Krimi-Hörspiele:
Mediatheken / 52
"Ein Toter im Goldfischteich"
Ein Geniestreich zu Jahresbeginn
Das Tatort-Jahr 2025 beginnt mit der 8.Episode um Kommissar Haas und seinen Assistenten Teschenmacher, immer unterstützt von den beiden hessischen Plappertaschen im Büro Frau Felsenstein und Frau Rettich. Mit dem Autor Martin Mosebach und dem Regisseur Leonhard Koppelmann präsentiert der Hessische Rundfunk Spitzenkräfte.
Der Inhalt
Neu-Isenbach; am Wald gelegen, südlich von Frankfurt, eine Schlafstadt. Hier wird im Gartenteich von Werner Eberle ein Toter aus dem Goldfischteich geborgen. Eberle hat sich auf dem Grundstück einen Traum verwirklicht und innerhalb weniger Jahre ein urwaldähnliches Paradies mit exotischen Pflanzen, Bäumen und Vögeln geschaffen. Dies schützt er mit einem hohen Zaun und einem Pitbull. Eigentlich kommt niemand auf das Gelände. Das will Eberle auch nicht, denn er hat eine zweifelhafte Vergangenheit. Er ist durch eine Sicherheitsfirma zu einem Vermögen gekommen, aber sein Know-how hat er in der französischen Fremdenlegion erworben. Seit der Zeit hat er Feinde und wenige echte Freunde.
Hat der entstellte Tote etwas mit dieser Vergangenheit zu tun? Das Frankfurter Team recherchiert gründlich über die Fremdenlegion und Eberles Vergangenheit, die nicht so rein ist, wie die Weste, die er trägt. Aber Eberle hat ein Alibi. Er war zur Tatzeit im Kino in Frankfurt. Aber er lügt auch. Denn seit einigen Tagen hat ein Kamerad der Legion versucht, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Das hat Eberle verschwiegen. Überhaupt ist Eberle erstaunlich ruhig, braucht keinen Anwalt und sucht offenbar eher einen ruhigen Lebensabend.
Eine Hausdurchsuchung erbringt Briefe des engen Kameraden und Vorgesetzten Rebentisch, der ihn offenbar unter Druck setzen wollte. Rebentisch und Eberle mussten für ihre Taten in Afrika in Frankreich vor Gericht. Eberle wurde freigesprochen, Rebentisch verurteilt. Eberle wird verhaftet, aber ein zweifelsfreier Mord lässt sich erstmal nicht nachweisen.
Das Hörspiel
Kein Grauen, keine Gräueltaten, wenig Hektik. Das Hörspiel reiht sich nahtlos in diese hessische Reihe ein. Vorsichtiger Dialekt, etwa Selbstironie, zunehmend Gesellschaftskritik. Schön, dass es dazu noch eine Weiterentwicklung gibt. Die beiden Bürodamen sind erstmals eng in die Ermittlungen einbezogen und die Rolle von Teschenmacher gewinnt ebenso an Bedeutung.
Eigentlich ist es ein Kammerspiel, weil nicht viele Personen als Täter in Frage kommen. Das Stück gewinnt seine Spannung dadurch, dass vieles nicht so ist, wie es scheint. Und der kluge Autor Mosebach setzt dem Hörer lauter ausgesprochen sympathische Figuren vor. Wer soll da ein Mörder sein?
Andererseits gibt es schwer zu verdauende hochpolitische Wahrheiten. Über die Gräueltaten der französischen Fremdenlegion in Afrika bis weit in die Gegenwart hinein. Da stellt sich schon die Frage, was Kameradschaft heißt. Und dann ist das Hörspiel noch bestens inszeniert. Der Sound lädt zum Verweilen im wunderschönen Garten ein, im Büro hört man im Hintergrund die Kopiergeräte, dem Pitbull möchte man nicht begegnen. Jede Sekunde ein Hörgenuss bis in die abwechslungsreiche schöne Musik. Leonard Koppelmann at it´s best. Die Personen sind bis in die kleinste Rolle erstklassig besetzt. Der aus dem Fernsehen bekannte Christian Redl verkörpert die Figur des Eberle verwirrend gut. Kaum zu glauben, was Merle Wasmuth aus einer vergleichsweise kleinen Rolle (die Freundin von Eberle) herausholt.
