TV-Serie:
Kommissar Wallander (Staffel 1)

Serien-Spezial von Carola Krauße-Reim (12.2020) / Titel-Motiv: © edel:motion/Glücksstern

Skåne ist ein gefährliches Stück Schweden

Mit Kurt Wallander hat sich der 2015 verstorbene schwedische Thriller-Autor Henning Mankell ein Denkmal gesetzt. In 12 Bänden darf der Leser den Kommissar aus Ystad in Skåne auf Mördersuche begleiten. Dabei ist die Biografie Wallanders immer von gleicher Wichtigkeit wie die Lösung der Fälle. Psychologie und akribische Polizeiarbeit kennzeichnen die Meilensteine dieser Nordic-Noir-Thriller, in denen es zwar oft ziemlich brutal und blutig zu geht, die Ermittlungen und die Suche nach dem Täter sowie sein Motiv aber meist mehr im Mittelpunkt stehen als die Identität des Mörders selbst.

Bereits 2008 begann die BBC mit der Verfilmung ausgesuchter Romane der Reihe. Jetzt liegt mit Die falsche Fährte, Die Brandmauer und Mittsommermord die 1. Staffel für das Heimkino vor.

Hier fehlt die Chronologie der Bücher

Die Verfilmung steigt mit dem 5. Band der Romane, Die falsche Fährte, in die Serie ein; damit hält sie sich, wie auch mit den folgenden Filmen, nicht an die Chronologie der Bücher. Bedauerlich - so muss mit der Figur Kurt Wallander und seiner Entwicklung jongliert werden, damit zumindest einigermaßen der Kommissar, den Mankell haben wollte, dabei herauskommt. Denn Wallanders Persönlichkeit trägt die Geschichten und seine Probleme gehören zu ihnen wie die Suche nach dem Mörder. Der Zuschauer lernt einen Mann kennen, der in Trennung lebt, ein schwieriges Verhältnis zu seinem Vater hat und mit eigenen Problemen und gesundheitlichen Schwierigkeiten kämpft. Überhaupt wird alles im Schnelldurchlauf abgehandelt; hier wird kein einziger Charakter langsam vorgestellt, kein Setting ausgelotet – hier fällt man in eine Geschichte ohne zu wissen, wo sie eigentlich spielt, welche Rollen die Figuren darin innehaben, wie sie zueinander stehen und wie jeder einzelne tickt. Ohne die Romane zu kennen, könnte man sich da mit dem Einstieg etwas schwer tun.

Kenneth Branagh gibt den Kommissar

Bisher war der britische Schauspieler Kenneth Branagh ein Garant für hervorragende Shakespeare-Verfilmungen. Jetzt gibt er den schwedischen Kommissar aus Ystad - allerdings ohne die Brillanz seines Hamlet oder Henry V. zu erreichen. Er schafft es nur bedingt, den depressiven, einsamen und manchmal verzweifelten Mann zu vermitteln. Mit minimal eingesetzter Mimik, ohne auch nur die leiseste Regung zeigend, bleibt er dem Zuschauer fremd; ein Blick in seine Seele wird verwehrt. Nur manchmal blitzt die Melancholie auf, die Mankell seinem Kommissar als „Grundausstattung“ mitgegeben hat.

Dafür wird viel Wert auf seinen ständigen beruflichen Einsatz gelegt, der mit Dauermüdigkeit (unterstrichen von einem nahezu vampir-bleichen Gesicht mit ständig rotgerandeten Augen) belegt wird. Die einzige Emotion, die der Regisseur ihm zubilligt, ist ein unterdrücktes Weinen – etwas wenig für einen sensiblen einsamen Menschen, der täglich das Grauen erleben muss. Selbst die Liebe zur Oper darf dieser Wallander nicht ausleben, und das, obwohl sein literarisches Vorbild oft nur diese als Halt hat. Hier hätte eine detailgenauere Adaption nur Vorteile gehabt.

