als nur einen Tag später Phyllis persönliche Assistentin ebenfalls von der Bildfläche verschwindet kommen James jedoch Zweifel an seiner These. Oder sollten die Beiden womöglich unter Decke stecken? Und warum weigert sich Jeremy Watts beharrlich, die übrigen sechshundert Passagiere per Lautsprecher zu informieren, dass zwei Gäste vermisst werden? Schließlich könnte ein Kapitalverbrechen vorliegen und ein Serientäter am Werk sein&

Der zweite Roman um den rüstigen Ex- Agenten James Gerald und dessen Partnerin Sheila ist zunächst enttäuschend, denn die oben dargestellte Handlung reicht bis weit in die Mitte des Buches hinein. Sorry, aber irgendetwas zum Inhalt musste ja geschrieben werden und auf den ersten achtzig Seiten passiert nichts, was auch nur ansatzweise mit einem Kriminalroman zu tun haben könnte. Danach wird es auch nicht viel spannender und so wird zunächst einmal die Geduld der Leserinnen und Leser auf eine große Probe gestellt. In der zweiten Romanhälfte "überschlagen" sich dann förmlich die Ereignisse, bis hin zu einer Auflösung die an Agatha Christie und Co. erinnert.

Wäre der Schreibstil von Marlies Ferber nicht so unterhaltsam, man würde den Roman womöglich nicht zu Ende lesen, da es am nötigen Spannungsaufbau fehlt. Stattdessen werden (wohlwollend formuliert) sehr ausführlich die Gäste der Geburtstagsgesellschaft vorgestellt und auch sonst dominieren eher Belanglosigkeiten. Die Dialoge zwischen James und Sheila, in denen er höchst arrogant und besserwisserisch daher kommt und sie ihm die Worte im Munde herumdreht, bis dann am Ende beide vom Anderen pikiert sind, kennt man bereits aus dem Debütroman Operation Eaglehurst, der deutlich mehr "Action" bereit hielt.

 

"Eier sind reich an Vitamin B, das stärkt die Nerven. Täte Ihnen auch gut."
"Eier sind schlecht für den Cholesterinspiegel. Was macht denn Ihrer?"
"Keine Ahnung. Interessiert mich auch nicht."
"Sollte es aber."
"Ich habe da einen Deal mit meinem Körper. Wenn ihm etwas fehlt, meldet er sich. Ansonsten genießen wir beide das Leben."

 

Dass die Beziehung zwischen James und Sheila einer platonischen Liebe gleicht ist bekannt, leicht erkennbar durch das befremdliche "Sie" und sorgt mitunter für einige zum Schmunzeln anregende Dialoge. Am Ende des Plots liefert die Autorin dann ein kleines Feuerwerk ab, dass Hercule Poirot und wie sie alle heißen zur Ehre gereicht. Die Ereignisse überschlagen sich, die Auflösung bietet einige Pirouetten und nicht zuletzt einen Ex-Agenten der bei allem den Überblick behält. Schade, dass es den Lesern nicht vergönnt ist, bei der Aufdeckung der Verbrechen James Gerald zuvorzukommen.

Fazit: Angenehmer, flüssiger und kurzweiliger Schreibstil in einer leider im ersten Teil spannungsarmen Story. Wie angedeutet für Fans von Agatha Christie und klassisch angelegten Plots durchaus einen Kauf wert, der Buchaufkleber "Krimi des Monats" ist dann aber doch ein wenig (erneut sehr wohlwollend) irritierend. Da deutet dann der Serientitel Null-Null-Siebzig schon eher an, welche Altersgruppe bevorzugt angesprochen werden soll.

Null-Null-Siebzig

Marlies Ferber, dtv

Null-Null-Siebzig

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