Die Frau im Moor

  • Hodder & Stoughton
  • Erschienen: Januar 2003
  • 1
  • London: Hodder & Stoughton, 2003, Originalsprache
  • München: Heyne, 2004, Seiten: 462
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Wolfgang Weninger
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2007

Schaurige Sequenzen in historischen Gemäuern

Seit Jahrhunderten werden beim Torfstechen Moorleichen gefunden. Gerb- und Huminsäuren konservierten die Körper und durch den Chemismus in den Torfmoosen färben sich die Haare der Leichen immer rot. Der bekannteste Fund in unseren Breiten ist das "Mädchen aus dem Uchter Moor".

Die Amerikanerin Erin Hart, die mit dem irischen Akkordeonspieler Paddy O´Brien verheiratet ist, hat bei einem Besuch in der Heimat ihres Mannes ebenfalls vom Fund einer rothaarigen Mädchenleiche gehört. Diese Eigenheit der rot gefärbten Haare hat, wie oben angemerkt, allerdings nichts mit der den Iren angedichteten Haarfarbe zu tun, denn nur fünf Prozent der Iren weisen diesen natürlichen Farbton auf, also nicht mehr als anderswo. Dennoch fühlte sich Frau Hart dazu berufen, ihren ersten Roman "Haunted Ground" zu schreiben, der 2003 auf den amerikanischen Markt gekommen ist und in der Übersetzung von Gabriele Weber-Jaric bei Heyne als Hardcover und Taschenbuch mit dem Titel Die Frau im Moor verlegt wurde.

Die Sensibilisierung für archäologische Funde und für die Erhaltung der letzten ursprünglichen Kulturlandschaften hat in Irland dazu geführt, dass seit 1999 mit dem industriellen Torfstechen Schluss ist. Lediglich für den privaten Gebrauch dürfen die Landbewohner dieser jahrhundertealten Tradition nachgehen. Dabei stoßen in diesem Kriminalroman Brendan und Fintan McGann auf den Kopf einer rothaarigen Frau.

Cormac Maguire vom Archäologischen Institut der Universität Dublin und Nora Gavin, Pathologin am amerikanischen Trinity College, die besonders an Moorleichen interessiert sind, werden als technische Berater vor Ort geschickt und erkennen auf den ersten Blick, dass das Mädchen enthauptet wurde. Allerdings lässt sich ohne umfangreiche Untersuchungen nicht sagen, wie lange der Kopf bereits im Torf gelegen hat, es könnte sich also auch um ein aktuelles Verbrechen handeln.

Denn zwei Jahre zuvor ist die Frau des Grundbesitzers Hugh Osborne mit ihrem kleinen Sohn spurlos verschwunden. Die Polizei hat keinerlei Anhaltspunkte, dass die Beiden einem Verbrechen zum Opfer fielen, aber was das Moor ein Mal verschlungen hat, gibt es nur selten wieder frei. Und nicht nur Detective Garrett Devaney vermutet, dass hier etwas nicht mir rechten Dingen zugegangen ist, auch die Dorfbevölkerung von Dunbeg spricht hinter vorgehaltener Hand davon, dass Osborne eine Beziehung zur Schwester der beiden McCanns gehabt habe und ihm der Tod von Frau und Kind durchaus auch aus wirtschaftlichen Gründen gelegen gekommen sei. Aber Devaney wird von höherer Stelle untersagt, in diesem Fall zu ermitteln, denn bislang gibt es keine Leichen und somit auch kein Verbrechen.

Osborne, der für seine kommenden Unternehmungen eine Expertise über den archäologischen Schutz von Bauland benötigt, bittet Maguire und Gavin um deren Unterstützung. Während sie bei ihm auf Bracklyn House wohnten, könnten sie nicht nur seinen Auftrag erledigen, sondern auch die Suche nach dem Körper der rothaarigen Frau voran treiben und eventuell klären, was mit seiner Frau und seinem Sohn passiert sei ...

Erin Hart zeigt in ihrem Erstling nicht nur verschlungene Wege bei der Klärung eines historischen und eines aktuellen Kriminalfalles. Was aus jeder Zeile heraus sticht, ist ihr Interesse an der Geschichte und Tradition Irlands. Die Menschen in ihrem Roman sind richtig sturschädelige Dorfbewohner, die sich zwar in erster Linie um sich selbst kümmern, aber jede Gelegenheit zum Anlass nehmen, neue Gerüchte zu verbreiten und immer das Schlimmste zu vermuten. Trinkfestigkeit und der regelmäßige Besuch im Pub gehören natürlich dazu und da macht auch der ältliche Detective keine Ausnahme.

Seine Liebe gehört der Fidel und weil Maguire Flöte spielt, gehört er bald zum Kreise jener, die im Lokal gemeinsam musizieren. Die alten irischen Weisen werden hier gepflegt und bei der Beschreibung dieser Szenen entstehen großartige Stimmungsbilder, die für mich die Hauptfaszination in Frau Harts Krimi ausmachen. Die Beschreibung von Land und Leuten, von Traditionen im Denken und Tun, gehören zum Besten, was ich in diesem Bereich bislang gelesen habe. Dabei muss man auch die Übersetzung loben, die unaufdringlich und wortgewaltig die Atmosphäre wirken lässt.

Dass dabei die Spannung nicht zu kurz kommt, dafür sorgt die liebe Verwandtschaft. Vor allem Osbornes Schwester mit ihrem nicht ganz astreinen Sohn und die familiären Probleme im Hause McGann mit ihren Verknüpfungen sorgen immer wieder dafür, dass der Leser seine Verdächtigen findet, ohne diese bis zum Schluss als Täter identifizieren zu können. Schaurige Sequenzen in historischen Gemäuern lassen den Wissenschaftlern ein ums andere Mal gemeinsam mit dem Leser ordentlich die Gänsehaut aufsteigen, es ist also auch für genügend Action gesorgt, um den Krimifreund bei der Stange zu halten.

Dennoch kann ich für dieses Buch keine Höchstwertung vergeben, denn die Lösung der auf über 400 Seiten aufbereiteten Suche nach Identität und Körper des Moorkopfes ist weit weniger spektakulär, als man es nach der Lektüre des stimmungsvollen Romans erwartet hätte. Für einen Erstling ist Die Frau im Moor jedoch mehr als passabel und macht neugierig auf den Nachfolger Kalte Umarmung, der im Vorjahr erschienen ist.

Die Frau im Moor

Erin Hart, Hodder & Stoughton

Die Frau im Moor

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