In ewiger Stille

  • Ullstein
  • Erschienen: Januar 2007
  • 1
  • Oslo: Gyldendal, 2005, Titel: 'Din eneste venn', Originalsprache
  • Berlin: Ullstein, 2007, Seiten: 478, Übersetzt: Gabriele Haefs
In ewiger Stille
In ewiger Stille
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Thorsten Sauer
68°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2007

Verworrene Geschichte aus dem hohen Norden

Krimis aus Skandinavien stehen im Allgemeinen für Spannung und, bedingt durch ein gewisses schriftstellerisches Niveau, auch meist für einigermaßen tiefgründige Geschichten. Doch hinter der ersten Reihe der skandinavischen Autoren ist eine gewisse Lücke zu erkennen. Zwar kommen auch jenseits der bekannten Namen noch echte Krimi-Juwelen aus dem hohen Norden zu den deutschen Buchhändlern, doch angesichts der Schwemme skandinavischer Autoren, leider auch viel Mittelmäßiges. Der norwegische Autor Jan Mehlum ist so einer aus der zweiten Reihe, der versucht sich neben den großen Landsleuten wie zum Beispiel Anne Holt und Karim Fossum international zu etablieren. Er hat schon einige Preise eingeheimst und mit "In ewiger Stille" veröffentlicht er seinen vierten Roman in deutscher Sprache.

Von Justizirrtümern, Serien-Mördern und einem rachsüchtigen Ex

Der nur sehr lässig erfolgreiche Anwalt Svend Foyn erhält eines Tages einen Anruf von der Journalistin Mirjam Lange und ist davon gleich in zweifacher Hinsicht überrascht. Hauptsächlich deshalb, weil er die bekannte Journalistin aus dem Fernsehen kennt und weiß, dass die resolute Frau intensiv an einer großen Story arbeitet. Aber auch, weil er weiß, dass Mirjam Lange eine Behinderung hat, bei der das Telefon eigentlich das ungeeigneteste Kommunikationsmittel sein müßte. Mirjam Lange ist taub. Doch Foyn muß schnell erkennen, dass Lange für alle Einschränkungen, die ihre Taubheit mit sich bringt, eine Lösung hat. Telefongespräche übersetzt der Computer synchron in Schrift und bei persönlichen Gesprächen mit Nicht-Gehörlosen, kann Lange von den Lippen lesen.

Die Story an der sie arbeitet, befasst sich mit einem lange zurück liegenden Fall. In den 80er Jahren wurden mehrere Frauen vergewaltigt und ermordet. Als Täter wurde der gehörlose Reidar Anderson identifiziert und zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt. Zu unrecht wie Mirjam glaubt und sie möchte beweisen, dass die Verurteilung hauptsächlich auf Andersons taubheitsbedingtes Unvermögen sich zu verteidigen zurück zu führen ist. Sie bittet Foyn, der Jahre zuvor einen ähnlich gelagerten Fall verteidigt hatte, bei den Recherchen behilflich zu sein.

Da der tief beeindruckt ist von der selbstbewussten Journalistin, die nicht nur ihren Job meistert, sondern auch noch ihre an epileptischen Anfällen leidende Tochter alleine erzieht, willigt zögerlich ein. Aus Respekt wird Zuneigung und aus der Zuneigung Liebe. Eine neue Situation für den einzelgängerischen Anwalt, der es gewohnt ist, in seiner Hündin Hulda die einzige Freundin zu haben. Doch er Mut nicht nur mit seiner Gefühlswelt klar kommen, die Recherche entwickelt sich zu einer echten Bedrohung für Mirjam. Sie hat einigen mit dem alten Fall betrauten Herren bei Polizei und Justiz auf die Flüsse getreten und die haben soviel zu verlieren, dass sie vor nichts zurückschrecken. Dann wird die Stadt auch noch erneut von einem Mörder heimgesucht, der nahezu genauso vorgeht, wie der Mörder in den 80er Jahren. Schlecht für den gerade aus der Haft entlassenen Anderson, der sofort wieder im Fadenkreuz steht. Als ob das nicht schon genug wäre, macht auch noch ein rachsüchtiger Ex-Freund Mirjam das Leben schwer. Ein lebensbedrohliches Dreieck, doch nur Hulda erkennt die drohende Gefahr rechtzeitig.

Sein einziger Freund

Schade, dass der Verlag aus dem treffenden Originaltitel einen der vielen nichtssagenden "Pseudo-Bibelzitat-Titel" gemacht hat, die sich mehr und mehr zum Markenzeichen deutschsprachiger Krimis entwickeln. Svend Foyn hat in der Tat nur einen einzigen Freund, genauer gesagt Freundin, die hat vier Beine und hört auf den Namen Hulda. Alle Zweibeiner begegnen dem Anwalt mit offener Ablehnung oder zumindest einer gewissen Distanz. Daher geraten seine Gefühle auch ziemlich durcheinander, als er sich in die gutaussehende Journalistin Lange verliebt.

Diese Grundkonstellation ist beim besten Willen nicht gerade neu und das war wohl auch Mehlum klar. Daher hat er versucht, dem Ganzen durch Langes Taubheit neue Aspekte abzugewinnen. Das glückte ihm nur teilweise. Die Journalistin hat ihre Taubheit derart gut im Griff, dass sie eigentlich gar keine Rolle spielt. Sie führt völlig normale Dialoge und agiert auch sonst als existiere die Behinderung nicht; abgesehen von einem einzigen Mal, aber das soll hier nicht vorweg genommen werden.

Doch trotz der etwas konstruiert wirkenden Figuren, beginnt die Geschichte vielversprechend. Gleich auf den ersten Seiten legt Mehlum ein Tempo vor, das den Leser sofort in die Geschichte zieht und er versteht es durch einige unerwartete Wendungen immer wieder für Spannung zu sorgen. Leider übertreibt er es auch hier ein wenig. Ständig eröffnet er neue Nebenhandlungen, die letztlich nur Verwirrung stiften. In der aktuellen Mordserie gibt es Ermittler, Verdächtige und Informanten. Gleiches gilt für den 20 Jahre zurück liegenden Fall, bei dem noch die ins Spiel kommen, die Langes Recherchen aus Angst allzu gerne beendet sähen. Als ob das noch nicht genug wäre, taucht auch noch ein Ex-Freund auf, der sein eigenes Spiel mit Lange und Foyn treibt.

Offensichtlich war das auch für Mehlum ein wenig zu viel und so passiert etwas, für einen Krimi, höchst ungewöhnliches. Die Story hat ihren Höhepunkt 50 Seiten vor Schluss, da der Autor die verbleibenden Seiten braucht, um das Geschehen noch einmal zu rekapitulieren und einer logischen Auflösung zuzuführen. Schade, denn ein wenig mehr Geradlinigkeit in der Erzählweise und Fokussierung auf die Kernhandlung hätte aus "In ewiger Stille" einen spannenden, wenn auch nicht gerade überragenden Krimi machen können. So bleibt die Geschichte nur eine Fortsetzung der Serie, die hauptsächlich Fans von Mehlum interessieren dürfte. Der erste Reihe der norwegischen Krimi-Autoren ist er mit "In ewiger Stille" nicht sehr viel näher gekommen.

In ewiger Stille

Jan Mehlum, Ullstein

In ewiger Stille

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