Totenpech

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2011
  • 2
  • München: Piper, 2011, Seiten: 316, Originalsprache
  • Lennestadt: AV-Verlag, 2014, Seiten: 356, Originalsprache
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Andreas Kurth
90°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2011

Mumien, Morde und Mäzene

Ein reicher Kunstsammler wird in seinem Haus ermordet. Als Täter verhaftet die Polizei den italienischen Gigolo des Toten doch der leugnet hartnäckig. Sam OConnor wird kurz darauf von Europol für einen anderen Fall angefordert, und sein Kollege Alfred ermittelt zunächst allein weiter. Denn in verschiedenen Mittelmeer-Ländern sind mehrere Menschen spurlos verschwunden. Sam hat kaum Ansatzpunkte, doch er beginnt zu ahnen, dass der Mord in München mit den Vermisstenfällen zusammenhängt. Sein Privatleben geht derweil den Bach runter - Freundin Lina scheint eine Fernbeziehung nicht zu akzeptieren. Der Fall gewinnt schnell an Dynamik, und dem Ermittler geht der Überblick verloren, bis er im dramatischen Finale die Fäden endlich verknüpfen kann abermals mit persönlicher Tragik für Sam O'Connor.

Auch in ihrem zweiten Roman hat Tanja Pleva einen großen Wurf gelandet. Sie ist eine hervorragende Geschichten-Erzählerin, die ihre Leser von Beginn an mit der Handlung und den differenzierten Charakteren zu fesseln vermag. Ihr Protagonist Sam O'Connor ist ein Ermittler mit Ecken und Kanten, der erhebliche private Probleme hat in dieser Hinsicht passt sich Pleva leider dem derzeit vorherrschenden Mainstream an. Kommissarinnen und Kommissare müssen private Probleme haben, oder zumindest unglücklich verliebt sein. Aktuell schaffen es nach meiner Erfahrung nur wenige Autoren, diese Falle zu umgehen. Immerhin gelingt es O'Connor, sich auf die Ermittlungen zu konzentrieren, was wahrlich nicht immer einfach ist. Wer bereits Gottesopfer gelesen hat, kennt die Gnadenlosigkeit, mit der die Autorin ihrem Protagonisten harte persönliche Schicksalsschläge zumutet. In dieser Ausprägung ist das für mich neu, und auch im aktuellen Buch geht Pleva in dieser Hinsicht ziemlich zur Sache mehr darf hier nicht verraten werden.

Die Dramatik der Handlung baut sich relativ schnell auf. Tanja Pleva nutzt hier die Orts- und Perspektivwechsel überaus geschickt, um "häppchenweise" neue Aspekte zu präsentieren. Dabei steigert die Autorin in der ersten Hälfte des Buches die Verwirrung des Lesers ungemein, denn scheinbare Lösungsansätze werden fast umgehend konterkariert, und es gibt völlig neue Wendungen. Es werden vermeintliche Täter präsentiert, die zwar kriminell sind, aber mit dem Kern des untersuchten Verbrechens nichts zu tun haben. Wie die verschiedenen Personen und Handlungsstränge miteinander verwoben sind, hält Pleva lange "unter der Decke". Damit lässt sie dem Leser mehr als genug Raum für die eigene Fantasie und für eigene Spekulationen.

Auf jeden Fall gehört auch Totenpech zu der Sorte Bücher, die man nach dem ersten Drittel kaum noch aus der Hand legen mag. Die Autorin baut einen wirklich guten Spannungsbogen auf. Dazu trägt nicht unwesentlich der Kunstgriff bei, den Leser bei den Tötungen der Entführten dem Täter "über die Schulter" schauen zu lassen. Pleva vermittelt einen genauen Eindruck davon, welche Leiden einige der Opfer erdulden müssen, bevor sie durch den Tot von ihren Qualen erlöst werden. Dabei überschreitet sie dennoch niemals eine unsichtbare Linie, vermeidet zu detaillierte Schilderungen. Die Grenze zum Horror-Roman wird nach meiner Auffassung nicht überschritten, dem Buch und seiner Lesbarkeit bekommt das außerordentlich gut. Dennoch ist schnell klar, was mit den Menschen passiert, und es jagt dem Leser einige kalte Schauer den Rücken hinab. Und vor allem trägt diese Erzählweise dazu bei, das Rätsel um Hintergründe und Einzelheiten der Entführungen noch zu verstärken. Bis zur Auflösung im Finale tappen Ermittler und Leser gleichermaßen im Dunkeln.

Wie schon der Debütroman der Autorin ist auch Totenpech hervorragend recherchiert, um die Kunstwerke und die damit verbundene skurrile Sammler-Szene wird eine überaus glaubwürdige Geschichte gewoben, die für sich schon kurzweilig und interessant ist. In Verbindung mit dem Kriminal-Fall oder genauer den Kriminalfällen wird daraus ein feines "Erzähl-Kino", das ich mir auch gut in einer Verfilmung vorstellen könnte. Schon nach dem ersten Band war deutlich, dass der Ermittler Sam O'Connor noch reichlich Potenzial bietet, dieser Eindruck hat sich nach der Lektüre von Totenpech noch verfestigt. Man freut sich also schon auf eine weitere Episode aus der Feder von Tanja Pleva.

Totenpech

Tanja Pleva, Piper

Totenpech

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