Mörderische Fracht

  • Kein & Aber
  • Erschienen: Januar 2011
  • 1
  • Zürich: Kein & Aber, 2011, Seiten: 282, Originalsprache
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Jürgen Priester
82°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2011

Kein Wort zu viel, keins zu wenig!

Krimi-Kritiker und -Autor Dieter Paul Rudolph hat sich in seiner Mai-Kolumne (2011) für die Krimi-Couch mit dem Thema "Wenn der Krimi nicht zum Leser kommt..." beschäftigt. Unter anderem geht er darauf ein, wie schwierig es für einen Debütanten doch ist, das Geschriebene zum Lesenden zu bringen. Wenn man nicht den mühseligen und nicht unbedingt erfolgversprechenden Weg gehen will, sein Buch als Book on Demand zu veröffentlichen, bleibt einem nichts anderes als Verlagsklinken zu putzen. Mit diesem Problem war auch Neuling Lukas Erler mit seiner spannenden Trilogie um seinen Protagonisten Thomas Nyström konfrontiert. Nach viel Ablehnung ist er letztendlich bei dem kleinen, aber feinen, schweizerischen Verlag Kein & Aber untergekommen. Klein und fein ist auch das Ergebnis dieser Zusammenarbeit. Die Bücher der Trilogie erscheinen in gebundener Ausgabe, so richtig liebevoll mit einem Schutzumschlag und einem Lesebändchen. Für einige schmerzlich, aber wohl unumgänglich, ist der Preis von siebzehn bis neunzehn Euro je nach Band. Das wird viele davon abhalten, hier mal spontan zu zugreifen, aber zum Glück gibt es ja die Krimi-Couch, die schreibt, ob es sich lohnt oder nicht.

Um es vorweg deutlich zu sagen, es lohnt sich. Wieder einmal zeigt sich, dass es die Qualität ist, die ein Preis-Leistungs-Verhältnis bestimmt und nicht die Quantität. 270 Seiten kompakte, spannende Unterhaltung – kein Geschwafel, kein Füllstoff. Lukas Erler versteht es, auf den Punkt zu kommen.

Sicherlich hilfreich wäre ein Hinweis seitens des Verlags gewesen, dass Mörderische Fracht nach Ölspur, (2010) der zweite Teil einer Trilogie ist. Der Roman lässt sich zwar ohne Verständnisprobleme lesen, aber mehr als es bei einer Serie der Fall ist, ist einer der Haupthandlungsstränge mit dem Vorgängerband verquickt.

Lukas Erler holt weit aus. In Mombasa, Kenia, befindet sich eine Frau in der Gewalt ihr unbekannter Männer; in Grosny, Tschetschenien, wird der Plan zu einem Anschlag belauscht. Ob oder wie diese singulären Ereignisse miteinander verbunden sind, werden wir vielleicht erfahren. Zuerst fokussieren sie sich auf die Person des Helden.

Thomas Nyström, der Ich-Erzähler dieser Geschichte, ist wieder an sein Neurologisches Institut in München zurückgekehrt. Die Geschehnisse von vor zwei Jahren (Ölspur), bei denen seine damalige Freundin Helen ums Leben kam, hat er noch nicht verdaut. Als er nun durch Helens Schwester Anna von neuerlichen Aktivitäten seines Widersachers erfährt, läuten bei ihm alle Alarmglocken. Fast zeitgleich meldet sich eine Komplizin aus jenen Tagen zurück – Elena Bakarova aus Lettland, die über ihren Vater Kenntnis von einem ungeheuerlichen Attentat auf ein maritimes Ziel in der Ostsee erlangt hat. Thomas Nyström sieht sich an zwei Fronten herausgefordert.

Die Informationen, die Elena aus Lettland mitbringt, sind von höchster Brisanz. Tschetschenische Separatisten wollen für ihren Befreiungskampf ein globales Zeichen setzen und gleichzeitig Druck auf die russische Regierung ausüben. Ein Öltanker soll in der Kadet-Rinne, einer relativ schmalen Passage in der Mecklenburger Bucht versenkt werden. Für die labile Ostsee wäre das ein Super-GAU. Nyström nimmt Kontakt zum befreundeten Meeresbiologen Volker Meiners in Travemünde auf, der ihm dringend rät, vor Ort vorstellig zu werden. Gemeinsam mit Anna und Elena reist Nyström zunächst nach Hamburg, wo sie Meiners treffen. Von da aus führt ihr Weg weiter nach Cuxhaven zum MSZ, dem Maritimen Sicherheits-Zentrum, einer neugeschaffenen Koordinierungsinstanz für maritime Angelegenheiten. Eine hektische Betriebsamkeit bricht aus – die Zeit drängt. Es wird recherchiert, geplant und gemutmaßt, aber es zeigt sich, dass der Prävention Grenzen gesetzt sind.

Nyström und seine Begleiterinnen haben in dieser Angelegenheit nur noch eine beratende Funktion. Das heißt aber nicht, dass sie aus der Schusslinie gekommen sind, denn Elena ist die ganze Zeit verfolgt worden – neue Feinde sammeln sich in Deutschlands Norden. Auch die "alten" Feinde sind nahe – die Lage spitzt sich zu. Manch einem steht das Wasser bis zum Hals.

Auch wenn man davon ausgehen kann, dass Thomas Nyström als Ich-Erzähler die Nachstellungen seiner Häscher überlebt, beeindruckt die Intensität, mit der Lukas Erler Todesängste darstellen kann. "Was denkt ein Mann, den Tod vor Augen? "Wie ist seine Gefühlslage?" In Analogie dazu kann man auch schon die Eingangsszene zur Geschichte betrachten. Es scheint sich um den typischen Thriller-Einstieg zu handeln: eine halbnackte Frau liegt gefesselt und geknebelt auf einem Tisch von übelwollenden Männern umringt. Todesängste – aber nicht exhibitionistisch inszeniert, sondern so realistisch, dass es den Leser tief innen berührt. Lukas Erler ist kein Freund von vielen Worten, sondern er findet die richtigen.

Der Rezensent bedauert es, den ersten Teil (noch) nicht gelesen zu haben, denn hier zeichnet sich insgesamt eine glaubwürdige, sehr intensive Geschichte ab, die man von Anfang bis zum Ende verfolgen sollte. Man darf gespannt sein, wie Thomas Nyström sich weiter entwickelt. Ein Held, der auf den ersten Blick sehr sympathisch erscheint, über dessen Schattenseiten man aber trefflich diskutieren könnte. Mit Anna Jonas hat ihm der Autor eine starke Persönlichkeit zur Seite gestellt, die nicht Anhängsel oder Geliebte ist, sondern ganz selbstbewusst ihren Part im Duo Nyström/Jonas ausfüllt.

Lukas Erler erzählt von großen Verbrechen und einer persönlichen Rache. Er tut das mit einer für einen Neuling bemerkenswerten Erzählökonomie, die für viele Jungautoren ein Fremdwort zu sein scheint. Mehr über Lukas Erler und seine Trilogie gibt es im Interview, das die Krimi-Couch mit ihm führte.

Mörderische Fracht

Lukas Erler, Kein & Aber

Mörderische Fracht

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