Das Schattenritual

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 2007
  • 2
  • Paris: Fleuve noir, 2005, Titel: 'Le Rituel de l´Ombre', Seiten: 384, Originalsprache
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2007, Seiten: 573, Übersetzt: Sigrun Döring und Kerstin Krolak
Das Schattenritual
Das Schattenritual
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Jörg Kijanski
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2007

Thule-Gesellschaft gegen Freimaurer - vom Dritten Reich bis in die Gegenwart

Berlin, April 1945: Der Krieg nähert sich unerbittlich seinem Ende, da die Russen bereits vor Berlin stehen. Für Hitlers mächtigen Sekretär Martin Bormann gilt es daher, an künftige Generationen zu denken und so erhalten kurz vor Kriegsende einige auserwählte SS-Leute Spezialaufträge. Unter ihnen befindet sich Francois Le Guermand aus der Division Charlemagne, der einen LKW-Konvoi anführen soll, um mehrere Kisten mit geheimen Dokumenten in Sicherheit zu bringen.

Jerusalem, Rom: 8. Mai 2005: Von einem Kontaktmann hat Marek, der in Jerusalem am Institut für archäologische Forschungen arbeitet, einen sensationellen Fund erhalten, den "Stein von Thebbah". Dieser soll ein Bestandteil zur Aufdeckung eines uralten Freimaurerrituals sein. Doch nicht nur die Freimaurer haben an diesem Fundstück größtes Interesse, auch ihre Gegner, der Geheimbund der Thule-Gesellschaft, ist an dem Stein interessiert. Während Marek in Jerusalem den Stein von Thebbah untersucht, findet in der französischen Botschaft in Rom ein großer Empfang statt. An diesem nimmt auch Sophie Dawes teil, die für die französische Großloge Grand Orient als Archivarin arbeitet und einen Zwischenstop auf ihrer Reise nach Israel eingelegt hat. In Israel soll sie Marek bedeutsame Unterlagen übergeben, die ihm bei seiner Untersuchung des Steines weiterhelfen.

Doch es kommt alles ganz anders, denn Sophie wird noch während des Empfanges getötet. Ein Schlagstock trifft sie zunächst auf der Schulter, dann ins Genick und zuletzt auf die Stirn. Wie der zufällig anwesende Pariser Kommissar und Freimaurer Antoine Marcas erkennt, handelt es sich dabei um das Tötungsritual, dem bereits Hiram, der legendäre Vater der Freimaurerei, zum Opfer fiel. Nahezu zeitgleich stirbt in Jerusalem Marek den gleichen Tod.

Kommissar Marcas und die Sicherheitschefin der französischen Botschaft in Rom, Sophies enge Freundin Jade Zewinski, sollen in Paris gemeinsam den Tod von Sophie aufklären. Da Zewinski jedoch einen abgrundtiefen Hass gegenüber den Freimaureren hegt, erscheint die von oben angeordnete Zusammenarbeit mit Marcas alles andere als eine gute Idee...

"Allein das Schattenritual führt den Initiierten zum Licht."

Um hinter das Geheimnis des Schattenrituals zu kommen liefern sich die Freimaurer, vor allem die französische Großloge Grand Orient und deren Großarchivar Marc Jouhanneau, einen tödlichen Wettlauf mit der Thule-Gesellschaft, die an dem Geheimnis ebenfalls interessiert ist und dabei keine Opfer scheut. Kurz bevor der Zweite Weltkrieg endet wird der Freimaurer Henri Jouhanneau in Dachau ermordet und Marc, sein Sohn, kennt nur ein Ziel. Die Ehre des Vaters muss wieder hergestellt werden und zwar indem das Schattenritual durchgeführt und der damit einhergehende "göttliche Effekt" erreicht wird.

Umfangreich recherchiert, kenntnisreich und spannend erzählt.

Sehr ausführlich stellt Autor Eric Giacometti die rivalisierenden Geheimbünde vor. Die Thule-Gesellschaft, ein rassistisch-esoterisch ausgerichteter Geheimbund, gab es bereits vor dem Aufstieg der Nationalsozialisten und so wurden die Bewegung von Thule-Mitgliedern alsbald unterwandert, wenngleich deren Einfluss auf Hitler selber wohl äußerst gering war. Bekanntester Ausläufer im Dritten Reich dürfte das "Ahnenerbe" gewesen sein, ein von Heinrich Himmler gegründetes Amt, in dem rund hundert Wissenschaftler historische, aber auch esoterische Untersuchungen durchführten.

