Bullenball

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2011
  • 2
  • München: Piper, 2011, Seiten: 320, Originalsprache
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Andreas Kurth
82°1001

Krimi-Couch Rezension vonFeb 2011

Achtung – klarer Suchtfaktor!

Bernhard Hambrock ist "Strohwitwer", denn seine Frau ist bei ihren Eltern in den Niederlanden, um sich dort um den Vater zu kümmern - ihre Mutter ist im Krankenhaus. Der Hauptkommissar kann die seltene Freiheit aber nicht recht genießen, schon nach wenigen Tagen zieht es ihn immer häufiger in die Kneipe. Da kommt ein wenig Arbeit ganz recht. Ein Security-Mitarbeiter wird in der Münsterland-Halle tot aufgefunden. In wenigen Tagen soll dort der Bullenball stattfinden, eine Riesenveranstaltung der Landjugend. Mord oder doch nur ein Unfall? Unklar ist auch, was der Mann dort wollte. Die Ermittler kommen überhaupt nicht weiter, und müssen sich dann auch noch um Drohungen am Telefon und im Internet kümmern. In einem Gymnasium im nahe gelegenen Nottuln soll ein Amoklauf stattfinden, so die Ankündigungen. Auch hier laufen die Nachforschungen der Polizei zunächst ins Leere, erst langsam können sich die Ermittler ein Bild zusammen setzen. Das Puzzle wird langsam deutlicher, und Hambrock ahnt, dass etliche Fäden beim Ball der Landjugend zusammen laufen.

Bullenball  ist der vierte Band aus der Bernhard-Hambrock-Reihe von Stefan Holtkötter. Ging es in dem spannenden Vorläufer Bauernjagd noch um ein verschlafenes Bauerndorf im Münsterland, ist jetzt die Handlung zwischen dem Umland und der Stadt aufgeteilt. Erneut versteht es der Autor, den Leser von Beginn an mit seiner verwickelten und in verschiedene Handlungsstränge aufgeteilten Geschichte zu fesseln. Dabei geht es zunächst um scheinbar nicht miteinander zusammen hängenden Ereignisse und Personen. Aber gerade diese verschiedenen Charaktere und ihre Befindlichkeiten sorgen für Spannung.

Neben einem eher gewöhnlichen Verbrechen geht es auch um Mobbing in der Schule, eine stets aktuelle Problematik. Verstärkt wird der zuweilen heftige Konflikt unter den Schülern noch durch den Stadt-Land-Gegensatz. Dieses Thema kennt man vor allem in ländlichen Gegenden, wo Kinder aus landwirtschaftlichen Betrieben oder dörflichen Strukturen auf Altersgenossen treffen, die in der Stadt leben und aufgewachsen sind. Die Unterschiede beginnen bei der Kleidung und hören beim  Freizeitverhalten noch lange nicht auf. Holtkötter baut diesen "ewigen" Gegensatz mit authentischen Dialogen wirklich gut in seine Roman-Handlung ein.

Daneben präsentiert er seinen Lesern einige junge Protagonisten, die dafür sorgen, dass der Roman auch jenseits der Kriminalgeschichte lesenswert ist. Da ist das Verlobungspaar Jule und Jonas. Im Grunde völlig gegensätzliche Menschen, und zudem weiß Jule um die dunkle Seite ihres Zukünftigen. Eingehend werden ihre Zweifel und Bedenken geäußert. Und dann ist da ihre beste Freundin Marie, ihrerseits unsterblich in Jonas verliebt – ein lauerndes Konfliktpotenzial. Als der Junggesellen-Abschied geplant wird, läuft auch dieser Handlungsstrang auf ein Finale beim Bullenball zu.

Ben ist ein zwielichtiger Außenseiter mit überraschenden Plänen, und dann sind da noch Adelheid und ihr König von Brook. Sie werden alle geschickt in die Story eingeflochten und spielen ihre ganz eigene Rolle – aber mehr will ich hier nicht verraten. Die Überraschungen sind wirklich knifflig angelegt, nur stückchenweise werden die Zusammenhänge verdeutlicht, und die Spannung steigt immer weiter an. Stefan Holtkötter ist ein ausgezeichneter Erzähler, dass hat er mit Bullenball einmal mehr nachdrücklich gezeigt.

Besonders angenehm finde ich, dass Hambrock als Ermittler keinesfalls im Mittelpunkt der Geschichte steht, sondern die Handlung ist wichtiger als die Hauptfigur. Die immer wieder eingestreute Perspektive des Mörders sorgt für zusätzliche Spannung, ohne das seine Identität zu früh enthüllt wird.

Das viel beschworene "Lokalkolorit" wirkt im übrigen nicht aufgesetzt. Allerdings tritt der Stadt-Land-Gegensatz in dieser Form überall in Deutschland auf. Der Roman könnte also auch in einer anderen Region spielen. Aber Holtkötter thematisiert dieses gesellschaftliche Problem wirklich gekonnt. Angesichts der demografischen Entwicklung dürfte sich das Gefälle zwischen Stadt und Land übrigens noch verschärfen, was auch zu einem Anschwellen der Probleme führen wird. Im furiosen Finale des Romans laufen die Fäden zusammen, aber teilweise völlig anders, als vom Leser erwartet. Gegenüber Bauernjagd hat sich der Autor nochmals gesteigert und ist nach meiner Auffassung nun in der ersten Liga angekommen. Man sollte das Buch übrigens nicht in der Woche lesen, ich empfand es als ärgerlich, bei der spannenden Lektüre immer wieder unterbrochen zu werden. Also lieber am Freitagabend anfangen, mit dem freien Wochenende vor der Nase.

Bullenball

Stefan Holtkötter, Piper

Bullenball

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