Fazit
Radio Tatort belegt, dass er auch nach fast 200 Folgen noch Höchstleistung erbringen kann. Wer diese Folge nicht hört, verpasst etwas.
Couch-Wertung: 90°
ARD-Audiothek
"Sörensen macht Urlaub"
Dieses ist der fünfte Streich
„Schön, dass es dich gibt“ möchte man fast zum neuen Hörspiel um Sörensen sagen. Es ist lange her, dass sich eine Kommissar-Figur in fünf Episoden entfalten darf. Danke also an Autor und Deutschlandfunk Kultur. Bjarne Mädel ist nur dann wirklich gut, wenn ihm die Rolle, so wie Sörensen, auf den Leib geschrieben ist.
Der Inhalt
Sörensen will endlich mal Urlaub machen. In den Bergen. Doch in den Hamburger Bergen ist der Urlaub schon vorbei. Ein Zwischenstopp bei seiner Ex-Frau Nele und der gemeinsamen Tochter Lotta entwickelt sich zu einem Kriminalfall. Die Beiden haben die junge Sozialarbeiterin Aileen (genannt Achim) für eine Übergangszeit untergebracht. Doch die attraktive Aileen fühlt sich verfolgt und gestalkt. Von einem Lehrer der Schule, an der sie gerade arbeitet.
Kann der angstgestörte Sörensen ihr helfen? Er muss, denn schon am nächsten Tag wird der Lehrer erdolcht auf dem Ohlsdorfer Friedhof gefunden. Daneben liegt die verwirrte, blutbeschmierte Achim mit einem Messer in der Hand.
Und das beschauliche Katenbüll? Kommt auch nicht zur Ruhe. Dort hat die alte Niehus Irgendjemanden angeschossen. Kurz darauf wird ihr Sohn Siemen ermordet. Sörensens Kollegin Jennifer Holstenbeck wird der arrogante Schnösel Mommsen vor die Nase gesetzt.
Und dann kreuzen sich die beiden Fälle überraschend. Es gibt ein Foto von Achim, auf dem sie mit dem jungen Siemen vor einer Eisdiele steht. Wie bei einer Matroschka wird nun Schicht für Schicht abgetragen und am Ende erscheint eine üble systematische kriminelle Machenschaft.
Das Hörspiel
Die zwei Teile gehören eng zusammen. Beide Parts sind spannend genug, um sie in einem Zug zu hören. Die beiden vertrauten Protagonisten Jennifer und Sörensen führen diesmal ihre kratzbürstigen Dialoge überwiegend per Sprachnachrichten. Und machen sich gegenseitig was vor. Da kann ein KHK Mommsen nicht hineinpassen. Erstmals erfährt der Hörer, welche dramatischen Auswirkungen Sörensens Angststörung auf seine Arbeit hatte. Denn wie immer gibt es viele Selbstgespräche von Sörensen.
Der Hörer erfährt genug über jeden der beiden Fälle, um gut zu folgen und sich eigene Gedanken zu machen. Und der Hörer erfährt viel über das Leben und die Lügen des Lebens. Der Autor sieht die Welt offenbar eher pragmatisch, denn es klingt, als empfehle er, sich auf seine Arbeit und die Realität zu konzentrieren und nicht auf seine Störung. Spricht da jemand aus Erfahrung?
Das ist alles herrlich in Szene gesetzt: überzeugende Stimmen und Charaktere, hörenswerte Spielorte und viel Geschehen. Und vor allem spannend. Der sich zögerlich abzeichnenden Plot haut den Hörer wirklich um. Krimi vom Besten und nicht ohne Gesellschaftskritik. Bjarne Mädel sollte aufpassen, dass sich seine Art zu sprechen nicht zur Karikatur entwickelt.
Fazit
Das spannendste aller Sörensen-Hörspiele. Weit entfernt von einem Regional-Krimi. Für Stricker-Neulinge ein guter Einstieg in die Reihe. So kann es weitergehen.
Couch-Wertung: 85°
ARD-Audiothek
"Krimi-Hörspiele: Mediatheken / Tipps 52" von Malte Stamer, 05.2025
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Fotos: istock.com / tolgart
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