Der Holzfischer

  • Berenkamp
  • Erschienen: Januar 2010
  • 1
  • Hall in Tirol: Berenkamp, 2010, Seiten: 263, Originalsprache
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Lutz Vogelsang
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2011

Ein charmantes kleines Sittenbild

Landstein gleicht einer Idylle. Die tägliche Verbrechensbekämpfung stellt die Polizei der fiktiven Tiroler Kleinstadt nicht gerade vor unüberwindbare Hindernisse. Verkehrsdelikte, Diebstähle und gelegentlich eine Fahndung. Die Beamten führen ein eher ruhiges und beschauliches Berufsleben. Genau das richtige Pflaster für Matteo Steininger, seines Zeichens eingeborener Landsteiner und Kriminalinspektor alter Prägung. Steininger, der seinen Papierkram vorzugsweise auf einer klapprigen Reiseschreibmaschine im Biergarten der Dorfschenke erledigt, ist ein Mann ruhiger Töne, umgänglich und gewissenhaft. Sein Gewissen verpflichtet ihn allerdings weniger seinem Vorgesetzten und den bürokratischen Dienstroutinen, als seinen Mitbürgern, von denen er einen Großteil sein Leben lang kennt. Ein Umstand, den er in seinen Ermittlungen geschickt auszunutzen weiß.

Mit dieser Harmonie ist es allerdings nicht mehr weit hin, als in einem Birkenwald unweit der Stadt bereits skelettierte Überreste gefunden werden. Die Leiche der jungen Frau, die an die 50 Jahre dort gelegen haben muss, lässt kaum Rückschlüsse auf ihre Identität zu. Wer war die Frau? Und vor allem: War es Mord? Während Polizeikommandant Knittel sich bereits mit der medialen Ausschlachtung des spektakulären Falles beschäftigt, beginnt für Steininger eine langwierige Ermittlung, die ihn weit in die Vergangenheit führt.

Wer hier allerdings auf den Anfang einer spannenden Krimi-Handlung hofft wird enttäuscht. Man wird den Eindruck nicht los, dass der Autor seiner Erzählung die Krimi-Elemente eher widerwillig überstülpt. Das beginnt schon damit, dass der sonst relativ unambitionierte Inspektor Beweismittel vom Tatort mitgehen lässt, um sich einen Ermittlungsvorsprung zu sichern. Das eben diese Puzzleteile am Ende des Buches die Beweiskette schließen, ist absehbar. Ein zufällig auftauchender Landstreicher und anonyme Briefe liefern die nötigen Informationen. Und wenn gar nichts mehr vorangehen will, muss ein "cold hit", ein Zufallstreffer einer spanischen DNA-Datenbank, herhalten. Nein, dieses Buch ist kein klassischer Krimi, zumindest kein wirklich spannender.

Dietmar Wachter hat mit Der Holzfischer eher einen Heimat-, denn einen Kriminalroman vorgelegt. Ein charmantes kleines Sittenbild seiner eigenen Tiroler Heimat. Die ländliche Idylle gerät durch den Leichenfund aus den Fugen, und Inspektor Steininger versucht, mit viel Fingerspitzengefühl die Wogen zu glätten. Man merkt, dass der Autor reale Vorbilder vor Augen hatte, als er seine eigenwilligen Charaktere zu Papier brachte. Er schafft es ganz wunderbar, all seinen unverwechselbaren Figuren Kontur und Gesicht zu verleihen. Und alle Figuren sind ihm auf ihre Art wichtig. Sie alle haben ihre Vergangenheit, ihre kleinen, ureigenen Anekdoten. Zudem ist die Schilderung der Holzfischer, die am Inn mit langen Haken Treibholz aus dem reißenden Fluss angeln, ein sympathisches Stück Geschichte und auch für Nicht-Tiroler interessant.

Dieses Buch, mit all seinen liebevoll ausgemalten Figuren und seinen charmanten Anekdoten, zu lesen, fühlt sich an, als würde einem die Geschichte wirklich von jemand vertrautem erzählt. Als säße man am Kamin mit seinem Großvater, der für einen langen Abend in seiner Erinnerung schwelgt, mal nachdenklich, mal verschmitzt lächelnd. Aber immer persönlich und vertraut.

In einem Interview hat der Autor erwähnt, er könne sich durchaus weitere Bände mit Inspektor Steininger vorstellen. Dem möchte ich mich anschließen.

Der Holzfischer

Dietmar Wachter, Berenkamp

Der Holzfischer

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