Gegen die Freimaurer ging man im Dritten Reich vor, so zum Beispiel in Frankreich, wo Marschall Petain im August 1940 offiziell alle Großlogen auflösen liess. Allein über diese Phase (1940-1941) findet der Leser Tagebucheintragungen, die sich über zehn Seiten erstrecken. An anderer Stelle nimmt der Leser an einem Initiationsritus der Freimaurer teil, dass ebenfalls sehr detailliert über etliche Seiten wiedergegeben wird.

Giacomettis Roman ist durchweg spannend zu lesen, beinhaltet allerdings sehr viele Informationen, die sich der Autor aus zahlreichen Quellen beschaffte, wie am Ende des Buches nachzulesen ist. Wer auf durchgehend actionreiche Handlung setzt, sollte daher die Finger von diesem Roman lassen. Der vereinzelte Vorwurf, hier mit Absicht den Text gestreckt zu haben, wird unweigerlich aufkommen, allerdings wie so oft zu Unrecht. Wer jedoch gerne fesselnde Unterhaltung in Verbindung mit Geschichtswissen liest (sozusagen einen etwas besser recherchierten Roman von Dan Brown lesen möchte, wenngleich mit völlig anderem Hintergrund), der darf hier gerne zuschlagen. Das Buch ist eine hervorragende Urlaubslektüre, allein schon aufgrund seines Umfanges von rund 570 Seiten.

 

"Ich habe den Dingsbumscode nie gelesen und kann wahrscheinlich deshalb nicht so ganz nachvollziehen, was die Leute an all diesen Geschichten finden. Jesus und sein versteckter Sohn, die Tempelritter, Astrologie, Wunderheiler, .. alles bloß Märchen für Erwachsene. Und von freimaurerischen Rätseln brauchen wir gar nicht erst anzufangen."

 

Viele Eindrücke über die Freimaurer, mit all ihren Logen, Kolonnen, Tempeln, Zirkeln usw. prasseln auf den Leser ein und so kann man sich einer kritischen Haltung als Profaner (= Nicht-Initiierter) gegenüber den Freimaurern nur schwerlich entziehen, zumal es Giacometti nicht zu gelingen vermag, das Ziel der Freimaurerei eindeutig darzustellen. Zu vieles bleibt im Verborgenem, unterliegt dem Geheimnisvollem und mutet wie esoterische Themen höchst seltsam an. Vermutlich soll dies aus freimaurerischer Sicht auch so sein, denn viele Internetseiten der Großlogen verstärken diesen Verdacht durch Allgemeinplätze statt konkreter Antworten.

So sind die Konflikte zwischen den beiden Hauptermittlern, wenngleich aus einem anderen Grund, vorprogrammiert. Zewinski und Marcas könnten gegensätzlicher nicht sein. Alle Charaktere wirken, wie in deartigen Romanwerken oft üblich, recht eindimensional und beliebig austauschbar, was jedoch der Lesbarkeit im vorliegenden Fall keineswegs schadet.

"Ich bin der Gärtner. Was ist ihre Lieblingsblume?"

Die Themenvielfalt bestehend aus Nazionalsozialismus, Thule-Bund, Odessa, geheimnisvolle Riten, Freimaurerei, Großlogen, halluzinogene Pflanzen u.sw. - um hier nur einen kleinen Einblick in das weit gestreute Spektrum zu geben - sorgt für einen spannenden Plot nach bekanntem Aufbau- und Ablaufschema. Erfreulicherweise spielen Geheimdienste keine Rolle, von einer kleinen Randbemerkung über die CIA abgesehen, und auch die zu erwartende Brutalität angesichts der Mitwirkung ehemaliger SS-Schergen hält sich in erträglichen Grenzen. Es sei denn, der Gärtner kommt ins Spiel.

Das Schattenritual

Eric & Ravenne Giacometti, Rowohlt

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