Todestag

  • Suhrkamp
  • Erschienen: Januar 2011
  • 3
  • London: Serpent´s Tail, 2008, Titel: 'The Bloomsday dead', Seiten: 289, Originalsprache
  • Berlin: Suhrkamp, 2011, Seiten: 420, Übersetzt: Kirsten Riesselmann
Todestag
Todestag
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Jochen König
77°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2011

Irland sehen - und sterben?

Da ist er wieder. Das Stehaufmännchen, der Mann der häufiger wieder von den Brettern hoch kommt als Arnold Schwarzeneggers Terminator: Michael Forsythe in seinem letzten(?) Abenteuer, dem Abschluss der "Dead"-Trilogie. Und erneut wird auf ihn geschossen, eingeprügelt und anderweitig versucht ihm das Leben aus Herz und Hirn zu pressen. Ob Panzerfaust, Pumpgun oder Plastiktüte – wir, die wir die beiden Vorgänger kennen, haben eine Ahnung wie es ausgehen wird. Für Michael UND seine Gegner.

Erst in Lima im Kreuzfeuer, später in Irland seiner alten Heimat. Forsythe braucht bloß an einem x-beliebigen Tag aus einem x-beliebigen Flugzeug aussteigen und keine zehn Minuten später hat er einen Meuchelmörder auf den Hacken oder schlimmer noch – im Nacken. Doch Michael Forsythe wäre nicht der, der er ist, wenn es ihm nicht gelingen würde, zwar zerschunden und aus diversen Wunden blutend, seinen Widersachern immer mal wieder ein Schnippchen zu schlagen.

Was dringend nötig ist, denn die Rückkehr in seine alte Heimat erfordert Michaels vollste Konzentration. Seine Zeit ist knapp, Todestag ist der passende Titel, denn Adrian McKinty spult die ganze Handlung in knapp anderthalb Tagen ab. Den Flug von Lima über New York nach Dublin mit eingerechnet.

NEW YORK – 15.JUNI, 16 UHR – DUBLIN, 16. JUNI, 4.15 UHR

Doch was treibt Michael überhaupt zurück auf die grüne Insel, die er eigentlich hinter sich gelassen glaubte? Natürlich der Ruf einer Frau. Und nicht irgendeiner: Seine frühere Geliebte und jetzige Nemesis Bridget, die verzweifelt (mehrfach) sein Ableben herbeizuführen suchte, seit Forsythe ihren Mann Darkey White und seine Adjutanten ins Jenseits beförderte und die ganze Bande auffliegen ließ. Was die irische Gangsterschar in New York zwar dezimierte, aber nicht ausrottete. Die Verbliebenen haben eine neue "Generalin": Bridget. Die aus vermeintlicher Loyalität den Hass auf ihren Gattenmörder hegt und pflegt, bis sie seine Hilfe braucht. Tochter Siobhan ist entführt worden, und Michael soll seine alten Kontakte wie seine allgemeine Findigkeit nutzen um sie wieder aufzuspüren. Dafür gibt es einen Waffenstillstand bis um Mitternacht.

Wird Michael das Angebot annehmen? Wird ihm gelingen, was Polizei und vereinten Gangsterkräften nicht gelang? Wird von Irland noch etwas übrig sein, wenn er fertig ist? Wird von ihm noch etwas übrig sein? Wird seine immer noch verzweifelte Liebe zu Bridget erwidert werden? Oder wird Jim Morrison recht behalten: "No one here gets out alive?"

Überraschung? Nicht so richtig. Vielleicht der Kopf der Kidnapper, dessen Entlarvung und Existenz in Michael widerstrebende Gefühle hervorruft. Doch der Rest ist wie aus den vorherigen Bänden gewohnt: Over the top und dann noch einen drauf gesetzt. Mit so Kleinigkeiten wie Plausibilität oder filigranen Gefühlsregungen, Andeutungen und zwischenmenschlicher Zurückhaltung gibt sich McKinty nicht ab. Sein Michael Forsythe besitzt nicht die strategische Effizienz eines Jack Reacher oder gar die ausgefeilte Logistik (gepaart mit Lebensart) eines John Rain. Forsythe geht immer mitten hinein ins Gekröse, dahin wo’s wehtut. Ihm und allen anderen. Da wird der Capo inmitten seiner Gang ebenso bedroht wie der IRA-Mentor in der Bibliothek. Michael hat weit mehr Glück als Verstand und das zelebriert Adrian McKinty gnadenlos durch bis zum Exzess. Scheu vor großen Namen? Vergiss es. James Joyce ist omnipräsent (der Originaltitel heißt nicht umsonst: Bloomsday Dead) und die Kapitelüberschriften orientieren sich nicht umsonst an Homers Odyssee; damit auch jedem klar wird: ihr befindet euch am Ende einer großen Saga.

Das strotzt vor Selbstbewusstsein oder gar Arroganz und macht in seiner Konsequenz ungeheuren Spaß. Hier darf man kaum etwas für bare Münze nehmen, obwohl McKinty einige hervorragende, gelegentlich sogar nachdenkliche, literarische Stadt- und Innenansichten gelingen, im Vordergrund steht ein großer, blutiger und actionreicher Spaß mit langem Atem. Und so verzeiht man auch den größten inhaltlichen Humbug (wieso sollte Forsythe, der sich in Belfast kaum noch auskennt, gelingen, woran eine angeblich so mächtige wie gefürchtete Patin des organisierten Verbrechens mit gewaltigen Ressourcen und Unterstützung von Gangsterfreunden, Polizei, IRA und anderen inländischen Gruppierungen, scheitert?), erahnt die Schlusspointe bereits nach wenigen Seiten und amüsiert sich trotzdem prächtig. Todestag ist ein würdiger Abschluss, auch wenn man mehr noch als bei den Vorgängern Fünfe gerade sein lassen muss, um das Buch ohne Reue zu genießen.

Trotzdem raffiniert genug, dass der Verdacht nie schwindet, ob hinter der ganzen, gewalttätigen Verballhornung der Odyssee doch mehr stecken könnte als die bloße Lust an Zerstörung, Chaos, dem großen Abenteuer und den dazugehörigen Gefühlen. Viel Spaß beim Suchen. Und Finden?

Todestag

Adrian McKinty , Suhrkamp

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