Das Team dümpelt so vor sich hin

Philip Martin und Niall MacCormick teilen sich die Regiearbeit, die Drehbücher schrieben Richard Cottan und Richard McBrien. Alle lassen den Schauspielern wenig Raum, aus ihren Rollen Charaktere mit Persönlichkeit zu entwickeln - und so schaffen es Sarah Smart als Anne-Brit Höglund, Tom Hiddleston als Martinsson und Richard McCabe als Nyberg nicht, die sehr unterschiedlichen Charaktere im Team rund um Wallander zu zeigen; sie bleiben hölzern und indifferent. Lediglich Tom Beard als Svedberg lässt den Menschen hinter dem Polizisten erahnen. Es fällt schwer, so etwas wie Empathie für diese gestressten Beamten zu empfinden. Anders ist das bei Wallanders Tochter Linda, gespielt von Jeany Spark: Ihr kann man die Sorge um ihren Vater und den Willen, ihm beizustehen, ohne sich selbst aufzuopfern, abnehmen. Leider entspricht auch sie nicht gänzlich dem literarischen Vorbild und ich bin gespannt, wie die Serie hier noch die Kurve kriegen will.

Ein Blick in die Vergangenheit

12 Jahre sind seit dem Entstehen der Serie vergangen. Was damals up-to-date war, erscheint uns heute leicht antiquiert: Da sind die Computer, die wie Dinosaurier ihrer Art anmuten, da ist die Mode mit dem entsprechenden grellen Make-up, die Autos und überhaupt vieles, was 2020 anders aussieht. Wer heute erst in die Verfilmung einsteigt und nicht schon 2008 ein Fan war, könnte sich auch damit etwas schwer tun. 2009 allerdings war die Serie ein großer Erfolg, und so wurde Kommissar Wallander für Regie & Bester Hauptdarsteller beim „Primetime-Emmy-Award“ nominiert, gewann den „Bafta“ als beste Drama Serie, und Kenneth Branagh wurde als bester Schauspieler mit dem „British-Press-Guild-Award“ ausgezeichnet.

Die Geschichten halten den Zuschauer bei der Stange

Natürlich sind neben der Person Wallander die Geschichten das Fundament der Filme - und die haben es in sich: Wie bei Nordic-Noir-Plots nicht anders zu erwarten, wird hier nicht an Brutalität gegeizt, aber auch nicht an Spannung.

In Die falsche Fährte muss Wallander mit ansehen, wie sich ein junges Mädchen selbst verbrennt. Die Spur führt auf verzweigten Wegen zu einem Minister, einem Kunsthändler und ihren Machenschaften. Zwar ist die Lösung wesentlich schneller offensichtlich als im Buch, aber dennoch ist die Handlung fesselnd.

Genauso ist es in Die Brandmauer, wo es Wallander mit einem erstochenen Taxifahrer und einem toten IT-Experten zu tun bekommt. Der gesellschaftskritische Aspekt ist in dieser Episode überdeutlich.

Mittsommermord ist der persönlichste Fall für Wallander in dieser 1. Staffel: Er muss den Mörder seines Kollegen finden und hat es gleichzeitig mit mehreren ermordeten Jugendlichen zu tun. Er blickt in menschliche Abgründe, muss mit der eigenen Versäumnis, die Einsamkeit seines Kollegen nicht erkannt zu haben, fertig werden und sich persönlichen Herausforderungen stellen, die sein Leben nachhaltig beeinflussen.

Fazit

Kommissar Wallander ist eine relativ geglückte Verfilmung der Romane von Henning Mankell. Die Geschichten sind spannend und fesselnd, kranken jedoch an unvollständiger Charakterisierung ihrer Protagonisten. Der Zuschauer sollte auf Brutalität und Gewalt gefasst sein - und auf ein etwas veraltetes Setting, denn immerhin sind mittlerweile 12 Jahre seit der Entstehung der Filme ins Land gegangen.

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Cover und Fotos: © edel:motion/Glücksstern

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