Spur nach Ostfriesland

  • Emons
  • Erschienen: Januar 2011
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  • Köln: Emons, 2011, Seiten: 368, Originalsprache
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Andreas Kurth
65°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2011

Düstere Verbrechen eines krankhaften Geistes

Die junge Buchhändlerin Franziska Eising will an einem Freitag nach Feierabend endlich nach Hause – aber sie kommt dort nicht an. Ihr Verschwinden wird erst nach dem Wochenende bemerkt, und weil man in der Vermisstenstelle mit einem Gewaltverbrechen rechnet, wird das Wiesbadener Ermittlerteam um Kommissar Jens Hartmann eingeschaltet. Die Polizei sucht zunächst im Umfeld der Buchhandlung nach einem möglichen Entführer, aber alle Verdächtigen haben ein Alibi für die Tatzeit. Zwar vermuten sie bald Zusammenhänge mit anderen Entführungen, kommen aber nicht so recht weiter. Erst nach ermüdender und akribischer Polizeiarbeit hilft den Ermittlern ein Zufall – und die Neugierde der Rechtsanwältin Marilene Müller. Sie will eine junge Frau im fernen Leer befragen, und wird dabei fast Augenzeugin eines Mordversuchs. Langsam deutet sich bei den Verbrechen ein Muster an, aber bis zum hochdramatischen Finale müssen Kripo-Team und Rechtsanwältin noch außerordentlich brenzlige Momente überstehen.

In ihrem dritten Roman mit der Rechtsanwältin Marilene Müller präsentiert Beate Sommer neben der Region um Wiesbaden ihren Lesern das spröde Ostfriesland. Für ihre Protagonisten ein herber Gegensatz zum pulsierenden Rhein-Main-Gebiet, aber eben mit ländlichem Charme und reichlich Landschaft zum Verlieben. Bei den Landschaftsbeschreibungen hat die Autorin noch das richtige Maß gefunden, aber bei ihren Dialogen und den Schilderungen der familiären und beruflichen Verhältnisse der Ermittler und der Verdächtigen ist sie kräftig über das Ziel hinaus geschossen. Im ersten Drittel muss man als Leser schon etwas Geduld mitbringen, denn Spannung kommt erst ab der Mitte des Buches auf. Sommers kritischer Ansatz wirkt immerhin glaubwürdig, sie schildert ausgiebig die Probleme von Frauen in einigen ausgewählten Berufen. Es geht um Anbaggern, Geringschätzung durch Männer und andere Probleme.

Ihre Perspektivwechsel zum Entführungsopfer sollen Spannung erzeugen, aber die düstere Atmosphäre im Keller wird nur sporadisch geschildert, der Spannungsbogen leidet darunter. Immerhin kann dieser Roman auch als Einstieg in Beate Sommers Reihe um die Rechtsanwältin Marilene Müller gelesen werden, die Ereignisse in den zwei Vorgänger-Bänden werden ausreichend angerissen. Nach der Hälfte der Seiten zeigt die Autorin dann, dass sie durchaus eine gute Erzählerin ist. Durch jetzt schnellere Szenenwechsel und reichlich falsche Spuren schraubt sie die Spannung mächtig in die Höhe, das letzte Drittel des Romans ist wirklich fesselnd, und zum Finale hin kommt unheimlich Dynamik in die Handlung.

Wirklich gut gelungen sind Sommer die Protagonisten des Buches. Das problematische Verhältnis von Marilene Müller zu Kommissar Jens Hartmann wird von der Autorin überaus geschickt in die Schilderung der Ermittlung eingeflochten, in dieser Hinsicht sorgt sie dafür, dass die Handlung durch die persönlichen Spannungen sogar noch vorangetrieben wird. Müller ist wahrhaftig keine Anwältin, wie man sie aus anderen Kriminalromanen kennt, und ihre Ermittlungen sind einer Polizistin durchaus würdig. Die privaten Motive von Marilene Müller werden von der Autorin gekonnt in die Geschichte eingebaut, und die dabei durchaus hilfreichen Zufälle wirken nicht allzu konstruiert, sondern gerade noch glaubhaft. Sympathisch kommt auch der Kommissar beim Leser an, er ist kein überdurchschnittlicher Polizist, sondern hat seine Schwächen und etliche Ecken und Kanten. Aber er ist ein Teamplayer, der seine Linie konsequent durchzieht, auch wenn er seinerseits private Probleme hat, die anfangs etwas zu ausführlich dargestellt werden.

Wirklich überraschend hat die Autorin das letzte Drittel und das Finale des Kriminalfalls gestaltet – bis kurz vor Schluss ist man als Leser völlig unsicher, wer nun an den Entführungen beteiligt war. Durch die zu ausschweifenden Dialoge und Schilderungen am Anfang des Buches wird der Gesamteindruck leider nachhaltig getrübt. Etwas mehr Konzentration auf das Wesentliche, und aus einem durchschnittlichen Roman würde ein guter deutscher Regional-Krimi – denn der Plot an sich ist hervorragend.

Spur nach Ostfriesland

Beate Sommer, Emons

Spur nach Ostfriesland

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