Ein Schlachtplan für Miss Winter

  • Suhrkamp
  • Erschienen: Januar 2010
  • 1
  • New York: Harper, 2008, Titel: 'The winter of her discontent ', Seiten: 323, Originalsprache
  • Berlin: Suhrkamp, 2010, Seiten: 487, Übersetzt: Kirsten Riesselmann
Ein Schlachtplan für Miss Winter
Ein Schlachtplan für Miss Winter
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Wolfgang Franßen
65°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2010

Noch zwei Minuten

Kann es sein, dass Miss Marple wieder auferstanden ist und es keiner bemerkt hat? Rosie Winter ist sicher nicht so eine Schrulle, geniale Gouvernante, auch nicht Mitglied in Clubs, die ihr den Eintritt in die feinere Gesellschaft ermöglichen, nein Rosie Winter ist Schauspielerin und das auch noch zu Zeiten des Krieges, wo der geliebte Mann verschollen ist und seine Briefe zensiert werden.

In bester Miss Marple Manier lässt Kathryn Miller Haines, ihre Rosie ermitteln. Aus Neugier. Aus Besserwisserei. Aus Beistand.

Als ein Broadway-Starlett ermordet wird, Al, der Freund und Handlanger der Mafia sogleich als Mörder überführt wird und geständig ist, weiß allein Rosie Winter, dass er unschuldig ist. Wie aber beweist man das? Indem man sich einschleust, das Aushorchen beginnt. Wie Miss Marple wird sie Teil einer Gruppe von Menschen, denen sie sich scheinbar wie ein Chamäleon anpasst und gelegentlich, wenn es dem Fall dient, die Farbe wechselt. Miller Haines Schauspielerin muss in Ein Schlachtplan für Miss Winter zuweilen ihre Glieder arg strapazieren , weil sie in einer Tanzcompagnie nun wirklich nichts zu suchen hat, das auch weiß und sich nicht einmal allzu sehr anstrengt. Sie rechnet eh mit dem Rauswurf.

Doch wie Miss Marple ist sie davon überzeugt, dass sie allein die wahren Machenschaften aufdecken wird. Zumal in einer Welt, die auf Tratsch aufgebaut ist, bei der man sich nur an die Freundinnen im Theater heranschmeißen muss, um Näheres zu erfahren.

Die Autorin hat Theaterwissenschaften studiert, ist Dramatikerin, Schauspielerin, sie weiß also, wovon sie schreibt. Die stärksten Passagen in ihrem Buch sind gerade die Szenen, in denen es ihr gelingt, vom Alltag hinter den Kulissen oder während der Proben zu erzählen. Dass Rosie trotz ihres Unvermögens, sich die richtige Schrittfolge zu merken, tatsächlich als Tänzerin aufgenommen wird, und wie sie dort auf den ersten Proben kläglich scheitert, es ihr nichts ausmacht, dass sie die restlichen Tänzer in der Entwicklung behindert, besitzt durchaus Witz.

Nur der Plot erscheint einem nicht nur in der Zeit des Zweiten Weltkriegs falsch angesiedelt zu sein, ihm haftet etwas Altbackenes an. New York in den 40er, Fleischrationierung, eine Schauspielerin, die sich zu höherem berufen fühlt, und die Mafia, die ein Theater Donnerstags ab Fünf für sich beansprucht. Was Rosie selbstverständlich erfährt, weil sie durchs Haus schleicht und an Türen lauscht. Der nostalgische Touch von "Broadway Danny Rose" von Woody Allen lugt um die Ecke. Ein Cozy-Krimi, ohne Miss Marples ländliche Idylle, wo Verbrechen noch aus Leidenschaft begangen wurden.

Die Motive liegen allzu bereitwillig auf der Hand. Wenn der Gangster Vinnie Geld in ein Theater steckt, ist klar, dass er das Haus als Mafiastützpunkt benutzen will, womöglich gar als Zwischenlager für Leichen. Das würde auch weiter niemanden stören, weil die Zeiten nun mal so sind, wie sie sind, aber dass ausgerechnet Al darin verstrickt wird, macht das Ganze für Rosie zu einer mittelschweren Katastrophe, und ruft ihr zweites Ich als Detektivin auf den Plan.

Der Krimi als Revue. New York als Kulisse. Der zweite Weltkrieg aus amerikanischer Sicht. Was in erster Linie bedeutet, dass die geliebten Männer kurz vor dem Marsch ins Feld noch geheiratet werden und die Sehnsucht nach Helden groß ist.

 

Im Original heißt der Roman The Winter of her Discontent. Der deutsche Titel legt nahe, dass es sich hier wohl um eine Geschichte handelt, welche die ARD gerne zu ihren Lebzeiten mit der genialen Evelyn Hamann in der Hauptrolle - vorzugsweise um Viertel nach Acht wochentags - besetzt hätte. Es kommt dabei weniger auf Spannung, als auf das Erzeugen von Sympathien an. Zuweilen verstaubt auch die Nostalgie, wenn allein auf die Sehnsucht nach der guten alten Zeiten gesetzt wird.

Noch zwanzig Minuten, ruft die Inspizientin im Buch. Dann geht das Spektakel los. Zeit genug für Rosie Winter, den Fall zu lösen. Das ist Gesetz. Dazu braucht sie nicht mal einen Mister Stringer. Sie hat Jayne.

Ein Schlachtplan für Miss Winter

Kathryn Miller Haines, Suhrkamp

Ein Schlachtplan für Miss Winter

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